Kennen Sie Tribbles?- Der Showdown zur Kommunalwahl in Duisburg
Welches Beispiel zieht man für einen politischen Bericht über die Kommunalwahl in Duisburg heran? Ganz oben auf der Liste würde natürlich „House of Cards“, die berühmte US Netflix-Serie um die Macht im weißen Haus stehen. Die scheint hier aber ungeeignet.
Dort agieren zwar auch viele intrigante und machthungrige Charaktere – aber das zumindest auf hochprofessionellen Niveau.
Vielmehr erinnert die Kommunalwahl und die damit einhergehende Ereignisse danach an die berühmte Enterprise-Folge: „Kennen Sie Tribbles?“ (in der Originalversion „Trouble with Tribbles“)
Verschiedene physikalische Grundgesetze der Politik wurden bei dieser Wahl ja bekanntlich außer Kraft gesetzt.
Obwohl die SPD über ¼ Ihrer Wähler verlor, reduzierten sich ihre Sitze im Rat der Stadt nur von 36 auf 32.
Gleichzeitig gab es durch die Wahl einen politischen Rekord. Duisburg hat mit 102 Ratsleuten den größten Rat der Stadt in NRW.
Rund die Hälfte der Mannschaft auf der „Duisburg“ (statt Enterprise) ist zudem neu.
Sie hat hohe Ziele mit wenig Erfahrung gepaart.
Ein weiteres Problem für Captain… sorry – OB Link ist das klingonische Raumschiff mit 10 AFD-Besatzungsmitgliedern, welches gekommen ist, um Unfrieden zu stiften.
So sitzt OB Link bei der ersten Ratssitzung zusammen mit Commander Murrack auf der Brücke der Mercatorhalle und betrachtet das quirlige Treiben vor ihm.
Es geht bunt zu auf dem Raumschiff Duisburg.
Speziell die grünen Tribbles haben sich vorgenommen alles neu und besser zu machen.
Im Gegensatz zu den anderen Tribbles haben sich die Grünen massiv vermehrt und freuen sich, dass fast jeder aus der Mannschaft mit ihnen spielen will.
Im Rat der Stadt haben sie schon die Mehrheitsgefüge ins Wanken gebracht und kosten das auch aus, indem sie sich über viele Streicheleinheiten in Form von Posten freuen.
Ihr größter Feind scheinen aber die Klingonen der AFD zu sein, die die Stadt vergiften wollen.
Sie versuchen alles, damit es keine Entscheidung gibt, bei der man sagen kann, dass sie nur durch das Zünglein an der Waage – der AFD zustande kam.
Wie in der berühmten Star Trek-Folge, in der die Klingonen das Getreide vergiften, die Tribbles dieses fressen und dadurch sterben, haben die Grünen im Rat eines nicht bedacht:
Allein diese Gedankengänge führen zu genau dem, was die AFD erreichen will:
Keine Entscheidung ohne ihren Einfluss. Und wenn der Einfluss nur ist, dass Entscheidungen anders fallen, als sie normalerweise fallen würden.
OB Link steuert souverän das Raumschiff um den ersten Asteroidengürtel, indem er klar aufzeigt, wer der Boss an Bord ist. Was er noch nicht erkennen konnte ist, dass die Tribbles sich längst in den Maschinenraum, die Bezirksvertretungen, vorgearbeitet haben.
Der Vergleich mit Star Trek mag ein wenig hinken. Was dem Wähler während und vor allem jetzt nach der Wahl geboten wird hat, aber schon etwas von Hollywood, oder zumindest dem Ohnsorg Theater.
Zerwürfnis mit der WGD
Im Rat der Stadt gibt es bisher kaum große Überraschungen, außer vielleicht Levent Önder, der für die WGD antrat und nun nach internen Querelen als Einzelvertreter im Rat sitzt. Önder hat seinen Wahlkampf sehr professionell aufgezogen. Ein aussagefähiges Plakat, starke Social Media Arbeit und ein aussagekräftiges Wahlvideo zeichneten seine Kampagne aus. Schon während des Wahlkampfes gab es aber erste Entfremdungen mit der WGD, die ihren Wahlkampf eher als Mission sah.
Das Interview hierzu können Sie unter folgenden Link abrufen:
Dramen mit 6 x SPD-Happy End
Nach der Kommunalwahl überschlugen sich die Ereignisse in den Bezirksvertretungen.
Im Duisburger Süden trat ein 18-jähriger Grüner direkt nach der Wahl aus der Partei aus und begann mit einem denkwürdigen Ereignis seine politische Karriere. Trotz dieser Unsicherheit wurde Beate Lieske (SPD) zur Bezirksbürgermeisterin gewählt.
In Rheinhausen sicherten sich SPD und CDU durch eine große Koalition die Mehrheit, wobei es hier ebenfalls für eine SPD Bezirksbürgermeisterin reichte. „Koalition der Verlierer“ wird sie süffisant von der Opposition genannt.
Tabula rasa machte man in Meiderich. Daniela Stürmann, die erfolgreiche Bezirksbürgermeisterin, hat das Ratsmandat errungen und Peter Hoppe, der ehemalige Bergmann soll ihr folgen. Schwierig ist es, wenn es mehrere Koalitionsmöglichkeiten gibt. So führte Stürmann, die ein geordnetes Haus hinterlassen wollte, Gespräche mit allen Parteien, außer den Rechten. Bei den Verhandlungen mit der CDU muss es irgendwann einen so großen Bruch gegeben haben, dass man gemeinsam mit den Grünen staatsmännisch einen ausgearbeiteten Vertrag präsentierte und als Seitenhieb auf der ersten Sitzung beschloss, dass es in Meiderich zukünftig nur noch einen stellvertretenden Bürgermeister gibt, der dann ein Grüner ist. So ging dann die CDU komplett leer aus und die Stadtkasse wird es freuen.
In Walsum fand die Telenovela um Macht, Hass und Zuneigung einen neuen Höhepunkt. Pünktlich zur ersten Sitzung traten 2 CDU-Bezirksvertreter aus derselben aus und liefen zu Junges Duisburg über, die bis dato mit einem Einzelvertreter erstmalig in der Bezirksvertretung saßen. Durch diese Überläufer dezimierte sich die CDU Fraktion auf nur noch 2 Mitglieder und Junges Duisburg freut sich zweitstärkste Fraktion zu sein.
Der langjährige Bezirksbürgermeister Salomon von der SPD wird zwar gewählt, aber bei den Stellvertretern gibt es ein „Hauen und Stechen“. Eine der Überläuferinnen ist nämlich die vorgeschlagene 2. Stellv. Bezirksbürgermeisterin. Mit dem Überlaufen scheint Gudrun Henne für ihre ehemalige Partei sämtliche Qualifikationen verloren zu haben. Die CDU schlägt als Fraktion mit nur noch 2 Mitgliedern René Klein vor. Dieser wird dann auch gewählt. Fraglich ist, ob das dann auch Bestand hat. Stellvertretende Bezirksbürgermeister werden nach der Größe der Fraktionen verteilt und Junges Duisburg hätte nach dem „De Hondtschen Verfahren“ ganz klar einen Anspruch darauf, den ersten stellvertretenden Bezirksbürgermeister zu stellen. Warten wir ab, wie es in Walsum weiter geht. Langweilig wird es sicher nicht.
Zu jeder guten Serie gehört ein dramatischer Höhepunkt vor der nächsten Staffel. Den bietet auf jeden Fall die Bezirksvertretung Hamborn. Diese hat als Einzige noch nicht getagt. Tun wird sie dies am Dienstag, den 10.11.2020 im Duisburger Rathaus, aufgrund der Coronaschutzregeln. Der Sitzungssaal in Hamborn ist einfach zu klein.
Von rot auf schwarz über Los
Bereits vor einem Jahr gab es in Hamborn ein dramatisches Finish, nachdem der langediente Bezirksbürgermeister Uwe Heider plötzlich ein Jahr vor Ender der Legislaturperiode zurück trat. Das rote Hamborn wird seitdem aufgrund eines Losentscheides vom Christdemokraten Markus Jungbauer gelenkt.
Trotz 8 von 16 Sitzen (der Pro NRW Mandatsträger ist seit Jahren nicht mehr erschienen) gelang es der SPD nicht, ihren Kandidaten durchzusetzen.
Zu allem Übel für die Genossen macht der neue Bezirksbürgermeister seinen Job perfekt. Akribisch stürzt er sich in die Arbeit, nimmt mehr als 160 Termine in 9 Monaten wahr – Rekordverdächtig.
In der Bezirksvertretung sorgt er dafür, das Gremium zu moderieren statt allein seine Richtung durchzuziehen.
Sein glückliches Händchen kommt nicht von ungefähr. Jungbauer hat im Hamborner Rathaus seinen Verwaltungsfachwirt als Auszubildender der Stadt Duisburg gemacht und ist über alle Ämter eng vernetzt.
Wegen seiner Liebe zur Bezirkspolitik wechselte er nach der Ausbildung zur Stadt Dinslaken, um in der Bezirksvertretung Hamborn bleiben zu können.
Inzwischen ist Jungbauer Leiter des Dinslakener Ordnungsamtes und gehört somit zum Führungsgremium der Duisburger Nachbarstadt.
Jungbauer hat ein Jahr lang die gesamte Bezirksvertretung Hamborn umarmt, aber gleichzeitig auch massiv Punkte bei den Bürgern und der Verwaltung gesammelt.
Die Einzigen, die wenig zu lachen hatten, waren seine beiden Stellvertreter Martina Will und Claus Krönke, beide
Mitglieder der SPD. Bei mehreren Veranstaltungen, zu denen auch Xtranews zugegen war, wirkten sie wie Hasen, die dem schnellen Igel hinterher hoppelten. Der ganzheitliche Ansatz von Jungbauer machte es ihnen zudem schwer, besondere Akzente zu setzen. Positiv gesehen herrschte im letzten Jahr in der Bezirksvertretung Hamborn mit ihren Amts- und Mandatsträgern eine lange nicht gekannte Aufbruchstimmung und alle zogen an einem Strang, wie gegenüber Xtranews mehrfach berichtete wurde.
Logisch wäre es gewesen, diese Stimmung und Konstellation in die nächste Legislaturperiode zu nehmen. Hamborn wäre wie Rheinhausen prädestiniert gewesen für eine große Koalition, die den aktuellen erfolgreichen Weg mit denselben Amtsinhabern fort setzt.
Dieses scheint jedoch nicht der Fall zu sein. Jungbauer gelang es trotz seiner Beliebtheit im Bezirk nicht, die Plätze der CDU in der Bezirksvertretung zu erhöhen. Die CDU verharrte bei ihren 4 Sitzen.
Wahlverlierer in Hamborn war ganz klar die SPD, die sich von 8 Sitzen auf 6 Sitze dezimierte und in Althamborn sogar das Ratsmandat an die CDU verlor.
In Marxloh war es ebenfalls dramatisch für die SPD, die es mit nur 45 Stimmen Unterschied schaffte, ihren Ratsherren Dieter Stradmann durchzuboxen.
Marcus Jungbauer, der in Marxloh für den Rat antrat, wird sich im wahrsten Sinn des Wortes schwarz geärgert haben.
Nicht nur über die 45 Stimmen Unterschied, sondern dass der endgültige Ratsherr mit nur 360 Stimmen und 23% gesiegt hatte. Im Zentrum von Marxloh gelang es Jungbauer durch einen engagierten Haustürwahlkampf die SPD-Vormacht teilweise zu brechen und einen Stimmbezirk mit 33% zu gewinnen. Sehr zum Ärger der SPD, die hier von 48% auf 18% absackte. Ein historischer Einbruch für die Genossen.
Tragisch auch die Rolle von Muhammet Keteci in Alt-Hamborn. Trotz eines engagierten Wahlkampfes holte Volker Mosblech hier das einzige Direktmandat für die CDU in Duisburg.
Woran es genau lag scheint vielschichtig zu sein. Aus CDU-Kreisen ist zu hören, dass massive Probleme beim “Maikäferfest“ und beim „Hamborner Herbst“ dazu geführt haben, dass sich viele Kaufleute von der SPD abwandten. Genau äußern wollte man sich nicht, habe diese Steilvorlage aber gerne genutzt.
Genau in dieser Szenerie wird nun das Finale der Duisburger Kommunalwahl stattfinden.
Alle haben irgendwie verloren
Wenn die Opposition in Rheinhausen dort süffisant von einer Koalition der Wahlverlierer spricht, dann könnte das in Hamborn noch einmal gesteigert werden.
Jungbauer, dem es nicht gelungen ist, seine Beliebtheit in mehr BV Plätze umzumünzen, sieht sich einem Feld von Wahlverlierern gegenüber, die aber alle zu Amtsgewinnern werden wollen.
Da wäre natürlich zunächst die SPD. Hier war Martina Herrmann extra nicht mehr für den Rat, sondern für die Bezirksvertretung angetreten und hat somit ihre ganze politische Karriere auf eine Karte gesetzt – als zukünftige Bezirksbürgermeisterin in Hamborn.
Für irgendwelche Stellvertreterposten stünde sie nicht zur Verfügung, heißt es aus den Kreisen ihrer möglichen Unterstützer.
Herrmann hat also einen natürlichen Antrieb, dass am 10.11.2020 eine SPD-Bezirksbürgermeisterin in Hamborn regiert.
Ein weiterer Verlierer sind die Grünen, denn sie konnten trotz des positiven Trends in der Gesamtstadt nur 2 Sitze in der Bezirksvertretung ergattern. Den Vogel abgeschossen hat der grüne Ratskandidat für Marxloh Ralf Buchthal, der es schaffte, das Ergebnis der Grünen dort um 1/3 zu dezimieren und trotz nur 69 Stimmen über die Liste in den Rat zu kommen.
In keinem Bezirk gibt es mehr Themen, die genau auf DIE LINKE zugeschnitten sind. Trotzdem gelingt es der Partei nicht, die Wähler zu erreichen und so sitzt Herbert Fürmann für DIE LINKE weiter allein in der Bezirksvertretung.
Die SGU, die sich vor Jahren aus enttäuschten SPD-Mandatsträgern gründete und heute nur noch weitestgehend eine „Einmannshow“ des Gründers Karl-Heinz Hagenbuck ist, wäre mit diesem weiter in der BV Hamborn vertreten, wenn das Gesamtergebnis in der Stadt nicht doch gereicht hätte, Hagenbuck als Nummer 1 der Liste in den Rat zu hieven. So wird der politisch noch nicht in Erscheinung getretene Nachrücker am Dienstag erstmals politische Luft schnuppern.
Auf einen Mann zusammen geschrumpft ist in der BV Hamborn die WGD, die zunächst vor hatte, mindestens 3 bis 4 Sitze im Gremium zu erzielen, aber eher durch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen versuchten Wahlbetruges in Erscheinung trat. Aktuell ist nicht mal sicher, ob die WGD ihre Plätze behält, da die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind.
Schließlich ist da noch die AFD, der es lediglich gelang, 2 Sitze für ganz rechte Gruppierungen auf sich zu vereinen. Nach dem Nichtwiederantritt des Rechten Egon Rohmann und dem Austritt von Hans-Werner Schwarz aus der AFD (Wechsel zur BL) werden wieder 2 Rechte einen Platz in Hamborn besetzen. Bereits jetzt spielt die AFD, ohne es selbst angestoßen zu haben, eine Schlüsselrolle bei der Bezirksbürgermeisterwahl.
Alle Beteiligten sind sich einig, dass sie sich nicht mit Stimmen der AFD wählen lassen werden, oder einen Kandidaten unterstützen, der nur mit Stimmen der AFD ins Amt kommt.
Der Showdown
Wie sieht der Trailer zum Staffelfinale am nächsten Dienstag denn nun konkret aus?
Xtranews hat bei allen Beteiligten nachgefragt- und Antworten erhalten.
Die Antworten der Verhandlungsparteien zeigen, wie angespannt die Lage hinter den Kulissen sein muss.
Wer auf jeden Fall das Nachsehen haben wird, sind die beiden aktuellen Stellvertreter Jungbauers Martina Will und Claus Krönke. Sie werden auf jeden Fall ihre Ämter verlieren, denn beide Lager haben deren Ämter als Verhandlungsmasse eingebracht.
Bereits bei der Ratssitzung am letzten Montag war diese Sachlage den AFD-Vertretern bekannt. Sie sehen eine Entmachtung als positives Zeichen, denn beide Stellvertreter waren sehr engagiert in ihrem Kampf gegen die AFD und nutzten dafür auch ihre Bekanntheit aus. Insbesondere Krönke war für die AFD im Bezirk Hamborn „Staatsfeind Nummer 1“ Egal, wie die Wahl ausgeht. Der Einfluss der AFD ist bereits jetzt spürbar.
Grüne: Erst die Ämter, dann die Politik
Ohne die Stimmen der AFD ist es schwierig den Bezirksbürgermeister zu wählen und diese Situation wissen speziell die beiden Grünen zu nutzen. Sie sind letztlich die Königsmacher im Bezirk.
Martina Herrmann verfügt über 6 eigene Stimmen. Hinzu dürfte der treue Herbert Fürmann kommen. Er wollte zunächst nach eigener Aussage eine Fraktion mit den Grünen bilden. Diese sei aber unter anderem daran gescheitert, wie man sich zur Bezirksbürgermeisterwahl positioniert-, und dann war da noch das Fraktionsgeld, über das die Grünen alleine bestimmen wollten.
Fürmann sollte im Rahmen der Fraktion den zweiten stellvertretenden Bezirksbürgermeisterposten erhalten. Dieser sei von der SPD, genau wie von der CDU angeboten worden, wenn man für den jeweiligen Kandidaten stimmt.
Noch vor der ersten Bezirksvertretungssitzung kam aber alles ganz anders. Fürmann antwortet auf unsere Anfrage:
Antwort der LINKEN:
„Nach der Wahl gab es ein Angebot von den Grünen, die seit 21 Jahren andauernde gemeinsame Fraktion in der BV Hamborn fortzusetzen, obwohl die Grünen auch alleine Fraktionsstatus hätten. Wir wurden uns inhaltlich und personell schnell einig und sind auch schon in Gespräche mit SPD und CDU gegangen, betr.: Bezirksbürgermeisterwahl.
Beide Optionen (Martina Herrmann, SPD und Marcus Jungbauer, CDU) haben wir für gangbar erachtet. Wir haben dabei auch geplant, mit keiner Seite eine feste Kooperation einzugehen.
Letztendlich sollte dabei eine Unterstützung der SPD herauskommen. Das lag daran, dass M. Jungbauer auch auf Stimmen aus dem ganz rechten Lager angewiesen wäre, das kann die Linke nicht mittragen. Es war nicht zu erwarten, dass die SGU die CDU wählen würde und dann hätten die anderen Stimmen nicht mehr ausgereicht.
Doch danach gab es einen Beschluss des Fraktionsvorstands und der Gesamtfraktion der Grünen, dass es keine gemeinsame Bezirksfraktionen mit anderen geben soll, sondern die Grüne Fraktion nur weitere Mitglieder aufnehmen will. Das hätte auch bedeutet, dass die Grünen sämtliche Gelder für die zusätzlichen Bezirksvertreter (Gelder, mit denen die Fraktionen arbeiten müssen) voll von ihnen vereinnahmt werden sollten. Im Gespräch waren neben Hamborn auch Walsum, Meiderich und Rheinhausen, zusammen über 7000 € im Jahr. Da hat dann die Linke nicht mehr mitgemacht und es kam zum Abbruch weiterer Gespräche.
Inzwischen hatten wir (die Hamborner Ratsfrau Carmen Hornung-Jahn und ich) Gespräche mit dem Bezirksvertreter Michael Boland und Ratsherrn Karl-Heinz Hagenbuck (beide SGU), die zu einem positiven Ergebnis geführt haben.
„Noch vor der BV Sitzung wird eine Fraktionsvereinbarung (SGU/LINKE) unterzeichnet. Auch wir planen keine feste Kooperation mit niemandem, werden aber Martina Herrmann (SPD) bei der Bürgermeisterwahl unterstützen.“
Ende der Antwort
Betrachtet man es einmal mit ein wenig Abstand, geht es bei der ganzen Postenanbieterei ausschließlich darum, den einen Wahlgang zu gewinnen. Danach ist wieder alles offen. Weder Grüne noch SGU/Linke werden nach der Bezirksbürgermeisterwahl Zusagen für eine langfristige Zusammenarbeit machen.
Konkret antworten die Grünen in Person der Ratsfrau Nazan Sirin auf unsere Anfrage vom 7.11.2020:
Die Antwort der GRÜNEN:
Im Moment ist es eine sehr stressige Zeit. Da wir sowohl auf Ratsebene als auch im Bezirk Hamborn Gespräche mit den großen Fraktionen führen, kommt zur Zeit das Privatleben zu kurz.
Da es sich aber unserer Ansicht nach lohnen wird, konzentrieren wir uns darauf, gute konstruktive Gespräche mit den demokratischen Fraktionen zu führen.
Das Problem ist, dass wir in Hamborn zwei sehr kompetente Kandidat*innen für den BBM Posten haben. Marcus Jungbauer hat bereits bewiesen, dass er überparteilich und souverän arbeiten kann. Und Martina Hermann ist eine starke Frau mit großer Erfahrung im Gepäck. Inhaltlich kommen wir mit beiden Fraktionen gut überein und stellen fest, dass wir alle Hamborn stärken wollen.
Beide großen Fraktionen haben uns angeboten, mit Birsel Katurman, die zweite stellvertretende BBM zu stellen. Das ist für uns sowie für die anderen ein großer Vertrauensvorschuss.
Es ist also keine einfache Entscheidung für uns, weswegen wir Grünen entschieden haben, die Konstellation zu wählen, die die Mehrheit zusammenbekommen wird.
Wir legen großen Wert darauf, dass Rassisten nicht unsere demokratischen Mittel ausnutzen, um sich selbst damit zu profilieren. Wir dürfen diesen Menschen keine Gelegenheit bieten, Entscheidungsträger bei der Wahl des BBM zu werden.
Da wir uns aber immer noch in den Gesprächen mit CDU und SPD befinden, können wir noch keine abschließende Antwort auf die Frage liefern, wen wir unterstützen werden.“
Ende der Antwort.
Im Endeffekt hat das Lager um Martina Herrmann (SPD) bis 3 Tage vor der konstituierenden Sitzung nichts in der Hand. Dasselbe gilt für den Noch-Amtsinhaber Marcus Jungbauer (CDU)
Herrmann kann für die SPD aktuell auf 6 eigene Stimmen zählen plus die Stimme des LINKEN Fürmann.
Ob der SGU-Vertreter wirklich genau der Partei zum Machtwechsel verhilft, wegen der sie sich einmal als SGU gegründet haben, bleibt abzuwarten.
Die Wortgefechte in der BV Hamborn zwischen Hagenbuck (SGU) und dem damaligen SPD Fraktionssprecher Sebastian Haack gelten als legendär.
Herrmann benötigt also die beiden Stimmen der Grünen, um die Mehrheit von 9 bzw. 10 Stimmen zu erhalten.
Selbst wenn Die SGU/Linke Fraktion komplett für die SPD Kandidatin stimmt, fehlt Herrmann 1 Stimme zum Sieg.
Keine Statements der SPD
Die Bezirksbürgermeisterkandidatin der SPD erklärt aus verständlichen Gründen, dass sie noch kein Statement abgeben könne, da ihr Verhandlungsteam noch zu keinem Ergebnis mit den möglichen Partnern für den Wahlgang gekommen sei.
Auch Claus Krönke, den wir für die aktuellen Stellvertreter angeschrieben haben, gibt kein Statement ab. Er erklärt lediglich:
„Mir, und ich denke ich spreche auch im Sinne meiner Kollegin Martina Will, geht es nicht um Ämter, sondern darum, dass es im Bezirk Hamborn in den nächsten 5 Jahren nach vorne geht.
Vor uns liegen in allen Stadtteilen Riesenaufgaben.
Es geht hier um die Menschen in Hamborn und nicht um einzelne Posten. Um der Frage vorzubeugen: Selbstverständlich stehen wir als SPD-Fraktion geschlossen hinter unserer Kandidatin Martina Herrmann.“
Wie reagiert der amtierende Bezirksbürgermeister Marcus Jungbauer auf die aktuelle Situation?
Er gibt sich eher staatsmännisch und bleibt seiner Linie treu:
Antwort der CDU
„Ich denke, dass sich eine Lösung finden wird. Ob ich weiterhin als Bezirksbürgermeister tätig sein werde, vermag ich nicht zu sagen.
Es könnte sein, dass ich 1. Stellv. BBM werde oder auch kein Amt über die Tätigkeit als Bezirksvertreter hinaus übernehme. Das wird sich zeigen.
Wichtig ist in den nächsten fünf Jahren, dass die demokratischen Parteien in der BV an einem Strang ziehen, um unseren Stadtbezirk vorwärts zu bringen in allen Bereich, ob KiTa, Schulen, Verkehr und Infrastruktur.
Wichtig ist eine nachhaltige Integration aller hier lebenden Menschen. Dabei gilt es alle Menschen mitzunehmen im Sinne einer echten Demokratie.
Dies kann und muss dazu beitragen, die Politikverdrossenheit abzubauen und die Wahlbeteiligung in fünf Jahren erhöhen.“
Ende der Antwort.
Wie sieht es nun im Lager von Marcus Jungbauer aus?
Jungbauer kann sich aktuell auf 4 eigene Stimmen stützen. Hinzu kommt sicher die Stimme des Einzelvertreters Durmus.
Für die WGD ist die SPD der entscheidende Gegner.
Kann Jungbauer auch die Grünen überzeugen, wäre er bei 7 Stimmen. Ganz sicher wird die AFD nicht für die SPD-Kandidatin stimmen und somit Jungbauer wählen. Darauf, dass die AFD sich enthält braucht man wohl nicht zu setzen. Damit würden sie sich sofort schwächen und mit dem Vertreter Schaary sitzt ein Politprofi in der BV Hamborn. Hauptberuflich arbeitet Schaary bei der AFD-Landtagsfraktion.
Damit wäre Jungbauer bei den beschriebenen 9 Stimmen und hätte die Mehrheit von Gnaden der AFD, was alle inklusive ihm verhindern wollen.
Auf eine saubere Art und Weise Bezirksbürgermeister werden kann er nur, wenn ihn auch die beiden Mitglieder der SGU/Linke Fraktion unterstützen. Dann hätte Jungbauer auch 9 Stimmen ohne die AFD erreicht.
Und nach dem Wahlgang?
Die Abstimmung über den Bezirksbürgermeister ist das Eine, die zukünftige politische Arbeit in der Zukunft ist etwas komplett Anderes.
Hier wird es keine automatische Mehrheit geben und der Bezirksbürgermeister bzw. die Bezirksbürgermeisterin müssen sich somit für jeden Beschluss neue Mehrheiten suchen.
Marcus Jungbauer ist das im letzten Jahr gelungen, obwohl er nur 5 eigene Stimmen in seiner Fraktion hatte. Martina Herrmann wird beweisen müssen, dass sie genau das auch mit 6 eigenen Stimmen schafft, was ihr zu wünschen wäre.
Kurios an diesem Showdown ist, dass genau das eintreten wird, was alle versuchen zu verhindern.
Ohne bisher in Erscheinung getreten zu sein, wird die AFD Einfluss auf die Wahl des Bezirksbürgermeisters nehmen. Wenn aus Angst vor einer Beteiligung der AFD derartige Verschiebungen stattfinden, hat die AFD bereits vor der ersten BV Sitzung einen ersten Erfolg errungen.
Epilog
Geplant war, eine Vorschau auf die letzte konstituierende Gremiensitzung nach der Kommunalwahl zu geben und vor allem eine Vorschau, wer im Bezirk Hamborn zukünftig das Ruder politisch in der Hand haben wird.
Am Ende ist es wie bei Berthold Brecht im guten Menschen von Sezuan: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“
Das Gute an der Demokratie ist aber, dass es am Ende immer ein Ergebnis gibt, auch wenn niemand es aktuell hier voraussagen kann.
Eine Möglichkeit, die noch gar nicht betrachtet wurde: Was ist, wenn jemand aus der Bezirksvertretung am kommenden Dienstag krank ist? Wie im Rat kann man keine Vertretung schicken.
So bietet uns die Kommunalwahl 2020 in Duisburg einen fulminanten Abschluss durch die Wahlen in der Bezirksvertretung Hamborn.
Vielleicht ist Oberbürgermeister Sören Link auch gar nicht der „Captain Kirk“ von Duisburg, sondern „Der Architekt“ und korrigiert bis Dienstag die Fehler in der Matrix.