NRW SPD kritisiert Schulpolitik der Landesregierung im Lockdown
Bereits seit längerer Zeit beklagen Lehrer, Eltern und Oppositionen die kurzfristigen Entscheidungen der Landesregierung im Bereich der Bildung. Klare Linien und ein schlüssiges Konzept sind für die NRW SPD nicht erkennbar. Vielmehr empfindet man hier das Handeln der Landregierung als Zumutung für alle Beteiligten. Heute reagierte die NRW SPD auf die konkreten Lockdown-Entscheidungen von Bildungsministerin Gebauer mit eigenen Vorschlägen.
Vorbemerkung
Das Zeitgeschehen prägt jede Generation. Diese Generation von Schülerinnen und Schüler wird auf tiefgreifende Art und Weise von der Covid-Pandemie geprägt. Ihre alltäglichen Routinen und Gewohnheiten haben sich auf dramatische Art und Weise verändert. Die Schule als zweitwichtigster Lebensraum neben dem Elternhaus muss gerade in diesen Krisenzeiten weiterhin ein sicherer und zuverlässiger Ort bleiben. Damit dies so ist, müssen wir als Gesellschaft unseren SchulleiterInnen und den Lehrkräften unser volles Vertrauen entgegenbringen, damit sie die jungen Menschen in dieser Krise stärken können und ihnen durch gute Bildung den Weg in eine gute Zukunft ebnen können.
10 Punkte zur Schulpolitik in Zeiten von Corona
- Die Schulministerin ist mit ihrem Ansatz „Präsenz ohne Plan B“ gescheitert. Anstatt die Expertinnen und Experten vor Ort – also die Schulleitungen und Lehrkräfte – in ihren Kompetenzen, in ihrer Kreativität und in ihren Befugnissen zu stärken und sie dafür zu motivieren, geeignete Maßnahmen zu treffen, wurde zurückgewiesen und verboten. Kreative Lösungen wurden kaputtgeredet oder als ideologisch/parteipolitisch gebrandmarkt.
- Der Stufenplan der KMK muss jetzt mit Leben gefüllt werden und dabei die Gesundheit unserer Kinder (auch die seelische) und der Lehrkräfte sowie der anderen Pädagogen an Schulen gewährleistet werden. Planungssicherheit ist für alle Beteiligten bis zum Ende des Schuljahres von größter Bedeutung.
- Dabei müssen wir endlich auch eine langfristige Perspektive in den Blick nehmen und über die unmittelbaren Auswirkungen des Lockdown hinausdenken. Folgende Aspekte müssen dabei berücksichtigt werden:
- Dieses Schuljahr ist kein normales Schuljahr, das muss der Landtag anerkennen. Die Halbjahreszeugnisse sollten in SEK 1 dieses Jahr nicht vergeben werden. Alle Schülerinnen und Schüler werden in diesem Jahr grds. automatisch versetzt.
- Darüber hinaus sollen die Schülerinnen und Schüler der Klasse 4 auf Wunsch wiederholen können. Ansonsten wird der Lernstand individuell festgehalten, damit in der weiterführenden Schule darauf eingegangen werden kann. Die Schulen müssen dafür Zeit einplanen können.
- Die Erprobungsstufe (5+6) ist bis zum Ende der Klasse 7 zu verlängern.
- Die Abschlussprüfungen der Klasse 10 sollten noch stärker in die Verantwortung der betreuenden Lehrkräfte gelegt werden, die mit Unterstützung der Fachaufsicht die Qualität sichern, auch wenn die Quantität nicht die gleiche sein kann. SchülerInnen, die nur knapp oder nicht bestehen, sollen das Angebot erhalte, ggf. mit Unterstützung der Kammern und ggf. der Agentur für Arbeit von August bis November nachgeschult zu werden.
- Die Schüler der Klasse 8 und 9 am Gymnasium sollen das Angebot bekommen, freiwillig in G9 umzusteigen.
- Die Abiturprüfungen sollten stärker in die Verantwortung der Lehrkräfte gelegt werden – entweder durch einen nochmals ausgeweiteten Prüfungspool oder durch weitere Abiturvorschläge, die auf den erteilten Unterricht Rücksicht nehmen. Mit Unterstützung der Fachaufsicht können wir die Qualität sichern, auch wenn die Quantität nicht die gleiche sein kann.
- Die Kernlehrpläne in NRW gehen von einem bestimmten Umfang und Unterrichtszeit aus. Diese standardisierten Zeitfenster wurden durch die Pandemie außer Kraft gesetzt. Noch nie hat es in NRW so unterschiedliche Lern- und Unterrichtszeiten gegeben. Die Kernlehrpläne in NRW sind kompetenzorientiert. Dieser Umstand birgt die große Chance, geforderte Inhalte, Themen und Lerngegenstände vor dem Hintergrund der Pandemie neu zu bewerten und eine Engführung der Themen vorzunehmen. Der Ausfall unzähliger Unterrichtszeiten darf nicht ignoriert werden und muss angemessen in den Kernlehrplänen für die nächsten Jahre abgebildet werden. Neue Prioritäten in den einzelnen Fächern müssen festgelegt werden.
- Ferienprogramme und Ganztagsunterricht können in den nächsten Jahren genutzt werden, um ggf. auch Inhalte nachzuarbeiten. Freiwillige und verpflichtende Angebote müssen mit den Beteiligten verabredet werden.
- Fächerübergreifend muss das Thema der Pandemie in all seinen Schattierungen aufgearbeitet werden, damit diese Schülergeneration gestärkt aus dieser schweren Zeit hervorgehen kann.
- Unsere Vorschläge aus dem April müssen endlich flächendeckend mit einem rechtlichen Rahmen versehen und ermöglicht werden. Dazu gehören im Detail folgende Vorschläge:
Jeder Raum kann zum Lernraum umfunktioniert werden
- Lernen muss nicht zwangsweise in Schulgebäuden stattfinden. Wenn die Pandemie es erfordert, müssen Lernräume außerhalb des Schulgebäudes eruiert werden. Hier können die Kommunen unterstützen und durch das zur Verfügung stellen von großen Räumlichkeiten die Infektionsgefahr minimieren, da genügend Abstand gewahrt werden kann. Außerschulische Lernorte, wie Museen, Biologische Stationen, etc. müssten verstärkt genutzt werden, um den SchülerInnen weiterhin das Lernen zu ermöglichen. Die Entscheidung muss vor Ort nach örtlichen Bedingungen entschieden werden.
- Darüber hinaus müssen während der hohen Infektionszahlen alle Weichen auf Wechselunterricht gestellt werden, damit Abstände zur Eindämmung des Infektionsgeschehens gewahrt werden können. Dabei können verschiedene Wechselmodelle gewählt werden: vormittags und nachmittags, ein über den anderen Tag, oder wochenweise.
- Für Kinder ohne Lernorte zu Hause muss ein Lernort in der Schule angeboten werden. Der persönliche Kontakt zu jedem Kind ist persönlich zu halten, zur Not kann die Jugendhilfe zur Unterstützung genutzt werden.
Analoger und digitaler Unterricht
- Analoges und digitales Lehren und Lernen muss in einer konstruktiven Wechselbeziehung und nicht als konkurrierende Konzepte betrachtet werden.
- Kompetenzen im Bereich des digitalen Lehrens und Lernens sind sowieso in Zukunft zwingend. Jede Schule hat unterschiedliche Voraussetzungen und dies muss berücksichtigt werden. Gemeinsam mit dem Beauftragten für Datenschutz und den Schulträgern muss die beschleunigte Umsetzung der Digital-Pakte bearbeitet werden. Ausstattung und Fortbildung, First und Second Level Support müssen mit Hochdruck umgesetzt werden.
Impfstrategie – Schulen gehören zur kritischen Infrastruktur
- Wir brauchen eine Impfstrategie, die die Lehrkräfte und das nicht pädagogische Personal schneller berücksichtigt. Geimpfte Lehrkräfte und geimpftes nicht pädagogisches Personal können so Schulen zu sicheren Orten machen und das Infektionsgeschehen durchbrechen. Schließlich gehören Schulen zur kritischen Infrastruktur und die Akteure müssen geschützt werden, damit das System funktionieren kann. Qualifiziertes Lehrpersonal in Quarantäne kann sich das Schulsystem nicht erlauben.
Teststrategie und Schnelltests
- Lehrkräfte gehören zur kritischen Infrastruktur, insbesondere bei den jüngsten SchülerInnen sind der persönliche Kontakt und soziale Nähe mit MitschülerInnen und Lehrkräften von prägender Natur.
- Lehrkräfte müssen sich anlassbezogen wie auch ohne Anlass wöchentlich kostenlos testen lassen dürfen – solange sie nicht geimpft sind.
- Neben den PCR-Tests gilt es auch in größerem Umfang Schnelltest in eine umfassende Teststrategie zu integrieren, die selbstständig durchgeführt werden können. Dafür bedarf es entsprechender Schulungen.
- Neben der Testung müssen weiterhin FFP2-Masken an das schulische Personal verteilt werden und Desinfektionsmittel in allen Räumen zur Verfügung stehen.
Mehr Kooperation
- Das System Schule braucht Planungssicherheit und Verlässlichkeit. Mit einem Plan für eine langfristige Perspektive kann auch die Hauruck-Kommunikation der vergangenen Monate endlich ein Ende finden. Dazu muss die Landesregierung endlich auf Kooperation setzen.