Bündnis 90/Die GRÜNEN Duisburg: Diskussion zur Zukunft des Stahlstandortes
Duisburg ist für Nordrhein-Westfalen der wichtigste Standort der Stahlindustrie in Deutschland und Europa. In der Region NRW stehen rund 46.000 Mitarbeiter in Lohn und Brot. Hinzu kommen noch tausende Beschäftigte bei Zulieferern und Dienstleistern die von der Branche abhängig sind. Stahl ist nicht nur ein unverzichtbarer Werkstoff, sondern auch Basis für industrielle Wertschöpfungsketten. Klimafreundliche, innovative und wettbewerbsfähige Stahlproduzenten sind unverzichtbar für die ökologische Modernisierung der Industrie. In Duisburg hat Thyssenkrupp erstmals in der Firmengeschichte Wasserstoff zur Stahlherstellung im Hochofen eingesetzt. Mit dieser Methode will der Konzern bis zu 20 Prozent des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) vermeiden und bis 2050 seine Stahlproduktion komplett klima-neutral umbauen. Doch hierzu müssen notwendige Investitionen erfolgen. Die Belegschaft ging erst zwei Tage zuvor mit rund 6.000 Teilnehmer zu einer Kundgebung auf die Straße (Xtranews berichtete).
Am Mittwoch Abend trafen sich Katharina Dröge (MdB und Obfrau im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages), Mehmet Göktas (Beriebsratsvorsitzender ThyssenKrupp) und Horst Gawlik (stellvertretender Betriebsratsvorsitzender Thyssenkrupp Steel Europe) in der Geschäftsstelle des Bündnis 90/Die GRÜNEN Duisburg ein um gemeinsam mit weiteren Kollegen aus betroffenen Betriebsräten und interessierten Gästen über die Zukunft des Stahlstandortes Duisburg zu diskutieren.
Katharina Dröge berichtete, das man an einem Zukunftskonzept für den Stahlstandort auf Bundesebene arbeite. Man sei im regen Kontakt mit dem Vorstand der Thyssenkrupp Steel und der Gewerkschaft. Denn es stehen ja auch unglaublich viele Arbeitsplätze auf dem Spiel. In der Kritik stehen auch die Dumping-Preise auf dem Stahlmarkt, vor allem durch Stahl aus China. Die Grünen haben immer gesagt, wenn der Stahl eine klimaneutrale Produktionstufe erreiche, müsse dies subventioniert werden. Deshalb habe man auf dem Parteitag über Klima-Zölle gesprochen. Wenn Produzenten gewisse Klimaschutz-Bedingungen in der Produktion nicht erfüllen können, werden die Stahlprodukte aus anderen Ländern mit einem Zoll belegt um den Stahl auf dem europäischen Markt wettbewerbsfähig zu halten. Um Investitionen in die Zukunft des europäischen Stahls zu sichern, denkt man über eine Industrie EEG nach. Über eine EEG-Umlage werden die Kosten für den Ausbau der regenerativen Energien auf den Endverbraucher umgelegt. Wenn hohe Investitionen notwendig sind um die hier ansässigen Hochöfen effizienter zu machen, dann müssen die Gesamtkosten auch von der Gemeinschaft getragen werden. Katharina Dröge deutete auch an, das dieser Strukturwandel ebenfalls ein weiteres Sterben der Arbeitsplätze auf dem Kohle-Sektor bedeute. „Planungsbeschleunigung“ ist das Stichwort. Die Grünen arbeiten auf Bundesebene mit Hochdruck daran.
Für den CO2-freien Stahl sei Horst Gawlik der richtige Ansprechpartner. Er zeigte zu Beginn der Diskussion auf, welche Bedeutung der Rohstoff Stahl im Gegensatz zur Kohle habe. Stahl ist recyclebar, Kohle verpufft und ist nicht mehr verfügbar. Er merkte an, das ein Klimawandel ohne Stahl nicht möglich sei. Denn Stahl, der bereits einmal erzeugt und neu bearbeitet wurde spare 6-mal so viel CO2 ein, als bei der Erzeugung hergestellt würde. Stahl sei global. Man habe unglaublich viele Standorte. China allein habe in den letzten 10 Jahren 800 Mio. Tonnen Stahl auf den Markt gebracht, Europe hingegen nur 42 Mio Tonnen. Europa hingegen habe den Vorteil, das der Stahl klimafreundlich hergestellt wird. Stahl sei mittlerweile sauberer als man denke. Deshalb setze man nun auf den Einsatz von Wasserstoff statt fossiler Rohstoffe in der Stahlproduktion. Man habe 117 Jahre gebraucht um eine solch umweltfreundliche Variante zu entwickeln. Denn Wasserstoff sei der Energieträger der Zukunft. Hier muss auch in Kooperation mit der Regierung eine entsprechende Infrastruktur aufgebaut werden. Man spreche aber von „grünem“ Wasserstoff. Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien erzeugt wurde. Aktuell benötige man die Energie aus 12.000 Windkrafträdern um die notwendige Menge an Wasserstoff zu erhalten um CO2-freien Stahl zu erzeugen. Doch das sei nicht möglich. Wasserstoff-Pipelines sind die einzige Möglichkeit. Doch diese müssten erst einmal geschaffen werden. Einfacher wäre der Aufbau eines Werkes, in dem man selbst Wasserstoff erzeugen kann. Gawlik gab sich positiv bis 2050 rund 80% CO2-freien Stahlen zu erzeugen. Das Risiko der Verwendung von Wasserstoff bei der Stahlherstellung sei genau so Risiko behaftet, wie die Verwendung des Kohlestaubes, das derzeit in den Hochofen geblasen werde, dennoch umweltfreundlicher. Die Qualität des Stahles unter Verwendung von Wasserstoff sei jedoch noch nicht erkennbar. Man habe bisher keine Kenntnisse darüber, welchen Einfluss Wasserstoff auf das Aggregat habe. Man sei noch in den Anfängen. Seit dem 11.11.2019 werde Stahl unter Wasserstoffzugabe erst hergestellt. Um die Innovationen zu ermöglichen, benötige man von der Konzernverwaltung alleine in den nächsten 10 Jahren 10 Milliarden Investitionsgelder. Man könne schon im Jahre 2025 rund 30& CO2 in der Produktion einsparen, wenn jetzt sofort mit der Investition in die neuen Produktionsanlagen begonnen würde. Gawlik wies auch darauf hin, das bei der Stahlpreis sich um ca. 80 Euro je Tonne verteure. Dennoch muss man die Anbieter davon überzeugen diesen CO2-freien Stahl zu kaufen. Denn nur ein seriöser Abnehmer, der auch klimafreundliche Produkte, wie Autos verkaufe, der ist auch dazu bereit den Preis zu akzeptieren und den CO2-freien Stahl zu verwenden. Der Klimawandel in Europe sei nicht aufzuhalten. An diesem sind Rahmenbedingungen geknüpft. Auch ThyssenKrupp wird davon betroffen sein und muss jetzt schon darauf reagieren. Die Forschung zum CO2-freien Stahl kostet aktuell 2,7 Millionen Euro. Hiervon trage die Landesregierung NRW subventioniert gerade einmal 40% der Kosten. Schweden investiert hingegen bis 2025 rund 65 Millionen Euro in die Wasserstoff-Forschung. Dran erkennt man, mit welcher Intention andere Länder daran arbeiten.
Mehmet Göktas wurde auf die Zukunkt der ThyssenKrupp befragt. Sie sähe nicht so rosig aus, da die Konzernführung in den vergangen Jahren zahlreiche Fehler begangen habe und den Konzern an den Rande des Ruins gebracht habe. Aufgrund dessen habe einige Geschäftsbereiche ziemlich gelitten und ihnen drohe der Abverkauf. Der Stahl wurde in den letzten Jahren wie ein Stiefkind behandelt. Die Stahl-Sparte leide extrem darunter. Aus diesem Grunde fand am Montag auch der Protest statt. Die Sorgen der Beschäftigten sind groß. Mitarbeiter sind verunsichert und enttäuscht, weil aus der oberen Etage keine Informationen über strategische Entscheidungen kommen. Dieser Zustand sei unerträglich und auch unmenschlich. So gehe man nicht mit Mitarbeiter um, die jahrelang gute Arbeit geleistet haben. Ein Traditions-Konzern, der an die Wand gefahren wurde. Leider sind die Arbeitsplätze in Gefahr und somit auch der geplante Wandel.
Es wurden starke Argumente geliefert um in den Stahl und die geplanten klimafreundlichen Prozesswandelungen zu investieren. Die GRÜNE in NRW fordere deshalb die Landesregierung und insbesondere Ministerpräsidenten Laschet auf, sich für eine nationale und europäische Stahl-Strategie als Kern einer Industrie-Strategie einzusetzen. Diese Strategie muss das Ziel haben, Europas Stahlindustrie zum Technologie-Führer in Sachen Emissionsminderung, Energie- und Materialeinsparung, Recycling und Sektor übergreifende Kooperationen, zum Beispiel mit der Chemieindustrie, zu machen. Auf Bundesebene fordern wir, dass auch die Industrie einen deutlich stärkeren Beitrag zum Klimaschutz leisten als bisher. Die CO2-Emissionen sind gerade hier in den vergangenen Jahren nicht gesunken – trotz europäischem Emissionshandel.