Außenseiter – Spitzenreiter zur Kommunalwahl 2020: Mirze Edis von DIE LINKE im Gespräch
Duisburg Hochfeld ist einer der bekanntesten Stadtteile Duisburgs. Hier leben fast 19.000 Menschen. Die Bevölkerungsstruktur besteht aus einem sehr hohen Anteil von Einwanderern verschiedener Nationalitäten. Laut Wikipedia wies am 31. Dezember 2018 Hochfeld mit 58,8 % den höchsten Ausländeranteil aller Duisburger Stadtteile auf. Der Anteil türkischer und türkischstämmiger Bürger ist in Duisburg-Hochfeld relativ hoch. Aus diesem Grund sind die Geschäfte speziell auf deren Bedürfnisse zugeschnitten. In den letzten Jahren habe sich Hochfeld, neben Laar, Meiderich, Bruckhausen und Marxloh, zudem als Siedlungsschwerpunkt für Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien herausgebildet, vor allem Roma, die inzwischen mehr als 15 % der Bevölkerung Hochfelds ausmachen.
Hochfeld hat nicht nur kulturell eine ganze Menge zu bieten. Einen besonderen Mittelpunkt macht der teileröffnete Rheinpark Duisburg aus, dem eine Verlagerung der heute ansässigen Industriebetriebe vorangeht, und der der Stadt Duisburg auf einer Länge von 1,4 Kilometern wieder einen Zugang zum Rhein gibt. Dann gibt es noch die ausgedehnte Parkanlage „Böninger Park“ sowie eine kleinere Parkanlage in der Nähe der Rudolf-Schock-Straße. Duisburg-Hochfeld hat etliche Kneipen und viele Kaffeehäuser sowie Geschäfte. Ein Stadtteil, der mit Marxloh durchaus mithalten kann.
Hier lebt Mirze Edis. Er kandidiert für den Rat der Stadt. Bereits seit 2014 vertritt er DIE LINKE. im Rat der Stadt. Er setze mich für die gleichberechtigte Teilhabe von allen in Duisburg lebenden Menschen ein. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist der Bereich Stadtentwicklung. Er engagiere sich für den Ausbau von Sozialwohnungen, einen kostenlosen ÖPNV, den Erhalt von Grünanlagen und eine faire Verteilung von Geflüchteten auf alle Stadtteile. Als Betriebsrat und Gewerkschafter kämpfe er um jeden Arbeitsplatz und vor allem für den Erhalt des Stahlstandortes Duisburg. Er ist 2. stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann GmbH.
XN: Wie sehen Sie Ihre Chancen gewählt zu werden?
ME: „Sehr gut. In erster Linie bin ich auf der Ratsreserveliste auf Platz 6. Vor 6 Jahren hatte ich den gleichen Listenplatz und auch gewählt worden. Zudem bin ich Direktkandidat für Dellviertel und Hochfeld. Und ich bin guter Dinge, das ich als Direktkandidat gewählt werde. Denn ich bin ein fast gebürtiger Hochfelder. Ich bin hier aufgewachsen. Mein bester Freund hat am Dellplatz gewohnt, ich war auf dem Hochfelder Markt und weiß, wie es früher in Hochfeld war. Und ich weiß, was mir früher bei meiner Integration geholfen hat. Von daher weiß ich, was den Hochfeldern heute fehlt.
Ich unterhalte mich mit den ansässigen Bürgern. Unter anderem auch mit den Zuwanderern aus Südosteuropa. Wenn ich ihnen erzähle, dass wir früher ein Hallenbad und eine Stadtteilbibliothek hatten; eine sehr attraktive zu seiner Zeit, sehr viele Spielplätze hatten, die wesentlich attraktiver waren als die Heutigen, glaubt man mir kaum. Es hat sich demographisch allerhand in den letzten Jahren geändert. In diesem Stadtteil leben fast 65% Menschen mit Migrationshintergrund. Fast alle aus dem Mittelmeerraum.
Die Erwartungshaltung dieser Menschen ist, dass sie sich gerne in Parks aufhalten. Doch das Problem ist, das unsere Parks nicht mehr attraktiv genug sind. Wenn man in den Parks die Eröffnung von Teehäusern oder Teegärten umsetzen könnte, dann würde man Mütter und Kinder die sich zum Beispiel permanent an der Pauluskirche aufhalten, in die Parks bekommen. In der Türkei gibt es Teegärten, die zu jeder Jahreszeit geöffnet sind und bewirten. Die Menschen, vor allem Kinder bewegen sich in den Parks. Dies ist ein besonderer Anreiz für die Menschen.
Wir sitzen hier auch gerade am Dellplatz und eben habe ich mich hier mit sehr vielen Menschen darüber unterhalten, dass wir die Kulturszene hier halten müssen. Wir unterhalten uns darüber, welche Möglichkeiten es dazu gäbe um weiterhin den Dellplatz so attraktiv wie möglich zu erhalten. Wir brauchen viel mehr Veranstaltungen am Dellplatz, nicht nur das Platzhirsch-Festival. Man kann es noch wesentlich vielfältiger gestalten. Die Nachbarschaft begrüßt dies auch. Nicht nur die Lokale würden davon profitieren. Ich verstehe von daher nicht, warum der Dellplatz und auch Hochfeld von Seiten der Politik so negativ dargestellt wird. Ich weiß auch nicht, was dahintersteckt.
Aus diesem Grunde denke ich, da ich aus Hochfeld komme, sehr viele Menschen in diesem Stadtteil kenne und auch eine sehr große Familie habe, die weiterhin in Hochfeld lebt, gute Chancen zu haben in Hochfeld gewählt zu werden.“
XN: Was ist in Ihrem Wahlkreis Besonders?
ME: „Das Besondere an meinem Wahlkreis ist, das wir 136 verschiedene Nationalitäten sind. Das Hochfeld direkt am Rhein liegt und an der Stadtmitte,Wedau -und somit an Natur grenzt.
Einen viel schöneren Platz als Hochfeld kann ich mir nicht vorstellen. Hochfeld liegt zentral, aber es gibt auch sehr ruhige Stellen. Wenn irgendwann der Rheinpark weiter und attraktiver gestaltet wird, (im Rahmen der Bundesgartenschau) dann bin ich mir sicher, wird Hochfeld nichts mehr im Weg stehen. Es ist ein sehr schöner Stadtteil.
Das Ziel Aller müsste sein, Hochfeld und Dellviertel so zu gestalten, wie zum Beispiel Berlin-Kreuzberg oder die Kreuzstraße in Köln. Wir sollten und müssen definitiv aufhören Hochfeld als eine No-Go-Area zu bezeichnen. Es ist ein sehr schöner Stadtteil in dem sehr lebensfrohe Menschen leben.
Erst kürzlich habe ich mich mit einer älteren Dame unterhalten, die mir sagte, dass sie gerne in Hochfeld lebe und weiß, dass wenn sie mal auf der Straße hinfallen würde irgendwer kommt, um ihr aufzuhelfen. „Wenn sie in Serm oder anderen Stadtteilen lebte, dann bin ich gefallen und müsste bis zum nächsten Morgen warten, bis mich jemand entdeckt. Meiner Meinung nach gibt es keinen schöneren Stadtteil als diesen.“ Sagte sie zu mir.“
XN: Sie haben nun sehr viele positiven Dinge zu Hochfeld aufgeführt. Sehen Sie auch negative Aspekte in Hochfeld, wo Sie als gewähltes Ratsmitglied dringenden Handlungsbedarf sehen?
ME: „Natürlich. Negativ jetzt nicht in dem Sinne. Es leben durchaus sehr viele Menschen aus Südosteuropa in Hochfeld. Was diese Menschen stört, ist, dass auch sie gerne in anderen Duisburger Stadtteilen wohnen würden. Sie bekommen aber keine Wohnungen in anderen Stadtgebieten. Wir reden hier von fast 5.000 Menschen.
Wir wollen mal ehrlich sein. Die Stadt Duisburg verfügt alleine mit der GEBAG über 24.000 Wohnungen. Es muss doch möglich sein, diese Menschen auf diese Wohnungen in dieser Stadt verteilen zu können.
Wenn bis zu 3.000 dieser Menschen in andere Stadtteile aufgeteilt würden, dann hätten wir alle weniger Probleme und könnten bessere Integrationsmöglichkeiten schaffen. Das ist nun mal ein Problem.
Weil wir diese Möglichkeiten nicht anbieten leben sie in Hochfeld. Und da es in Hochfeld kaum, bis gar keine freien Wohnungen mehr gibt, kommt es zu Situationen, in denen auf 65 qm Wohnfläche 10-15 Menschen leben. Während der heißen Sommertage sitzen sie vermehrt auf der Straße. Der gewöhnliche Deutsche und Türke, der sich integriert fühlt, fragt: „Was machen die denn den ganzen Tag auf der Straße? Haben die kein zu Hause?“ – Diese Menschen haben kaum Möglichkeiten sich zurück zu ziehen in den Wohnungen, in denen sie leben. Das ist für mich ein negativer Aspekt.
Hinzu kommt, dass Hochfeld zentral liegt. Die Wanheimer Straße ist bekannt für die zahlreichen Lebensmittelmärkte, Gold- und Schmuckgeschäfte, Brautmode. Doch es gibt kaum Parkmöglichkeiten. Man findet heute sogar kaum noch einen freien Parkplatz auf dem Hochfelder Markt, wenn man hier im Stadtteil einkaufen möchte. Wir brauchen auf jeden Fall mehr Parkraum.“
XN: Wie will man dies realisieren, wenn man, wie Sie zuvor sagten, kaum Wohnraum in Hochfeld zur Verfügung hat?
ME: „Wie will man das schaffen? Das ist eine sehr gute Frage. Auf der Wanheimer Straße hat man den Parkraum in den letzten Jahren deutlich verringert. Man müsste sich mal darüber austauschen, ob es nicht im Eingangs- oder auch Ausgangsbereich zu Hochfeld möglich wäre, ein Parkhaus zu setzen. Ich habe mich mal mit einem Mitarbeiter des Ordnungsamtes unterhalten, der mir mitteilte, dass die meisten Parkverstöße in Duisburg aus Hochfeld resultieren. Hier gibt es sehr viele Parksünder und das liegt an den nicht vorhandenen Parkmöglichkeiten. Ich kann jetzt hier an Ort und Stelle keine Lösungsmöglichkeit aufzeigen, dennoch ist dies ein Problem lösbar. Ich bin mir sicher, dass es in der Verwaltung genug kluge Köpfe gibt, die sich mit solchen Problematiken auskennen.“
XN: Warum gehen Migranten wenig bis gar nicht wählen. Ist dies in der Vergangenheit gefördert worden?
ME: „Es hat zwei Gründe. Zum einen dürfen Menschen mit Migrationshintergrund aus Drittstaaten wie der Türkei nicht wählen, wenn sie nur die türkische Nationalität haben.
Wer nicht im Besitz eines deutschen Passes ist, der ist nicht wahlberechtigt.
Doch jemand, der erst vor Kurzem aus einem EU Land hier zu gezogen ist, der ist bei den Kommunalwahlen wahlberechtigt.
Das bedeutet : Viele Menschen, die schon lange hier leben und sich auch im Stadtteil engagieren sind nicht wahlberechtigt, weil sie eine nicht EU Nationalität haben.
Andere, die sich noch gar nicht mit dem politischen System beschäftigt haben dürfen wählen, gehen aber nicht, weil sie sich nicht auskennen.
Zumindest sind viele berechtigt an der Integrationsratswahl teilzunehmen.
Menschen, die keinen deutschen Pass haben sind automatisch wahlberechtigt.
Schwierig wird es bei Menschen, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, aber zugleich einen Migrationshintergrund.
Dann muss man beim Wahlamt seinen Unterlagen einfordern. Man bekommt diese nicht automatisch. Man muss sich selbst drum kümmern. Dies ist einer der Gründe, weshalb die Wahlbeteiligung zum Integrationsrat auch so gering ist. Die Beteiligungs-Quote liegt bei 8-20%. Erschreckend wenig. Man sollte den Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in NRW haben durchaus die Möglichkeiten bieten, sich gerechter an den Wahlen beteiligen zu können. Doch alle bekannten Parteien lassen dies nicht zu. Das ist unfair auch den Menschen gegenüber, die 40 bis 50 Jahre schon in diesem Land leben.W
XN: Sie kandidieren für Hochfeld. Welche Potentiale sehen Sie in dem Stadtteil?
ME: „Hochfeld brauch definitiv eine stärkere Kultur-Szene. Wir wollen zusehen, dass wir auch zunehmend Studenten nach Hochfeld bekommen. Nach und nach siedeln sich mittlerweile Studenten um den Böhninger Park an. Es gibt auf der Eigenstraße Kneipen, die einmal wöchentlich aufgrund von Corona öffnen und diese sind gut besucht. Es ist dann brechend voll auf der Straße. Die Nachfrage nach solchen Kult-Kneipen ist hoch.
Hochfeld wird auch sehr stark von der Bundesgartenschau profitieren. Unser Vorteil liegt auch darin, das wir aufgrund der zahlreichen ansässigen Nationalitäten in der Lage sind, Fördergelder zu beantragen über Bund und Land, bzw über die EU.
Die EG DU wartete auf Ideen und Projekte für den Stadtteil. Aus diesem Grund ist es auch wichtig Stadtteile wie Marxloh und Hochfeld nicht kaputt zu reden. Es ist ein Gewinn für uns, dass es solche Stadtteile gibt.
Es ist, im Gegensatz zu den negativen Medienberichten kaum Kriminalität in den Straßen zu sehen Klar sind Dealer präsent, doch die hast du in jedem Stadtteil. Haschisch hat den größten Anteil, an dem, was auf den Straßen verkauft wird. Heroin und Kokain wird eher in anderen Stadtteilen angeboten. Sollte Marihuana irgendwann mal legalisiert werden, dann hat man auch nicht mehr diese Problematik in den Straßen.“
XN: Was sind Ihrer Meinung nach die Schwächen Ihrer politischen Mitbewerber?
ME: „Sie sind nicht bürgernah. Sie gestalten ihre Politik nach der BILD-Zeitung, wie sie es gerne hätten. Sie sind nicht nahe beim Volk und wissen nicht wirklich, wie sich zum Beispiel ein Geschäftsinhaber zu Corona-Zeiten fühlt. Sie wissen nicht, wie es auf einem der Marktplätze aussieht, mit welchen Problemen ein Markthändler zu kämpfen habe. Es gibt viele Händler, die Mitarbeiter beschäftigen, die keine abgeschlossenen Berufsausbildungen haben und der Gefahr ausgesetzt sind, ihre Arbeitsplätze zu verlieren. Aufgrund der fehlenden Ausbildung sehen sie sich einer perspektivlosen Zukunft gegenüber. Viele von ihnen beherrschen kaum die deutsche Sprache und würden auf dem Arbeitsmarkt untergehen, wenn sie aus diesen geschützten Arbeitsverhältnissen fallen.
Hätten wir die Geschäfte in Hochfeld nicht, würde die Arbeitslosenquote in Duisburg deutlich höher sein.
Ich bin Betriebsrat und Gewerkschafter. Ich arbeite in einem Betrieb, in dem 3.200 Mitarbeiter beschäftigt sind. Ich bin mehr oder weniger durch meinen Job gezwungen mit den verschiedensten Menschen zu kommunizieren. Ich höre mir von jedem an, wo der Schuh drückt und welche Erwartungshaltung Derjenige von der Politik hat.
Das machen die wenigsten Parteien oder Gewerkschafter. Früher war es zum Beispiel ein absolutes Muss, das man zumindest einen Betriebsratsposten bekleidete, wenn man bei der SPD um einen Mandatsposten kandidierte.
Heute ist gewerkschaftliches Engagement dort komplett uninteressant.
Die SPD sehe ich nicht mehr unter den Menschen. Sie ist icht mehr wirklich bürgernah.
Ich würde den Begriff „bürgernah“ dann doch weglassen. Nahe am Menschen würde ich verwenden.
Es ist tatsächlich bei meinen politischen Mitbewerbern so. Man fragt nicht mehr, was man für die Menschen tun kann. Das gibt nicht mehr den Ausschlag für eine Kandidatur. Wichtig ist: Wer sitzt in welchem Ortsverein, Kegelverein und kann für die eigene Partei die meisten Stimmen holen.
Eine weitere Schwäche ist natürlich, dass die Mehrheit der Duisburgerinnen und Duisburger eine Baumschutzsatzung haben möchte, doch die Politik über deren Köpfe hinweg entschieden hat, dass diese abgeschafft wird.
Eine weitere Schwäche meiner politischen Mitbewerber ist, dass keine Volksentscheidungen bei wichtigen Angelegenheiten angeboten werden. Die Menschen und Bürger, die in Duisburg leben, werden gar nicht in wichtige Entscheidungsprozesse mit einbezogen. Hierbei sei der Güterbahnhof zu erwähnen. Es war scheinheilig dort eine Veranstaltung aufzuziehen.
Dabei ist es dann nämlich geblieben. Was ist mit den Ergebnissen, Vorschlägen und den Veränderungen? Meine politischen Mitbewerber kämpfen nicht mehr für soziales Wohnen. Das, was einst Duisburg stark gemacht, der Zusammenhalt, der fehlt.
Im Duisburger Süden war man in den 70er-Jahren drauf bedacht Sozialwohnung zu bauen. Schau dich dort jetzt mal um. Eine Villa nach der anderen. Warum bekommt man an dem Standort nicht den Sozialbau platziert? So könnten situierte Kinder mit nicht so gut situierte gemeinsam in den Kindergarten oder zur Schule gehen.
Wieso muss man die Reichen von den Armen oder Ärmeren so bewusst voneinander trennen? Ich habe oft in den Ratssitzungen kritisiert, dass man den Duisburger Norden kaputt gemacht habe und bewusst den Süden aufgebaut hat.
Die Stadt bietet Menschen aus dem Düsseldorfer Umland günstigeren Wohnraum an als in Düsseldorf, vernachlässigt dabei aber Stadtteile wie zum Beispiel Hochfeld. Das machen sie bewusst!“
XN: Liegt das nicht auch ein wenig an der Wählerschaft?
ME: „Die stärkste Wählerschaft der SPD ist eher im Norden ansässig. Die Arbeiter. Es ist ein Verrat an den eigenen Wählern.was die Sozialdemokraten hier betreiben. Im Duisburger Süden sind eher CDU- und FDP-Wähler ansässig. Mittlerweile eher Grün-Wähler. Da müssen wir uns alle nichts vormachen.
Die SPD hat in den letzten Jahren nur aus dem Eklat mit Adolf Sauerland profitiert. Großartig getan für ihre Klientel hat sie nichts. Eher für die Klientel der CDU. Deshalb versteht man sich so gut im Rat.“
XN: In welchen Dingen sehen Sie Ihren Stadtteil benachteiligt?
Hochfeld ist seit Urzeiten über die Förderung der sozialen Stadt mit Millionen Euro beteiligt. Man erkennt aber kaum bis keine Fortschritte. Was denken Sie woran es liegt?
ME: „Das liegt daran, dass über die lokalen Medien hinaus Stadtteile wie Marxloh und Hochfeld zu negativ dargestellt wurden. Nicht nur durch die Medien, sondern auch Teile der Politik. Spielen dieses Spiel um von den Geldern für benachteiligte Menschen zu profitieren.
Als die Bundeskanzlerin nach Marxloh kam, versprach sie den Menschen Gott und die Welt und welche Pläne man habe. Man wolle mit verstärkter Polizeipräsenz für deutlich mehr Ordnung sorgen. Doch nichts wurde bisher umgesetzt. Man muss auch mal aufhören ständig von „No-Go-Areas“ zu reden. Erst dann würden solche Stadtteile auch wieder aufgewertet. Es würden auch wieder mehr Menschen nach Hochfeld ziehen wollen. Ich habe ja bereits erwähnt, das Hochfeld eine optimale Lage hat. Wenn dieses Negative irgendwann mal aufhört, dann sehe ich durchaus positive Entwicklungstendenzen. ….Nicht nur für Hochfeld, , sondern auch für die Stadt.“
XN: Was würden Sie generell anders machen?
ME: „Ich würde sehr enger mit EG DU zusammenarbeiten wollen. Ich würde die Gesellschaft mit Personal aufstocken, damit sie das Engagement im Stadtteil besser steuern kann. Auch bei den freien Trägern sehe ich erheblichen Personalbedarf. Ich sehe zum Beispiel viel zu wenig Streetworker. Es gibt ein paar, mit denen ich auch ins Gespräch komme. Sie berichteten mir, dass sie 80% ihrer Zeit mit den Schützlingen im Jobcenter verbringen mit Ausfüllen irgendwelcher Anträge, statt auf der Straße mit weiteren Menschen reden zu können.
Dadurch haben sie auch keine Zeit ,sich um Themen wie Drogensucht zu kümmern
Ich würde ebenfalls sofort aktiv werden und EU-Gelder beantragen um ein neues Hallenbad errichten zu können. Gleichzeitig würde ich mich für eine neue Stadtteilbücherei stark machen wollen.
Ich möchte, dass die Menschen in Hochfeld Deutsch lernen.
Ich möchte, dass sich die Menschen auch ein wenig meiner Kultur anpassen, oder sich mit meiner Kultur auseinandersetzen.
Durch eine Bücherei und den zahlreich zugänglichen Medien ist dies unproblematisch erzielbar. All solche Möglichkeiten fehlen hier.
Kulturelle Angebote müssen ausgeweitet werden. Es kommen oft Musiker aus der Türkei extra nach Hochfeld angereist. Deren Konzerte sind ausverkauft. Die Menschen zahlen dafür oft hohe Preise, nur um die Musiker zu sehen. Kaum jemand wäre dazu in der Lage sich dies finanziell leisten zu können, aber die Nachfrage ist da. Ich bin darüber auch sehr verärgert, das die „Alte Feuerwache“ kaputt gewirtschaftet wurde. Man sollte zusehen, dass man diese mit wirklich klugen Ideen wieder reaktivieren könnte. Man könnte hieraus durchaus ein Sozio-Kulturelles-Zentrum machen. Sie liegt brach, wird nicht benutzt. Sowas ist ein wirkliches Armutszeugnis….Und wenn ich wirklich nichts damit anfangen kann, dann kann man daraus immer noch ein Jugendzentrum machen. Gegebenenfalls richte ich dort eine Stadtteilbücherei ein.“
XN: EU-Zuwanderung… Chance oder Risiko?
ME: „Herausforderung… Es ist eine Herausforderung. Wir können anderen Kommunen gegenüber beweisen, dass man es schaffen kann. .Dass man auch diese Menschen integrieren kann. Ich sage deshalb auch bewusst Herausforderung, weil ich nicht möchte, dass diese Menschen in ihren Herkunftsländern weiterhin so leben müssen, wie sie es vorher mussten. Sie haben in Holz- oder Blechhütten hausen müssen, ohne sanitäre Anlagen. Ich habe es selbst dort erlebt. Mir ist bekannt, aus welchen Situationen und Dörfern sie hier he gezogen sind. Sie wurden dort aus dem Bildungssystem ausgeschlossen und nicht mehr als Menschen angesehen oder behandelt.
Aus diesem Grunde ist es eine Herausforderung. Es ist eine schwierige Integrations-Phase die vor uns liegt, dennoch ist es machbar. Ich erinnere mich zurück an die 70er-Jahre. In den Stadtteilen gab es Büros, die städtisch finanziert wurden in denen sich türkisch-stämmige Menschen Rat einholen konnten. Dort konnten Hausfrauen hinkommen und gemeinsam Kochen oder Nähen.
Dabei ergab es sich dann gleichzeitig, dass man die deutsche Sprache erlernte. Kinder wurden dort nach der Schule betreut, Hausaufgaben wurden kontrolliert. All das, was wir einst hatten, haben wir heute nicht mehr. Ich denke, die Stadt Duisburg muss sowas nicht mal selbst finanzieren.
Es gibt aufgrund dieser Zuwanderung aus Südost-Europa viele Gelder, die man von der EU abverlangen könne. Doch wir haben leider einen Oberbürgermeister, der sagte: „Ich hätte gerne das Doppelte an Syrern, wenn ich dafür ein paar Osteuropäer abgeben könnte.“ Er signalisiert ja ganz deutlich, dass er kein Interesse daran hat diese Menschen hier zu integrieren. Hier sind dann nicht die Menschen das Problem, sondern der Oberbürgermeister. Er hasst Sinti und Roma, wenn er solche Aussagen trifft. Denken Sie auch an die unsäglichen Verdächtigungen wegen Kindergeldbetruges bei 16.000 in Rumänien lebenden Kindern, wo die Eltern hier bei uns arbeiten. Warum hat er nicht die 100.000 polnischen Kinder genommen, die Kindergeld bekommen, weil ein Elternteil in Deutschland arbeitet und Steuern zahlt? Nein, es wird wieder genau dieser Gruppe unterstellt, aber Gott sei Dank einen Tag später durch Experten widerlegt.
Das Problem hier sind nicht die Menschen, sondern die CDU und die SPD, die den Weg gehen, den der Oberbürgermeister ihnen vorgibt. Das finde ich fatal.“
XN: Wie bewerten Sie generell die Arbeit unseres Oberbürgermeisters?
ME: „Es könnte besser gehen. Er kann und könnte es besser.
Ein Oberbürgermeister trägt Verantwortung. Deshalb hat meiner Meinung nach sein Vorgänger Adolf Sauerland auch Verantwortung an der Loveparade-Katastrophe.
Es war richtig, dass er gehen musste. Auch durch den Bürgerentscheid.
Doch was Sauerland ausmachte, war, dass er täglich bei den Menschen war. Er zeigte sich im
kleinsten Bürgerverein und hat sich mit den Menschen unterhalten. Er war mitten drin.
Solche Menschen brauchen wir.
Wir brauchen keinen, der auf irgendwelche Berater hört, sondern sich selbst vor Ort ein eigenes Bild macht. Sich selbst anschaut und anhört, wie es den Menschen dort draußen tatsächlich geht. Sich anhört, warum die Menschen aus Südost-Europa wegziehen.
Wir alle stecken aufgrund der Situation mit ThyssenKrupp oder Mannesmann in keiner einfachen Situation. Hier sind wir auch auf Messers Schneide, wenn man sich dazu entschließen sollte, sich vom Stahl zu trennen. Dann können wir auch den Deckel auf Duisburg machen und benötigen keinen Oberbürgermeister mehr.
Ich finde ganz wenige Anhaltspunkte, bei denen ich sagen könnte :“Ja, da hat er seine Arbeit gut gemacht“. Wir haben auch noch die Unterbringung von Geflüchteten in Sammelunterkünften.
Ich war erst vor Kurzem in Neudorf vor Ort. Ich habe dort Gänsehaut bekommen. Junge Männer wurden gemeinsam mit Familien untergebracht. Die Fenster sind riesig groß. Die Menschen haben keine Gardienen, keine Privatsphäre, keinen Rückzugsort. Es stinkt in diesem Gebäude. Wir haben Corona. Das sowas in der heutigen Zeit überhaupt noch möglich ist und ein Oberbürgermeister einen solchen Zustand zulässt, deutet für mich auf schlecht gemachte Arbeit hin.
Eine Stadt muss nicht unbedingt reich sein, aber man sollte den Menschen dennoch signalisieren, das für mich alle gleich sind. Das macht er nicht.“
XN: Er wirbt ja mit attraktivem Wohnen und Sicherheit…
ME: „Für wen? Bonn hat einen Beschluss gefasst, das die Stadt 30-40% Sozialwohnungen in den nächsten Jahren bauen wird. Wieso schafft dies Duisburg nicht?
Wir könnten es auch machen. Stattdessen haben wir 6-Seen-Wedau-Bebauung mit 3.000 neuen Wohnungen. Warum muss man sich dort auf 8% Sozialbau beschränken? Wieso kann man dort nicht auf 20% aufstocken? Lasst doch mal die Reichen mit den Armen zusammen eben? Es sind ja noch nicht mal arme Menschen. Es sind Menschen, die einen Wohnberechtigungsschein haben und damit dort berechtigt wohnen könnten. Es ist dann kein Arzt, der die 80 qm Wohnung bezieht, dennoch ein verheirateter Mann mit zwei Kindern. Das sind Dinge, für die ich kein Verständnis habe.“
Wir danken Mirze Edis für das Interview und wünschen ihm viel Erfolg für die Kommunalwahl 2020.