vzbv: Neue Bundesregierung muss Verbraucher berücksichtigen
vzbv – Eine Verbraucherpolitik aus einem Guss fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) von der neuen Bundesregierung. „Die Bedürfnisse der 80 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher müssen ins Zentrum der politischen Entscheidungen rücken“, fordert Vorstand Gerd Billen. Wachstum und Vertrauen seien die Rendite einer ambitionierten Verbraucherpolitik. „Wenn Märkte verbrauchergerecht funktionieren, erübrigt sich die ein oder andere Steuerdiskussion“. Als kontraproduktiv bezeichnet Billen die Nachricht aus Brüssel, wonach ein Richtlinienvorschlag für eine bessere Durchsetzung von Verbraucherrechten aufgrund massiver Kritik aus Deutschland zurückgezogen wurde.
Die aktuellen Negativschlagzeilen untermauern nach Ansicht des vzbv die Notwendigkeit, Politik in der kommenden Legislaturperiode „vom Verbraucher aus zu denken“: steigende Strompreise trotz sinkender Beschaffungskosten, steigende Bahnpreise trotz niedriger Energiekosten, steigende Krankenkassenbeiträge trotz anderslautender Zugeständnisse. Alarmierend ist auch die Nachricht, dass die Deutschen ihre Altersvorsorge schleifen lassen. Auch der aktuelle Datenschutzskandal ist ein Beleg für weitergehenden Handlungsbedarf. Gerd Billen: „Die Verbraucher erwarten von Schwarz-Gelb unmissverständliche Zeichen des Aufbruchs, die Übervorteilungen und Überforderungen entgegenwirken.“ Dazu gehöre ein starkes Ministerium ebenso wie ein effektiver Maßnahmenmix für funktionierende Märkte.
Finanzen
- Aktuell: Rund jeder Sechste legt im Vergleich zu den Vorjahren deutlich weniger Geld für den Ruhestand zurück (Altersvorsorge-Studie der Postbank).
- Lösung: Um das Vertrauen der Bundesbürger in den Finanzmarkt wiederzugewinnen und einen funktionierenden Markt zu gewährleisten, ist eine effektive Finanzaufsicht unabdingbar. Kein Produkt und kein Anbieter darf künftig mehr ohne Kontrolle bleiben. Verbraucherschutz muss explizit als Aufsichtsziel benannt, die dafür notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden. Zudem bedarf es klarer und einheitlicher Regeln für die Vermittlerbranche sowie den Ausbau der unabhängigen Beratung.
Bahn
- Aktuell: Trotz sinkender Energiepreise kündigt die Bahn weitere Preiserhöhungen an. Auch die Diskussionen um eine Privatisierung der Bahn sind neu entfacht.
- Lösung: Die Weichen müssen klar in Richtung Wettbewerb im Personenfernverkehr gestellt werden. Netz und Transport müssen voneinander getrennt, die Netze strenger reguliert und Quersubventionierungen zugunsten des Fernverkehrs abgebaut werden.
Strom
- Aktuell: Trotz drastisch gesunkener Großhandelspreise sind die Stromkosten für die Privathaushalte im zurückliegenden Jahr um durchschnittlich 50 Euro pro Haushalt gestiegen, derweil sind die Kosten für Firmenkunden deutlich gesunken (Analyse Verivox).
- Lösung: Auch hier muss der Wettbewerb im Vordergrund stehen, die Liberalisierung aus dem Jahr 1998 greift nicht. Die Gründung einer Netz AG wird den Wettbewerb forcieren. Zudem muss die Konzentration auf der Erzeugerseite reduziert werden.
Gesundheit
- Aktuell: Durch Kostensteigerungen zum Beispiel für Arzneimittel und erwarteten Einnahmerückgängen aufgrund der zu erwarteten steigenden Arbeitslosigkeit ergibt sich eine Finanzlücke in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Höhe von gut sieben Milliarden Euro (Schätzerkreis für die GKV).
- Lösung: Die neue Bundesregierung muss in dieser Situation am Steuerzuschuss für gesamtgesellschaftliche Leistungen der GKV festhalten, weil ansonsten die Versicherten noch zusätzlich belastet würden. Ferner muss die Koalition sich auf Maßnahmen verständigen, um die Wirtschaftlichkeitsreserven im Gesundheitswesen systematisch zu erschließen. Um Wettbewerb zu forcieren sollten die Krankenkassen die Beitragssätze für ihre Versicherten wieder individuell festsetzen können.
Datenschutz
- Aktuell: Datenschutzskandal um die Weitergabe von Kundendaten durch Dienstleister der Deutschen Telekom.
- Lösung: Datenschutz ist kein Kostenfaktor, sondern ein Grundrecht und Vertrauenselement. Die künftige Regierung ist daher gefordert, effektivere Maßnahmen gegen die schleichende Erosion des Datenschutzes in Deutschland zu ergreifen. Die zahlreichen Ausnahmeregelungen im Bundesdatenschutzgesetz sind abzuschaffen und jede Datennutzung und -weitergabe an Wissen und Zustimmung der Verbraucher zu binden.
Verbraucherrecht
- Aktuell: Die für heute angekündigte Vorstellung eines Richtlinienvorschlags der Europäischen Kommission zur kollektiven Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bei Kartellrechtsverletzungen wurde in letzter Minute aufgrund massiver Kritik nicht zuletzt aus Deutschland abgesagt.
- Lösung: Es ist an der Zeit, dass Verbraucher die Möglichkeit erhalten, Schäden infolge rechtswidriger Praktiken einzelner Unternehmen gerichtlich geltend zu machen. Die neue Bundesregierung ist aufgefordert, hier eine klare Kehrtwende zu Gunsten der Verbraucher zu vollziehen.