Bundesverfassungsgericht legt Meinungsfreiheit fest: Juden selbst schuld
Am Montag hat das Bundesverfassungsgericht ein Urteil veröffentlicht, mit dem es gegen die Bundeszentrale für politische Bildung und für den bald 80-jährigen Prof. Dr. Konrad Löw entschieden hatte. Das höchste deutsche Gericht hatte diesen Beschluss bereits am 17. August gefasst, also vor Beginn der sog. „Sarrazin-Debatte“. Die ganze Sache hatte freilich schon viel früher begonnen; denn bis ein Fall mal in Karlsruhe landet, dauert es ja etwas. Der aktuelle Fall nahm seinen Anfang im April 2004; aber auch zu diesem Zeitpunkt waren die Ansichten des emeritierten Politologen und Juristen längst in Fachkreisen bekannt.
Löws Forschungsschwerpunkt, so ist bei Wikipedia nachzulesen, „ist die Totalitarismustheorie, besonderes Augenmerk richtet er dabei auf den Kommunismus“. Sein wissenschaftliches Leben widmet er der Absicht, den „Mythos Marx“ zu zerstören. „Großen Raum nehmen in seinen Schriften persönliche Verfehlungen von Marx ein, die er auch im Zusammenhang mit späteren Verbrechen, die im Namen des Marxismus begangen worden sind, sieht.“
So weit, so gut. Wenn man es denn gut findet. Totalitarismustheorie, Karl Marx, die im Namen des Kommunismus verübten Verbrechen – daran ist nichts Aufregendes, wenn dies ein anerkannter Professor auch einmal im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung darlegt und die Zusammenhänge analysiert. Ein wenig stutzig könnte man allenfalls werden, dass Löw in seinen Schriften auch persönliche Verfehlungen von Marx in diesem Zusammenhang sieht.
Aber bitte: das ist die Freiheit der Wissenschaft. Vielleicht existiert sie ja die Linie von den Bettgeschichten des ollen Marx hin zu den Lagern des Archipels Gulag. Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, und wenn dies ein Wissenschaftler behauptet, der sich sein Leben lang damit befasst hat, dann wird so etwas auch gern auf Kosten der Steuerzahler gedruckt. Wenn es gegen den Kommunismus geht, sonst selbstverständlich nicht, denn dies wäre ja keine politische Bildung. So weit, so gut.
Dass Konrad Löw den jüdischstämmigen Karl Marx mitverantwortlich für den Antisemitismus in Deutschland – wohlbemerkt auch im Deutschland des 20. Jahrhunderts – macht, möchte nachdenklich stimmen. Es kommt einem unsinnig vor, aber nochmal: erfahrener Professor, Freiheit der Wissenschaft usw. Außerdem liegen von Marx tatsächlich deftige Zitate über „die Juden“ vor, die als Antisemitismus interpretiert werden könnten. So what?!
Als am 1. April 2004 im von der Bundeszentrale verantworteten Deutschland Archiv der Artikel „Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte“ erschienen war, in dem Konrad Löw einige „unbequeme Wahrheiten“ zur Sprache bringt, schreckte dennoch das „Meinungskartell“ nicht davor zurück, ihn in die „rechtsextreme Ecke“ zu stellen. Die Bundeszentrale für politische Bildung zog daraufhin den April-Band ihres „Deutschland-Archivs“ zurück. Sie stampfte nicht nur das Heft ein, sondern veröffentlichte ihrerseits einen Text, in dem sie sich „aufs Schärfste“ von Löws Text distanziert hatte.
Meinungsfreiheit? Bereits am 15. April 2004 zog das „Meinungskartell“ ungehemmt über den Wissenschaftler mit den „unbequemen Wahrheiten“ her, um so das Einstampfen des Bildungsbandes zu legitimieren. Löws zehnseitiger Text mit dem Titel „Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte“ wurde schon damals als „ziemlich kruder Unsinn“ denunziert. Die Sympathisanten von Karl Marx und Verharmloser kommunistischer Verbrechen bezeichneten Konrad Löws Darstellung in ihrem berüchtigten Zentralorgan „Die Welt“ als „eine Ansammlung antijüdischer Klischees“.
Von einigen Gerichten hatte die Bundeszentrale gar mit ihrer Entscheidung, Löws Ausführungen der politischen Bildung vorzuenthalten, Recht bekommen. Doch, wie gesagt, 17. August 2010 hat das Bundesverfassungsgericht höchstrichterlich und letztinstanzlich festgelegt, dass die Meinungsfreiheit auch für „unbequeme Wahrheiten“ gilt. Man wird in Deutschland doch wohl noch sagen dürfen …
Keine Sorge, man darf. Man darf es sogar als politische Aufklärung von einer Bundesbehörde finanzieren lassen, und die darf gar nichts dagegen sagen. Sie muss es sogar drucken und verteilen. Die These zum Beispiel, die Mehrheit der Deutschen in der Nazizeit sei gar nicht antisemitisch eingestellt gewesen, sondern habe mit den verfolgten Juden sympathisiert. Genau diese legt Löw in besagtem Aufsatz dar; und diese „deutsch-jüdische Symbiose unter dem Hakenkreuz“ (O-Ton Löw) präge die deutsche Identität.
Die Süddeutsche Zeitung darf – auch dies gehört zur Meinungsfreiheit – heute schreiben „Verfassungsgericht schützt Geschichtsfälschung“. Heribert Prantl, der bekannte Publizist und Jurist, der bei der SZ das Ressort „Innenpolitik“ leitet, darf kommentieren: „Es soll also, 65 Jahre nach dem Holocaust und von Staatsgeld finanziert, wieder geschrieben werden, dass die Juden selbst schuld sind an ihrer Verfolgung. Die drei Bundesverfassungsrichter, die diese Entscheidung gefällt haben, bedürfen der politischen Bildung.“ Prantl nennt das Urteil „hanebüchen“ (Meinungsfreiheit!), weil er der Auffassung ist, dass eine „Einrichtung, die in staatlicher Verantwortung das demokratische Bewusstsein fördern soll“ (richtig), nicht von einer „deutsch-jüdischen Symbiose unter dem Hakenkreuz“ sprechen dürfe (keine Meinungsfreiheit!).
Aber darüber, was man in Deutschland doch wohl noch sagen dürfen wird, hat nicht Heribert Prantl zu befinden, sondern das Bundesverfassungsgericht. Und niemand anders, auch nicht der Historiker und Leiter der Gedenkstätte Widerstand in Berlin, Peter Steinbach. Der behauptet in der „Frankfurter Rundschau“, es sei „gesicherter Forschungsstand, dass die Deutschen im Nationalsozialismus kein Mitleid mit den Juden hatten und mehrheitlich keinen Finger für sie krumm machten“.
Steinbach befürchtet, dass „die politische Rechte jetzt das Fass aufmacht und eine Diskussion über den Auschwitz-Mythos einsetzen wird. Die Junge Freiheit und das Ostpreußenblatt arbeiten an einer Verschiebung unserer Koordinaten.“ Und so kommentiert die „Frankfurter Rundschau: „Es wird hängenbleiben, dass man jetzt endlich wieder unwidersprochen sagen darf, dass die Juden selbst schuld an ihrer Vernichtung sind. Es sind die Richter, die ihr Ziel weit verfehlt haben.“
Und so oder so ähnlich steht das überall. So geht das, wenn das „Meinungskartell“ wieder mal mit einer anderen Meinung nicht einverstanden ist. Egal, jetzt ist die Meinungsfreiheit höchstrichterlich festgezurrt. Da wird es auch gewiss nicht mehr lange dauern, bis endlich auch in Deutschland wohl wieder gesagt werden darf, wer dahinter steckt. Hinter diesem „Meinungskartell“.