EXKLUSIV-INTERVIEW: Ex BVB-Profi Sebastian Tyrala packt aus – „Ich habe das Kabinenleben geliebt“
Ex-Profi Sebastian Tyrala packt aus. Zum Weiteren berichtet er über sein Leben nach dem Fußball. Der ehemalige BVB Profi Sebastian Tyrala gibt tiefe Einblicke in seine Zeit als Profifußballer. A-Nationalmannschaft, Bundesliga, 2. Bundesliga, 3. Liga, Regionalliga, Oberliga, DFB-Pokal und Kreisliga, er hat alles erlebt im Fußball: Sebastian Tyrala, Ex-Profi von Borussia Dortmund.
Profifußballer – ein Traum vieler Millionen Nachwuchsspieler. Nur ein Bruchteil, wenn überhaupt, erreicht dieses hochgesteckte Ziel. Auf dem Weg zum Profifußballer fließen viele Tränen, Schweiß aber auch Erfolgsmomente gehören dazu. Die Zeit im Internat oder in einer Jugendmannschaft prägt junge Menschen u.a., weil Tugenden wie Teamgeist und Werte vermittelt werden. Das Fußballerleben hat viele Sonnenseiten des Lebens. Viel Freizeit, was in der NLZ-Zeit allerdings quasi ein Fremdwort ist. Eine solide Entlohnung, aber auch eine besondere Anerkennung. Fußballer genießen viele Privilegien. Es gibt allerdings wie in allen Bereichen des Lebens Schattenseiten. Wohnortswechsel finden quasi alle 2-3 Jahre statt, so ist es auch schwer seiner Familie ein festes Umfeld zu bieten. Die Erlebnisse einer Karriere sind quasi bei jedem einzelnen Spieler individuell.
Sebastian Tyrala ist ein tolles Beispiel, denn der 32-Jährige schnürt aktuell seine Fußballschuhe in der Kreisliga A. Ja – Richtig in der Kreisliga A. Das hat auch einen triftigen Grund, denn er hatte genug vom Profifußball. Tyrala forciert aktuell seine Ausbildung als Versicherungskaufmann und baut sich mit dieser Ausbildung ein neues Standbein auf. Ein Standbein nach der Karriere.
Am 22.09.2006 feierte Tyrala sein Debüt in der Fußball-Bundesliga. 18 Jahre jung war der sympathische Kicker zum damaligen Zeitpunkt. Ausgerechnet im Derby beim Auswärtsspiel bei Borussia Mönchengladbach durfte er seine Ballkünste vor 53.531 Zuschauern präsentieren. „Ein riesiges Erlebnis“, wie er heute beschreibt. Schiedsrichter war damals übrigens Herbert Fandel und sein Trainier war kein anderer als Bert van Marwijk. Beim BVB war die Situation angespannt, denn das Team stand zum damaligen Zeitpunkt auf Rang 9 in der Liga. Trotz großer Namen. Für einen Jugendspieler war es quasi der bekannte „Wurf ins kalte Wasser…“, da der Kader über sehr große Namen verfügte. Weidenfeller, Dedé, Wörns, Ricken, Kruska, Frei, Smolarek, Sahin, Amedick, Tinga oder Brzenska hießen seine damaligen Mitspieler.
Tyrala erlebte quasi alles, was ein Fußballer erleben kann. Er spielte vor 80.000 Zuschauern in der Bundesliga, stieg mit Greuther Fürth als Meister der 2. Bundesliga auf und konnte sich so seine Rückkehr in die Bundesliga sichern. Über 300 Spiele im Profifußball stehen auf seinem Konto. Für sein Heimatland Polen lief er sogar für die A- und U-Nationalmannschaft auf. Nicht genug, denn auch der DFB setzte ihn in der Jugendnationalmannschaft ein. Gegen Ende seiner Laufbahn wurde der gebürtige Pole durch Verletzungen an einer Fortsetzung der Karriere gehindert. Nun paukt er an seinem zweiten Standbein und entschied sich für eine Ausbildung im Versicherungsbereich. Mit dem Erwerb dieser Ausbildung öffnen sich für ihn berufliche Perspektiven abseits des Feldes.
Für Sie, für Euch haben wir ein sehr interessantes und spannendes Interview mit Tyrala geführt.
Exklusiv-Interview von Sebastian Tyrala mit XN-Redakteur Dustin Paczulla:
XN: Hallo Sebastian, vielen lieben Dank, dass Du Dir Zeit für uns nimmst. Wir fragen uns: was machst Du aktuell in der Kreisliga A?
Sebastian Tyrala: „Zurzeit bin ich noch Co-Trainer, aber ab Sommer werde ich dort als Cheftrainer agieren. Wenn der Schuh mal personell drückt, dann laufe ich natürlich auch noch das ein oder andere Mal auf. Für mich war immer klar, dass ich irgendwann zurückkehren möchte. Dort bin ich aufgewachsen und habe das 1×1 des Fußballs erlernt“
XN: Wie groß war der Umstieg für Dich? Viele Mitspieler und auch die Gegner werden Dich doch genauer unter die Lupe nehmen?
Sebastian Tyrala: „Für mich ist das keine große Umstellung, da der Fußball in der Kreisliga ebenfalls sehr attraktiv sein kein. Das einzige was mich generell stört, sind Beleidigungen, die dann gerne kommen, aber das scheint heutzutage ja leider „normal“ zu sein.“
XN: In deiner Karriere konntest du vor 80.000 Zuschauern im SIGNAL-IDUNA Park (Westfalenstadion Dortmund) spielen und nun spielst Du ab und an vor 25 Zuschauern. Was passiert da mit einem im Kopf?
Sebastian Tyrala: „Irgendwie ist beides cool, wenn du sonntags auf den Sportplatz kommst und du kennst jeden Zuschauer und kannst dich mit jedem ein wenig unterhalten, das hat auch einen gewissen Charme. Das Gefühl in ein Stadion zu laufen, wo 10.000 oder 80.000 Zuschauer sind, das ist schon ein Gänsehautmoment den man nicht vergessen kann. Am Ende ist es immer derselbe Fußball, selbst in der A-Kreisliga ist man bei spielen nervös, jedoch wirst du da nicht bei Fehlern in der Luft zerrissen, sondern trinkt danach dein Bierchen und lachst darüber.“
XN: Gehst Du heute noch ab und an ins Stadion der Borussia?
Sebastian Tyrala: „Wenn es die Zeit zulässt, dann immer gerne. Jedoch ist es mit 3 Kindern nicht immer so einfach, da meine Kinder auch im Verein Fußball spielen. Mein ältester Sohn wechselt im Sommer zum BVB, da wird das dann sicher wieder häufiger sein mit den Stadionbesuchen.“
XN: Du hast mit vielen Spielern intensiven Kontakt gehabt. Sei es in der Kabine, Auswärtsfahren im Hotelzimmer oder in der Freizeit. Verläuft sich das irgendwann tatsächlich und wenn ja, findest du es schade?
Sebastian Tyrala: „Im Großen und Ganzen verläuft sich das leider. Ich habe mit einigen Spielern noch regelmäßigen Kontakt, mit einigen spricht man ab und zu. Es ist auch sehr schwierig, man lernt neue Leute kennen und man lebt dann auch sein eigenes Leben weiter. Aber ich bin froh, dass ich mit einigen noch sehr guten Kontakt pflegen kann.“
XN: Wie siehst du die aktuelle Lage in den Nachwuchsleistungszentren im Vergleich zu deiner damaligen Ausbildungsphase?
Sebastian Tyrala: „Das ist ein sehr schwieriges Thema. Mittlerweile ist das alles schon sehr früh, sehr professionell geworden. Es wird schon sehr viel von den Kindern abverlangt. Wichtig ist immer die Unterstützung des Umfeldes, wenn das gegeben ist, dann ist das NLZ für jedes Kind eine tolle Erfahrung.“
XN: Die Digitalisierung hat vieles verändert, auch das Mannschaftsleben in einer Kabine. Was vermisst Du?
Sebastian Tyrala: „Schwierig zu beantworten. Ich habe das Kabinenleben geliebt, im Team Spaß zu haben, zu lachen, sich mal zu streiten. Handys waren bei uns eh verboten, so hatte man mehr Zeit sich über irgendeinen Mist zu unterhalten.“
XN: Wie schwer ist es, wenn man damals quasi in der Stadt permanent unter Beobachtung stand und heute freie Bewegungsfreiheit genießt?
Sebastian Tyrala: „Ganz heikles Thema. Haben wir gewonnen, bist du der Held für die Woche, jeder grüßt, jeder beglückwünscht Dich, verlierst Du bist du auf jeden Fall der Versager, verlierst du 2-3-4 hintereinander, solltest du lieber zu Hause bleiben. Ich hatte leider einige negative Erfahrungen gemacht. Ich wollte sowas nie an mich ranlassen, jedoch kann man sowas nie ganz ausblenden.“
XN: Du hast dich nun für eine Ausbildung entschieden. Was genau machst du und warum hast du dir das Berufsfeld: Versicherung ausgesucht?
Sebastian Tyrala: „In meiner Karriere hatte ich viele Verletzungen und daher schon viele Berührungsprunkte mit dem Thema Versicherungen. Es hat mich gereizt, meine Erfahrungen weiter zu geben und meine Geschichte erzählen zu wollen, auch wenn es nicht so viele hören wollen oder möchten, aber in der heutigen Zeit gibt es Versicherungen die für jeden Menschen oder jede Familie Existenziell sind. Ihr könnt mich gerne anrufen.“
XN: Hast du als Profi explizit auf Deine Ernährung geachtet? Wenn ja, genießt du heute neue Freiheiten in der Ernährung?
Sebastian Tyrala: (lacht) „Auf jeden Fall, ich habe sicher über 10 kg zugenommen. Für mich war jede Vorbereitung und freie Zeit ein Kampf. Ich sage immer, alleine schon am MC Donalds vorbeizufahren hat mich schon ein KG gekostet. Ich hatte leider nie so gute Gene und konnte nicht essen was ich wollte, daher genieße ich das jetzt umso mehr.“
XN: In der Saison 2012/2013 warst Du im ersten Bundesligaspiel mit Greuther Fürth gegen den FC Bayern München im Einsatz. Es folgte ein Kreuzbandriss. Wie schwer war das für dich?
Sebastian Tyrala: „Es war eine sehr schwierige Situation, ich war 15 Monate verletzt und konnte kein Spiel machen. Jeden Tag Behandlungen und dann wieder nur in den Kraftraum oder laufen ohne Ball, das macht leider wenig Spaß. Zu der Zeit wurde aber unser Sohn Lasse geboren und das hat einiges wieder geradegerückt. Kinder bzw. Familie sind einfach wichtiger als alles andere, daher hat mir, dass genug Kraft gegeben um dann irgendwann wieder auf dem Platz zu stehen.“
XN: 1. Bundesliga, 2. Bundesliga, 3. Liga. Regionalliga, Oberliga, DFB-Pokal, Relegation und Kreisliga. Du hast in quasi jeder Liga gespielt. War dir das so bewusst?
Sebastian Tyrala: „Bewusst auf jeden Fall, ich schaue gerne zurück zu meinen Stationen. Ich hatte für mich persönlich eine tolle Karriere mit vielen Höhen und einigen Tiefen. In jedem Verein habe ich tolle Sachen erlebt und ich war nie unglücklich. Am meisten weh tut mir der damalige Abstieg mit dem VFL Osnabrück.“
XN: Was kannst du allen Jugendspielern bezüglich 2. Standbein, Schule mit auf dem Weg geben?
Sebastian Tyrala: „Unbedingt die Schule zu Ende machen, wenn nicht sogar eine Ausbildung hinterher, aber man sollte nie aufhören sich irgendwie weiterzubilden. Die Fußballzeit ist begrenzt und kann schneller vorbei sein als man glaubt.“
XN: Es fällt leider auf, dass viele Jugendspieler sich über Instagram bezüglich Markenklamotten pushen, Schuhe und andere hochwertige Gegenstände. Was kannst du diesen Jungs mit auf dem Weg geben?
Sebastian Tyrala: „Das find ich gar nicht so schlimm. Das große Problem in Deutschland ist der Neidfaktor. Wenn die Leute das nicht sehen wollen, dann sollen sie wegschauen, warum sollen wir zu allem und jedem unseren Senf dazu geben. Die Jungs tun ja keinem was und sie können mit ihrem Geld ja machen was sie wollen. Ich will nicht sagen das mir das gefällt, ich würde das von meinen Kindern nicht wollen, aber am Ende ist es ja nicht meine Sache.“
XN: Aktuell gibt es in der Corona-Krise das heiße Thema Gehaltsverzicht und Kurzarbeit bei den Profis. Zu einem in der 1. und 2. Bundesliga, aber auch in der 3. Liga und Regionalliga. Hat die Gesellschaft einen falschen Eindruck vom Fußball in dem viele in den sozialen Medien auf Fußballer schimpfen?
Sebastian Tyrala: „Auf jeden Fall. Vor allem die Spieler in der 3.Liga. Natürlich gibt es auch dort viele Spieler, die ein Traumgehalt haben, aber es gibt so viele Spieler die für den bezahlten Fußball einen Witz verdienen. Es darf und sollte nicht jeder über einen Kamm geschert werden. Es ist wichtig zu sagen, dass viele Fußballer tolle Vorbilder sind. Sie unterstützen unfassbar viele Aktionen und unterstützen erkrankte Menschen, benachteiligte und schwächere Menschen. In anderen Branchen wird ebenfalls sehr viel Geld verdient, aber dort sehe ich nicht immer dieses Engagement.“
XN: Zum Abschluss, was war Deine größte Sünde im Fußball. Wenn du das heute auspacken darfst?
Sebastian Tyrala: „Da gibt es sicher einiges. Aber eine Sache ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Nach dem Abstieg mit dem VFL Osnabrück hatte ich ca. 15 Angebote aus mehreren Ligen vorliegen. Nach vielen Gesprächen habe ich Pele Wollitz in Cottbus zugesagt, 3 Stunden später kam ein weiteres Angebot aus Fürth und das wollte ich dann unbedingt machen. Pele, hat der Presse und im Verein schon verkündet das der Transfer durch sei. Für mich war es das härteste Gespräch aller Zeiten und ich stoße völlig zurecht auf viel Gegenwind bei Pele und jeder der ihn kennt, weiß was das heißt. Das war für mich und die Entwicklung als Mensch ein Schlüsselmoment, denn ich habe gelernt, dass sowas gar nicht geht und würde heute in allen Lebenssituationen, den selber Fehler nicht noch einmal machen. Paar Monate später hat Pele sich nach einer weiteren Verletzung bei mir gemeldet und mir gute Besserung gewünscht. Das fand ich überragend und zeigt den wahren Charakter von Menschen.“
XN: VIELEN LIEBEN DANK LIEBER SEBASTIAN TYRALA FÜR DIE ZEIT Die gesamte XN-Redaktion und deren Leser wünschen Dir für die weitere Zukunft alles Gute.