Politische Heimat
Was soll ich da jetzt als zugereister Hamburger und Düsseldorf-Pendler sagen? Ich habe mir Duisburg bewusst ausgesucht, weil es viele Vorzüge hat, die für mich Lebensqualität ausmachen: niedrige Lebenshaltungskosten, Wochenmärkte und eine türkische Brautmodenmeile, wo es so südländisch wie auf einem Basar zugeht, eine sehr individualistische Gastronomie, zahlreiche innerstädtische Naherholungsgebiete mit viel Wasser und Grün, die teilweise avantgardistische Architektur des Innenhafens, trotz Industrieruinen und unverzeihlicher Bausünden immer noch dieses Wechselspiel von hinreißender Bausubstanz im Jugendstil und einer lieblichen Landschaft, die den Übergang von rheinischer Tiefebene und bergischen Hügeln markiert. Zugleich sehe ich auch die Defizite von Duisburg und merke, dass die Zeiten nicht einfacher für unsere hoch verschuldete, von Arbeitslosigkeit und Armutsmigration gezeichnete Stadt werden. Wäre nicht das Shoppingparadies Düsseldorf die Nachbarstadt, könnte man nicht mal einen schnellen Ausflug in beschauliche Städte wie Münster oder Koblenz machen, wäre man nicht auch mal schnell in den Niederlanden oder Belgien, dann würde ich es vermutlich nicht so gut mit Duisburg alleine aushalten. Ich bin mir aber auch bewusst, dass es ein großes Privileg ist, meine Meinung frei äußern zu dürfen, ohne dafür wie in der Türkei oder in China einen Gefängnisaufenthalt zu riskieren. Und ohne jetzt pathetisch werden zu wollen, bin ich auch stolz darauf, von einer so unprätentiösen Kanzlerin wie Angela Merkel regiert zu werden und nicht von einem Trump, Kim oder Erdogan.