Milli Görüs-Gründer Erbakan in Duisburg: die Gerechten und die anderen
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Duisburg – Am Sonntag sprach auf einer Veranstaltung der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) in der Mercatorhalle deren Gründer, der frühere türkische Ministerpräsident Dr. Necmettin Erbakan. In einer fast zweistündigen Rede begeisterte der islamistische Politiker seine aus ganz Europa nach Duisburg gereisten Anhänger mit seinem „einfachen und schlichten Weltbild“, wie die taz berichtet.
Der 83-jährige "Mücahid Erbakan", zu deutsch etwa "Anführer Erbakan", erschien zur 40-Jahr-Feier seiner in Braunschweig unter dem Namen Türkische Union Deutschland e. V. gegründeten Organisation, die nach einigen Transformationen und Umbenennungen seit 1994 ihren heutigen Namen trägt. „Milli Görüs“ (religiöse nationale Weltsicht) ist der Titel eines 1973 veröffentlichten Buches zurück, in dem Erbakan seine Strategie zur Errichtung einer islamischen Republik in der Türkei darlegt.
In der Mercatorhalle lauschten die IGMG-Anhänger, die Erbakan abgöttisch verehren, seiner Rede „unter ohrenbetäubendem Lärm“ und strikt nach Geschlecht getrennt. Die ohne Ausnahme verschleierten Frauen nahmen auf dem Empore Platz, während sich die Männer im Innenraum austoben konnten, während der Anführer gegen den Westen und dessen "rassistischen Imperialismus" wettert und die gute alte Zeit des Osmanischen Reichs beschwor. Der Kommunismus habe ausgedient, der Kapitalismus sei in der Krise, beide unterdrückten die Menschheit, verkündete Erbakan. „Die Erlösung der ganzen Menschheit" sei folglich nun die Aufgabe von Milli Görüs.
Die Organisation hat nach eigenen Angaben in Deutschland 87.000 Mitglieder; der Verfassungsschutz spricht von 29.000. Seit einigen Jahren bemüht sich die IGMG um ein „post-islamistisches“ Image. Diese vermeintliche Hinwendung zu einem demokratischen „Postislamismus“, die Werner Schiffauer in seiner kürzlich erschienenen Studie schon für abgeschlossen hält, ist jedoch nicht zuletzt nach Erbakans Auftritt wie gestern in Duisburg stark in Zweifel zu ziehen.
So schaut denn auch die Führungsspitze der IGMG „verkniffen“, wie Pascal Beucker berichtet, als der Greis verkündete, dass es nur zwei Kategorien von Menschen gebe: die Milli-Görüsler, die für Gerechtigkeit einträten – und die anderen, die das nicht täten. Die IGMG-Spitze saß neben Erbakan auf dem Podium. „Wir müssen Rücksicht nehmen auf unsere älteren Mitglieder", rechtfertigte ein junger Funktionär hinter vorgehaltener Hand gegenüber dem taz-Berichterstatter das Geschehen in der Mercatorhalle. Doch auch die massenhaft angereisten jungen Milli-Görüs-Leute gerieten ob der Erbakan-Hetze in Ekstase. Keine guten Vorzeichen für eine „Modernisierungsstrategie“.