Außenseiter – Spitzenreiter zur Kommunalwahl 2020: Im Gespräch mit Oliver Beltermann von Junges Duisburg
Junges Duisburg ist in unserer Stadt mittlerweile eine etablierte kommunale Wählergemeinschaft. Sie wurde 2009 gegründet. Erst 3 Monate vor der Kommunalwahl trat die Gemeinschaft in Erscheinung und bewies Erfolg. Damals zog Stephan Wedding für Junges Duisburg in den Rat der Stadt ein. In der darauf folgenden Wahl 2015 zog neben Wedding ein weiterer Mann als JUDU-Ratsherr nach – Oliver Beltermann.
Xtranews traf sich mit Oliver Beltermann zum Gespräch.
Wie sehen Sie Ihre Chancen gewählt zu werden?
OB:“Gut! Von 2009 auf 2014 gab es nur eine demokratische Partei, die es geschafft hat mehr Stimmen hinter sich zu vereinen als Junges Duisburg. Selbst die SPD, die 35 von 36 Wahlkreise gewonnen hatte, hatte an Stimmen verloren.
Wir waren die einzigen, die mehr Stimmen bekommen haben, wir haben uns verdoppelt. Unser Ziel ist es uns nochmals zu verdoppeln. Wir wollen eine eigene Ratsfraktion haben. Ziel sind vier Bezirksvertretungen. Mitte, Süd, Hamborn und Homberg/Ruhrort/Baerl.
Dies sind hoch gesteckte Ziele für die Bezirksvertretung, aber die Ratsfraktion sollte möglich sein. Schwerpunkt ist ganz klar Mitte, da die meisten von uns hier leben und politisch bekannt sind. Das ist kommunal von Bedeutung.“
XN: Wie sehen Sie generell die Wahltendenzen für die stärkeren Parteien?
OB:“Wenn man jetzt vom Trend ausgeht, wird die SPD vermutlich die stärkste Kraft bleiben, aber mit deutlichen Verlusten rechnen zu haben. Die großen Parteien haben auch ein ganzes Stück mit dem Bundes- und Landestrend zu kämpfen. Das ist für uns ein Fluch und auch Segen, da wir nicht den Bundes- und Landestrend zu fürchten haben.
Wenn ein SPD-Minister etwas sagt, das dem Rest der Bevölkerung nicht zusagt, dann verliert die SPD hier ein paar Hundert bis Tausend Stimmen. Die CDU hier lebt vom Bundestrend. So habe ich jedenfalls den Eindruck. Denn für mich ist hier von deren Seite her ist der Wahlkampf hier nicht ersichtlich. Auch sie werden nach meiner Einschätzung ein paar Prozent verlieren. Ob sie einen Wahlkreis noch direkt für sich gewinnen können, wird sich zeigen. Die Grünen sind stark aufgrund der Umweltthematik, die aber wegen der Corona-Problematik stark abgeflacht ist. Ich denke, sie werden mehr Mandate erzielen diesmal. DIE LINKE sehe ich gleichbleibend, die FDP mit uns auf Augenhöhe. Sie verzichten in dieser Wahl auf Plakate, was ich persönlich und marketing-technisch als falsch eracht. Doch das soll jede Partei für sich selbst entscheiden.“
XN: Worin sehen Sie die Ursache, das die großen Parteien diesen Einbruch haben?
OB:“Politikverdrossenheit und eine GroKo ist symphatisch für die beiden großen Parteien im Rat. Die entscheiden relativ schnell. Ein oder zwei Anrufe mit dem Oberbürgermeister und schon wird man tätig.
Man sieht ja, das eine GroKo gut ist und Stabilität bringt, am Slogan der CDU. Letztendlich bringt sie nichts nach vorne. In der Bezirksverteung Mitte erkennt man es ganz deutlich. Dort entscheiden zwei Leute für die Bezirksvertretung und niemand streitet mehr um die beste Sache in den demokratischen Parteien.Es wird nur noch abgenickt und das lähmt Duisburg. Duisburg hat Potential das einfach brach liegt, weil man bequem geworden ist.
Eine GroKo zu leugnen, die die Mandatsträger der SPD und der CDU hier in Duisburg gerne tun, ist an Albernheit kaum zu überbieten. Wir haben in Duisburg eine GroKo, sie ist da und sie bewegt in Duisburg viel zu wenig.“
XN: Sie sagen grad selbst, Duisburg habe große Potentiale. Welche sind diese und wo würde Junges Duisburg ansetzen?
OB:“Man muss es erst einmal schaffen, eine Stadt wie Duisburg mit einer solch genialen geographischen Lage, eine Bahnverbindung an den Hafen zu bringen, an internationale Flughäfen und Autobahndrehkreuzen so wirtschaftlich abzuhängen. Strukturwandel ist ein Thema, das alle Ruhrgebietsstädte haben. Merkwürdigerweise stehen Essen und Dortmund besser da als Duisburg.
Da muss man sich als Politiker den Schuh anziehen, das man hier den Anschluss verpennt hat. Man hat in den letzten Jahren kaum Pläne für die Zukunft gemacht. Es ist immer so, das man merkt:“Huch, jetzt sind die Werke zu. Jetzt müssen wir uns was überlegen!“ – So etwas muss man sich vorher überlegen, wenn man Politik macht. Und Kommunalpolitik, die paar Stellschrauben die man hat, wurden aus unserer Sicht unter Rot-Rot-Grün in die falsche Richtung gedreht.
Höchste Gewerbe- und Grundsteuer passen nicht zusammen mit der hohen Arbeitslosenquote, die wir hier in Duisburg haben. Und wir haben einen Haushalt in Duisburg bei dem der soziale der grösste Posten ist. Und niedrige Mieten kommen nicht von ungefähr. Das ist auch schon ein Zeichen. Klar kann man sich über niedrige Mieten freuen, aber die meisten Leute sehen zu, das sie schnell aus Duisburg weg pendeln. Ob Lebensqualität, Sicherheit, Sauberkeit oder ÖPNV. Es muss alles passen um eine Stadt attraktiv zu machen. Man kann sich nicht nur ein Feld heraus picken. Man muss alles bearbeiten.
Da ist ein ausgewogenes Wahlprogramm eine Antwort, in dem alle Themen angesprochen werden von Bedeutung. Man muss die Kommunalpolitik im Blick haben und nicht nur solitäre Maßnahmen ins Leben ruft.“
XN: Wie sehen Sie die Wahlkampagne der SPD? Sehen Sie darin das Neutralitätsgebot des Oberbürgermeisters verletzt?
OB:“Spannend. Ich bin auch kein Jurist. Mit steht da keine Meinung zu. Ich fand es nur merkwürdig. Klar ist er der bekannteste Sozialdemokrat der Stadt. Er hat für mich die OB-Wahl überraschender Weise mit 53% gewonnen. Es war damals eine super OB-Kampagne. Es war spannend, da damals der Bundestrend der SPD runter ging. DOC hat er verloren, SPD hat im Bund verloren, aber er uwrde trotzdem OB. Ihn jetzt so solitär auf die Kampagne zu bringen finde ich persönlich merkwürdig, weil die SPD ja sonst keine Kampagne hat.
Es sind nur Profilbilder ohne Inhalt. Nur unser OB bringt die Inhalte mit Sicherheit, Wohnen usw. Auf den kleinen Plakaten steht nicht drauf, für was die Kandidaten einstehen. „Eine Stadt. Ein Wort“ ist für mich nichts sagend. Das mit dem Neutralitätsgebot ist eine Grauzone.
Wir hätten ihn ja theoretisch auch abbilden können, aber warum sollten wir das tun? Er ist in der SPD. Es ist schwierig. Ich bin gespannt, ob noch Klagen eingereicht werden. Die FDP macht es grad medial laut. Es gibt aber immer noch Wähler, die nicht vom OB überzeugt sind. Ich masse mir hier nicht an zu entscheiden, ob es hier eine clevere Strategie war oder nicht.“
XN: Kritische Bemerkungen zu den Plakaten Junges Duisburg gab es ja zu Hauf…
OB:“Natürlich. Dann ist das Wahlplakat offensichtlich auch angekommen. Wenn aus der Ecke der Wahlgegener was kommt, dann haben wir ja offensichtlich alles richtig gemacht. Und wir verschließen uns nicht vor gewissen Themen. Und wenn unsere Mitglieder sagen, das es ein Thema ist, dann bringen wir dies auch aufs Plakat.
Bürger sprechen uns darauf an und bestätigen uns mit den Themen. Das ist uns heute noch am Infostand in Meiderich passiert. Zum Beispiel ist Sicherheit ein Thema. Wir überlassen auf keinen Fall den gewissen Parteien aus dem undemokratischen Spektrum dieses Feld. Das Thema Sicherheit hat sogar der OB unter seinem Bild thematisiert. Es ist ein Thema. Oft geht es hierbei auch nur um gefühlte Sicherheit, nicht um die Statistik. Wir kennen die Kriminalitätsstatistik, dennoch ist es auch ein gefühltes Thema beim Bürger.
Das Plakat mit der Party wird in Zeiten von Corona mit Corona in Verbindung gebracht. Das ist falsch. Es geht um das Kneipen- und Kultursterben in dieser Stadt. Wir haben kaum noch Nachtleben. Wir sind die 15. grösste Stadt, die donnerstags um 19 Uhr die Bordsteine hoch klappt. Das ist auch ein Zeichen für Lebensqualität. Und darauf ist das Plakat gemünzt. Die älteren Kandidaten, und das ist auch der Bruch, wir nehmen uns damit selbst auf die Schippe. Es ist ein wenig Anlehnung an die EDEKA-Werbung.
Jede Kritik am Wahlplakat ist erstmal Reichweite für uns. Wir haben auch positive Zuschriften bekommen, Die Leute fiden unser ÖPNV-Plakat richtig witzig. Wir benennen klare Themen. Die Evolution unserer Wahlplakate war ja folgende: 2009 die ganze Truppe, 2014 die Teams in den einzelnen Bezirken um unbewusst aufzufallen und 2020 Themen. Wir haben insgesamt 6 Themen die wir bespielen und diese finden sich im Wahlprogramm wieder. Läuft. Ich finde sie witzig und bin sehr zufrieden mit den Layouts.“
XN: Wie versuchen Sie die Wähler konkret zu gewinnen?
OB:“Viele Infostände, ganz klares Statement, was wir in den letzten 6 Jahren umsetzen konnten, trotz Opposition. Das sind so Themen, wie zum Beispiel städtischen WLAN-Antrag wurde von uns eingereicht und die Verwaltung hat es ganz schnell umgesetzt. Der OB hat es gemeinsam mit den Stadtwerken als eigenen Erfolg verkauft.
Tierheim, wir haben hier den Antrag gestellt, das man die Hundesteuer ein Jahr erlässt, wenn man einen Hund aus dem Tierheim aufnimmt. Zufälliger Weise kam der gleiche Antrag aus der Verwaltung mit einer 2-jährigen Frist. Selbstverständlich haben wir hier auch zugestimmt.
Ebenfalls ein klarer Erfolg von uns. Kostenloser Eintritt ins Museum, war unser Antrag im Kulturausschuss. Er wurde zum Prüfantrag übernommen und es wird jetzt eingeführt. Der Prozess wird weiter verfolgt. Als Opposition kann man durchaus auch Sachen durch bringen. Das ist auch das, was wir den Bürgern mitteilen.
In unserem Wahlprogramm gibt es grüne Häkchen an Themen, deren Einführung wir beteiligt waren. Wir haben einen Flyer der aufzeigt, was die GroKo in Duisburg verhindert hat oder jetzt gerade wieder einführt, wie zum Beispiel die höheren Müllgebühren.
Wir sind auch auf sämtlichen Social Media Plattformen vertreten. Wir haben das Internet nicht grad erst für uns entdeckt. Wir sind auf allen Kanälen seit 6 Jahren konsequent präsent, erreichbar und ansprechbar. Witziger Weise hat die SPD sich sogar unseren Titel kopiert. Deren Stammtische heißen jetzt auch „AnsprechBar“, aber auf gute Ideen gibt es leider kein Copyright.“
XN: Heißt also: Die Großen klauen es den Kleinen?
OB:“Was heißt klauen? Sie stimmen nicht zu, da der Antrag von uns kommt und diskutieren es. Dann kommt das Thema irgendwann in einer abgewandelten Form doch wieder auf oder gar nicht. Denn die Verwaltung setzt es ja um. Es würde aus meiner Sicht her einer großen Bunde-, Landes- und Europapartei besser zu Gesicht stehen, einfach mal zu sagen:“Ey, Junges Duisburg… Geile Idee. Macht mal so“, dann zeigt es sich, das es um Duisburg geht und nicht um den Antragsteller. Das ist das, was mich an der politischen Arbeit am meisten stört. Diese Partei-Denke. Wenn die Grünen eine gute Idee haben, warum sollte man dieser nicht zustimmen? Es geht uns um die Sachen und nicht um den Antragsteller.
XN: Sie sind in der Beziehung also wesentlich kooperativer als andere?
OB:“Sachorientiert. Trinkwasserbrunnen ist hier als gutes Beispiel zu benennen. Wir sind der Meinung, das diese eingeführt werden sollten. Antrag von uns, Support durch DIE LINKEN und Die Grünen. Die SPD hat darauf hingewirkt, da wir in die Anträge schreiben „Ist zu prüfen“. Prüfen ist in der Politik grundsätzlich ein weiches Thema. Wie lange prüft die Stadt es dann? Es kann einen Monat dauern oder aber auch drei Jahre andauern. Trinkwasserbrunnen wurde letztes Jahr geprüft, wir haben sie immer noch nicht und gerade machen Die Grünen damit Wahlkampf. Sie wollen diese einführen, aber eigentlich haben sie unserem Antrag schon zugestimmt. Eigentlich geht es um die Sache, denn Kommunalpolitik ist sachorientiert. Client in Client und keine Weltrevolution.“
XN: Was macht Junges Duisburg für Duisburg speziell aus?
OB:“Wir bearbeiten nur Duisburger Themen und sind nicht in Landes- oder Bundesthemen verhaftet. Wir sind ansprechbar und alles Ehrenamtler. Von uns macht keiner von Berufswegen her Kommunalpolitik. Wir sind alle im Alter zwischen 22 und 42 Jahre.
Die Mandatsträger in der ersten Reihe nehmen immer noch am wirklichen Leben teil. Hands on ist unser Thema. Wenn etwas anliegt, versuchen wir uns darum zu kümmern. Entgegen großer Themen. Wenn bei uns ein Mitglied eine Idee hat, dann diskutieren wir diese intern in Arbeitskreisen aus. Und dieses Mitglied findet seine Idee irgendwann im Ausschuss wieder.
Wir hatten zum Beispiel die Idee Bezirkssportanlagen oder Vereinsgelände nach Firmen, als Sponsoring. Dies wurde in den letzten drei Jahren verteufelt, in der letzten Bezirksvertretung Mitte gab es einen Dringlichkeitsbeschluß, das eine Sportanlage am Sternbuschweg in Neudorf in Heizöl-Sowieso-Arena unbenannt. Was damals undenkbar, heute geht’s. Bei uns ist das in der Regel basisdemokratisch. Das heißt aber nur, wenn die Idee von der Mehrheit getragen wird. Wir können nicht jeden Quatsch einreichen. Die Mitglieder bringen sich ein und müssen nicht 15 Jahre zum Beispiel auf eine Hundewiese warten. Und wir denken eher lösungsorientiert, hängen uns nicht am Poblem fest.“
XN: Demnach orientiert sich Junges Duisburg weiterhin regional und nicht über die Stadtgrenzen heraus?
OB:“Junges Duisburg bleibt Junges Duisburg und die Grenzen sind für die Ratsmitglieder bis 40 Jahre gezogen. Man kann auf Wunsch der Mitglieder, wenn man seinen Job gut gemacht, auch gerne ein weiteres Mal zur Wahl antreten. Dennoch gilt generell ab einem Alter von 40-43, das jüngere jetzt ran müssen.
Wir haben zum Beispiel in Beeck einen Kandidaten für die BV, er war mal SPD-Mitglied und ist 72 Jahre alt. Er saß viele Jahre für die SPD in Beeck in der BV. Er hat ein super Know-How, das wir für uns nutzen. Junges Duisburg bezieht sich in keinster Weise aufs Alter, sondern bezieht sich aufs junge denken und auf junge Ideen. Das ist wohl auch einer der Gründe, weshalb man sich weigert die Ratssitzungen als Live-Stream zu bringen. Das möchte man nicht. Dann würden die Bürger ja sehen, wer welche Ideen einbringt und was sein direkter gewählter Vertreter im Rat so tatsächlich leistet.“
XN: Was machen dann ehemalige Mandatsträger? Bleiben Sie aktiv bei Junges Duisburg oder orientieren sie sich politisch um?
OB:“Nein, jeder ist bei uns herzlich willkommen. Wir haben AG-40-Plus. Dort treffen sich die älteren Mitglieder in einer separaten Truppe. Denn es wäre vermessen, wenn ich mit 36 den Blick des Seniorenbeirates hätte. Und witziger Weise muss man über 60 Jahre alt sein um in einen Seniorenbeirat dabei zu sein. Wir dürfen hier zwei Mandatsträger stellen. Diese sind aus 40-Plus. Diese haben den besseren Überblick darüber, welche Probleme sich in dieser Stadt für Ich maße es mich auch nicht mehr an, was einen 16-Jährigen umtreibt. Aber im Feld der Altersspanne von 28 bis Mitte 30 bin ich bestens vernetzt und wir haben hier einen recht guten Einfluss, den meiner Meinung nach den grossen Parteien oft fehlt. Auch, wenn sie pro forma junge Kandidaten aufstellen. Diese kommen oft gar nicht mit ihren Ideen durch, denn die Mehrheit die in der Fraktion sitzt ist 50 plus. Wenn man sich das Alter, die Berufe und Lebensläufe dieser anschaut, dann erkennt man sofort, wer in Duisburg die eigentliche Politik bestimmt. Es sind nicht die Menschen zwischen 20 und 40.“
Wir danken Oliver Beltermann für das Gespräch und wünschen aus Junges Duisburg alles Gute für die Kommunalwahl.