Duisburg: Schlechte Noten und die rote Laterne – Radfahrende wenig zufrieden
Mit der Schulnote „4,47“ bewerten Duisburger Radfahrende insgesamt ihre Zufriedenheit mit den Radwegen vor Ort.
„Das war abzusehen“, sagt Wolfgang Voßkamp, der Verkehrsreferent des ADFC Duisburg und Leiter der Arbeitsgruppe Mobilität und Verkehr. „Duisburg hat im Ranking der Großstädte bis 500.000 Einwohner die Laterne. Mit der Durchschnittsnote von 4,47 gibt es nur Platz 26. Von 26! Das Fahrradklima in Duisburg bleibt trotz einiger Bemühungen weiterhin sehr unbefriedigend.“
Der Fahrradklimatest 2020 ist ausgewertet, insgesamt deutschlandweit ca. 226.000 Interviewbögen. Davon 50.000 aus NRW und 1.550 aus Duisburg, das ist eine Steigerung von 45% im Vergleich zur letzten Befragung vor zwei Jahren.
Was ist den Duisburgern wichtig?
„Am meisten liegt den Duisburger Radfahrenden das Sicherheitsgefühl und der Komfort am Herzen, das Problem der Hindernisse auf Radwegen und die Konfliktfreiheit mit Autoverkehr und Fußgängern“, erklärt Klaus Hauschild, einer der Vorstandssprecher des ADFC Duisburg. „Radfahrende wollen als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer akzeptiert werden.“
Natürlich gehören dazu auch gut funktionierende Radwege, leider ein Thema, das mit mangelhaft bewertet wird. Die Duisburger bemängeln die Breite von Radwegen und eine gute Oberfläche. In der Duisburger Auswertung des Fahrradklimatests werden der Kalkweg, die Düsseldorfer Straße und die Großenbaumer Allee immer wieder moniert. Aber auch die Reinigung der Radwege – auch im Winter – und eine intelligente Radwegeführung an Baustellen fehlen. Und nicht zuletzt die Überwachung von Falschparkern und eine Abstimmung von Ampelschaltungen auf Radfahrer stehen ganz oben auf der Wunschliste.
Gibt es auch Zufriedenheit?
„Die beste Schulnote für Duisburg ist ein zum Teil nur knapp befriedigend“, weiß Barbara Aldag, Pressereferentin des ADFC. Diese Note geht zum Beispiel an das Bereitstellen von öffentlichen Fahrrädern oder an die Infrastruktur des Radverkehrsnetzes und damit auch die Erreichbarkeit des Stadtzentrums. „Aber richtig zufrieden sieht anders aus. Da müsste dann auch mal mindestens ein „gut“ dabei sein. Nur Bremen schafft das, und sogar die Vorzeigestädte Karlsruhe oder Münster tun sich schwer mit einem richtig zufriedenstellenden Ergebnis.“
Da muss sich was ändern.
Nur wenige Kommunen scheinen den fahrradfreundlichen Umbau ihrer Stadt ernsthaft zu wollen und sind bereit, dafür die notwendigen Ressourcen und auch den notwendigen Platz zu schaffen. Kosmetische Maßnahmen reichen nicht – für besseren Radverkehr braucht es klare politische Entscheidungen, eine stärkere Eindämmung des Autoverkehrs und die Einrichtung durchgängiger Radwegenetze für alle Altersgruppen.
„Auch Duisburg kommt nicht mit der nötigen Dynamik voran“, findet Klaus Hauschild, „teils aus politischem Unwillen, teils, weil die gesetzlichen Spielräume und modernen technischen Regelwerke fehlen, teils wegen fehlendem Personal.“
Viele Punkte hat der ADFC bereits in seinem Positionspapier „Offensive für den Radverkehr in Duisburg“ angemahnt und fordert ein Radverkehrskonzept für unsere Stadt auf der Basis dieses Positionspapieres, das der Politik und der Verwaltung der Stadt Duisburg seit Anfang Februar 2021 vorliegt.
Hierzu hat sich Herbert Führmann als verkehrspolitischer Sprecher der Duisburger LINKEN ausführlich in einem Interview Stellung bezogen. Wie ist das Fahrradklima in unserer Stadt? Das hatte der bundesweite Fahrradklimatest 2020 gefragt. Deutschlandweit wurden 226.000 Interviewbögen ausgefüllt, davon 1.550 in Duisburg, was eine Steigerung von 45% im Vergleich zur letzten Befragung vor zwei Jahren ist. Das macht deutlich, welche Bedeutung der Radverkehr in unserer Stadt hat – oder eigentlich haben sollte. Mit Spannung erwartet und doch wenig überraschend ist das Ergebnis für Duisburg. „Duisburger Fahrradfahrer sind unzufrieden“ – so könnte man kurz ein Fazit ziehen. Die Ergebnisse sind am 16. März veröffentlicht worden. Wir sprachen mit Herbert Fürmann, verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion.
Ist das Ergebnis für Duisburg wirklich so schlecht?
HF: Das Ergebnis ist so, wie ich es erwartet hatte. Für Duisburgs Radfahrer*innen hat es in letzter Zeit keine Verbesserungen gegeben, daher hat sich Duisburg weiter verschlechtert und sogar die rote Laterne, oder wie es beim Fahrradklima-Test heißt: die „rostige Speiche“ errungen.
Was bedeutet das genau?
HF: Mit der durchschnittlichen Schulnote „4,47“ bewerten Duisburger Radfahrende insgesamt ihre Zufriedenheit mit den Radwegen und das Fahrradklima vor Ort. Duisburg liegt im Ranking der Großstädte 200.000 bis 500.000 Einwohner mit Platz 26 am Ende der Tabelle. Und wenn man die größeren Städte mit einbezieht, wird es nicht besser. Dann liegen wir auf Platz 40 – von 40 Städten. Das Fahrradklima in Duisburg bleibt weiterhin mehr als unbefriedigend.
Was ist den Duisburger*innen wichtig?
HF: Am meisten liegt den Radfahrenden das Sicherheitsgefühl und der Komfort am Herzen, das Problem der Hindernisse auf Radwegen und möglichst wenig Konflikte mit Autos und Fußgängern. Sie wollen als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer akzeptiert werden. Natürlich gehören dazu auch gut funktionierende Radwege, leider ein Thema, das durchgehend mit mangelhaft bewertet wurde. Die Duisburger bemängeln Breite und Oberfläche von Radwegen – jeweils Note 5,3. Im Einzelnen werden der Kalk- und Sternbuschweg, die Düsseldorfer Straße und die Großenbaumer Allee immer wieder moniert.
Das ist zu einem großen Teil der überalterten Infrastruktur und den klammen öffentlichen Kassen geschuldet, oder?
HF: Das stimmt, aber es zeigt sich auch immer wieder, dass der Radverkehr in der Verwaltung den anderen Parteien nicht gerade als wichtig erachtet wird. Nicht alles kostet Geld, manchmal wäre nur ein wenig guter Wille erforderlich, um Radfahrenden das Leben zu erleichtern Denn ebenso schlecht wie die Infrastruktur wird die Berücksichtigung -oder besser NICHT-Berücksichtigung- des Radverkehrs an Baustellen beurteilt, ebenfalls mit der Note 5,3. Das Schild „Radfahrer absteigen“ wird zwar nur noch selten verwendet, aber viele Radfahrer und Radfahrerinnen haben an Baustellen das Gefühl, völlig vergessen worden zu sein, quasi die Aufforderung, sich in Luft aufzulösen. Oder es werden völlig sinnfrei irgendwelche Schilder aufgestellt.
Was gibt es sonst noch zu bemängeln?
HF: Das Falschparken auf Radwegen und Radfahrstreifen und die unzureichende Überwachung wird ebenfalls häufig festgestellt, Note: 5,2. Kaum besser die Beurteilung für die Ampelschaltungen mit 5,1. Neben zu kurzen Grünzeiten sind es vor allem das mehrfache Warten auf Mittelinseln und das oftmals erforderliche erbetteln von grünem Licht für Radfahrer und Fußgänger per Knopfdruck. Auch die Reinigung der Radwege und auch der Winterdienst sind nahezu mangelhaft benotet worden (4,8). Und das war im Spätsommer bzw. Herbst letzten Jahres.
Wie hätte das wohl nach dem Wintereinbruch Anfang Februar ausgesehen? Und was Duisburgs Radfahrende besonders nervt: Man merkt nicht, dass sich etwas zum Besseren verändert. Auf die Frage nach der Fahrradförderung in letzter Zeit gab es ebenfalls eine 4.8! Und damit sind wir auch schon bei dem Sonderthema Corona. Hier gab es einige Fragen, ob und wie die Städte auf die Pandemie reagiert haben.
HF: Ja, da wurde z.B. gefragt, ob es für den in der Pandemie merklich gestiegenen Radverkehrsanteil auch entsprechend handfeste Signale der Städte zu Verbesserungen gegeben hat, z.B. durch Popup-Radstreifen wie in Düsseldorf oder Berlin. Sie können sich das Ergebnis sicherlich denken: Da es hier in Duisburg absolut nix gab, gab es eine 5,5. Von den 81 größten Städte Deutschlands lagen nur Chemnitz, Bergisch Gladbach und Osnabrück eine Zehntel-Note hinter Duisburg.
Und was sagt die Stadtspitze dazu?
HF: Hier will man lieber gründlich planen und dauerhafte Verbesserungen, von Provisorien für die Radverkehrsförderung hält man nichts. So der Fahrradbeauftragte der Stadt.
Ist in Duisburg denn alles schlecht für Radfahrende?
HF: Zur Vollständigkeit muss ich sagen, dass nicht alles ganz schlecht ist. Einigermaßen positiv wurde u.a. der Zugang zu Leihrädern und die Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem Rad bewertet. Das ist vorwiegend dem „Metropolrad Ruhr“ und der für den Radverkehr freigegebenen Fußgängerzone geschuldet. Die beste Einzelnote ist dabei aber eine 3,1, eine „gute“ Bewertung sähe aber auch hier anders aus.
Wie ist das Fazit der LINKEN?
HF: Was wir brauchen ist eine Gleichbehandlung der unterschiedlichen Verkehrsarten. Eine bessere Radverkehrsförderung ist unabdingbar, denn nur mit einer Verkehrswende bekommen wir lebenswertere Städte und den Klimawandel in den Griff. Selbst der Entwurf zu einem Fahrradgesetz auf Landesebene sieht einen Radverkehrsanteil von 25 % vor, was für Duisburg mehr als eine Verdoppelung der mit dem Fahrrad zurückgelegten Wege bedeutet. Politischer Wille in der kommunalen Radverkehrspolitik (wie z.B. in Berlin, Wiesbaden oder Frankfurt am Main) wird von den Radfahrenden sehr wohl wahrgenommen und beim ADFC-Fahrradklima-Test klar honoriert.
Wie will die Linke den Radverkehr fördern?
HF: Um den Radverkehr möglichst schnell voran zu bringen, bedarf es eines Radverkehrskonzept und unter allen Umständen ein eigenes Budget der Stadt Duisburg für den Radverkehr. Langfristig fordern wir, nach dem Vorbild von Städten wie Amsterdam oder Kopenhagen, ein festgelegtes jährliches Budget von mindestens 30 Euro pro Einwohner*in. In einem ersten Schritt sollte dieser Betrag für den nächsten Haushalt auf 5 Euro/Einwohner*in festgesetzt werden. Denn nur mit einem festen Budget kann der Radverkehr auch tatsächlich verbessert werden. Der Ausbau und die Instandhaltung des Radverkehrsnetzes, kostenfreie Mobilstationen, „Ride & Bike“ an allen wichtigen Haltestellen des ÖPNV, die Errichtung von Fahrradhäuschen und die schnelle Umsetzung und der Ausbau von Radschnellwegen, um nur einige Themenfelder zu nennen, kosten Geld. Warme Worte der Verwaltung und anderer Parteien bringen uns keinen Schritt weiter. Neben einem eigenen Budget bedarf es außerdem mehr Personal, um einerseits planungstechnisch auf den Radverkehr umzuschalten und anderseits, um endlich die vielfältigen Fördertöpfe anzuzapfen, die für den Radverkehr bereitstehen. Wie in vielen anderen Bereichen auch, kann die Stadt dem Vernehmen nach viele Gelder nicht abrufen, da das Personal für die Fördermittelakquise fehlt. Wenn den Ankündigungen eines aktiven Einsatzes gegen den Klimawandel auch Taten folgen sollen, dann müssen die Kommunen finanziell endlich so ausgestattet werden, dass sie aktiv werden können. Falls die Finanzmittel nicht zur Verfügung gestellt werden, wird Duisburg auch beim nächsten Fahrradklimatest wieder die „rostige Speiche“ erringen und die Verkehrswende und der damit einhergehende Kampf gegen den Klimawandel bleiben aus.
Und was tut DIE LINKE in Duisburg dafür?
HF: Konkret haben wir ungefähr ein Dutzend Anträge und Anfragen zur Verkehrswende gestellt, beim geplanten Mobilitätskonzept werden wir auf eine ausreichende Berücksichtigung des ÖPNV und vor allem des Radverkehrs achten. Wir waren auch die erste Fraktion, die mit dem ADFC Duisburg in Kontakt getreten ist, um mit den engagierten Fahrrad-Lobbyisten über deren Positionspapier zum Radverkehr in unserer Stadt zu diskutieren. Wir haben dabei viele Übereinstimmungen gefunden.
Die Auswertung des Fahrradklimatests und das Positionspaper sind auf der Homepage des ADFC unter www.adfc-duisburg.de oder unter https://fahrradklima-test.adfc.de abzurufen.