Eine Chance in der Krise: #DigitaleKirche

Die Christus Gemeinde in Duisburg Neudorf
Es ist manchmal nicht ganz einfach zu entscheiden, was notwendig und was wichtig ist und vermutlich haben sich manche Presbyterien im Kirchenkreis am Donnerstag, als die aktualisierten Empfehlungen der EKD zum Corona-Virus in den Mailbriefkästen auftrafen, Stunden über die Formulierungen im Schreiben ausgetauscht. Es darf auch angemerkt werden, dass Manches nicht so präzise formuliert war, wie man das gerne hätte. Andererseits ist die Eigenständigkeit der Gemeinden bei uns Protestanten nun extrem ausgeprägt und auch die einzelnen Landeskirchen sind erstmal voneinander unabhängig zu gewissen Handreichungen für die Situation gekommen. Allerdings: Bei der Frage der Schulschließung haben die Bundesländer ja auch nicht alle zu einem Zeitpunkt verkündet, dass man da tun wolle. So ist das halt im Förderalismus. Deswegen gab die EKD ja auch Empfehlungen aus und keine Befehle.
Seit gestern hat sich aber sowieso Einiges erledigt, weil die Stadt Duisburg selbst öffentliche Veranstaltungen heruntergefahren hat und dazu auch Gottesdienste gezählt werden. Wäre vorher noch die Frage gewesen, ob einige der Gottesdienste in der nächsten Zeit notwendig oder nicht notwendig gewesen wären – wir hatten in der EKD kürzlich Presbyter-Wahlen, also wären gestern und nächste Woche eigentlich Einführungsgottesdienste gewesen – stellt sich diese jetzt nicht mehr. Bis nach Ostern ist erstmal Schicht im Schacht. Also was Gottesdienste betrifft. Ob die Citykirchen normal geöffnet sein dürfen ist dann wieder eine andere Frage, die man mit Augenmaß beurteilen sollte. In unsicheren Zeiten sind Rituale enorm wichtig und wenn es auch nur das Anzünden einer Kerze in der Salvatorkirche oder nebenan in Karmel ist. Mit gehörigem Abstand zum Nebenmann natürlich. Und das müsste eigentlich auch momentan noch erlaubt sein, sofern man da keine Andacht oder irgendwas draus macht. Ein offenes Gebäude bietet aber immerhin die Möglichkeit auch mit dem Pfarrer, der Pfarrerin an sich ins Gespräch zu kommen, bietet Raum für aktive Seelsorge.
Es ist nicht ganz einfach zu begreifen, welche Konsequenzen und Auswirkungen das Verbot hat. Besuche von Pfarrer*innen im Altenheim müssen umdisponiert, Termine abgesagt oder verlegt werden. Da werden vermutlich Etliche in Schockstarre verfallen, Andere hingegen aufgewühltes Chaos vorfinden. Eine Frage bleibt allerdings auch nach dem Orga-Kram: Was ist zu tun? Wie erreicht man die Menschen in Zeiten, in denen es keine Gottesdienste vor Ort gibt. Manche würden jetzt böswillig anmerken, dass wir jetzt schon mal dafür proben können, wenn in Zukunft es in diversen Gemeinden kein Gebäude mehr geben sollte. Wegen: Sparens. Doch könnte die Krise nicht auch eine Chance sein?
Es schlägt momentan die Stunde der #digitalenkirche auf Instagram, auf Facebook, auf Twitter, Twitch, YouTube. Dabei sind reine Streaming-Angebot nichts Neues und ja nur eine Verlagerung der TV-Gewohnheiten ins Netz, aber jetzt mit Rückkanal. Neu sind die Möglichkeiten nicht, etliche Gemeinden nutzen sie schon und rechtlich ist zumindest vom Datenschutzgesetz der EKD her auch ein Streamen aus dem Gottesdienst machbar. Was jetzt allerdings passiert ist, dass Erprobungsräume aus dem Analogen ins Digitale versetzt werden. Innovative Ideen wie Gottesdienst To Go, Gebetsbriefkästen, Miniandachten per Livestreaming blühen momentan auf. Klar: Vorsprung haben jetzt alle, die eh schon Stream-, Podcast-, Twomplet-Erfahrung haben. Die sich ins Digitale wagten, weil sie neugierig waren. Und zugegeben: Manche werden jetzt überrumpelt sein, überfahren von Allem. Auf einmal Gottesdienst aus dem Home-Office streamen? Hilfe! Muss das sein?
Müssen muss man nichts. Auch nicht in den Zeiten des Virus aber natürlich sollte man sich fragen, wie man als Kirche den Auftrag der Seelsorge erfüllen kann, wenn vor Ort nichts mehr stattfindet. Es geht ja kaum, dass der Pfarrer, die Pfarrerin jedes Gemeindemitglied telefonisch anfragt, ob es ihr gut gehen würde … Wir sind ja auch nicht bei den Drei Fragezeichen und deren nostalgisch-hübsche Telefonkette. Und ja, wer technisch bisher nichts mit Streamen am Hut hatte, wer sich nicht mit den Möglichkeiten des Digitalen auseinandersetzte, für den ist die Anforderung jetzt auf einmal irgendwas zu machen auch enorm. Das sollte aber kein Freibrief für die eigene Bequemlichkeit sein – Hilfestellungen gibt jetzt überall im Netz und man kann ja immer noch etwas lernen.
Ich finde es bewundernswert, wie in einigen Landeskirchen Menschen Dinge einfach machen. Teils mit Studiotechnik, teils ohne. Und ich wünsche mir, dass diese BeGeisterung Raum schafft und zeigt, dass das Digitale gleichwertig neben dem Analogen existieren kann. Die Sache Jesu braucht Begeisterung – so heißt es in einem der neueren Kirchenlieder. Und wenn jetzt der Heilige Geist innovativ und kreativ sich im Digitalen austoben kann, dann ist das eine schöne Sache. Eventuell sogar Anstoß für den Ein oder Anderen, doch mal das Smartphone zu nehmen und damit live zu streamen. Einen Podcast zu erstellen. Eine Mikroandacht bei Twitter anzustoßen. Segenswünsche an eine Wäscheleine vor der Kirche zu hängen …