Unpopuläre Fragen
Nach der grundsätzlichen, sprachlich orientierten Frage, ob ‚Kapitalismus‘ nur eine Chimäre ist, denn anders als sprachlich ließe sich keine Frage stellen, allenfalls vermeiden, kommen nun weitere Probleme der westlichen Gesellschaften auf den Tisch, die allerdings in andere Gefilde als primär ökonomische führen:
Spätestens seit der Weltwirtschaftskrise von 2007 sind Fragen nach Neuerungen relevant geworden, Neuerungen, die bis in die Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften reichen und sich mit menschlichem Verhalten beschäftigen, nicht einfach mit ‚Marktgesetzen‘. Abstrahierte man wie in überwiegender Weise zuvor vom Verhalten der Markteilnehmer, es bliebe, abschätzig formuliert, kaum mehr als eine sonderbare Metaphyik.
Besonders schlimm hat es jedoch einige gesellschaftliche Teilmärkte getroffen, die sich bereits vor der Krise kaum als solche beobachten ließen:
Wissenschaftliche und philosophische Arbeit ist an Bedingungen geknüpft, an Vorwissen, Auseinandersetzung. Kritischer wird es im Hinblick auf einbringbare Kreativität: Neues zu entdecken oder lediglich überkommende Positionen zu vermitteln, macht einen wichtigen Unterschied aus, der leider in der Praxis wenig Relevanz hat. Als Maßstab eine hohe Anzahl von Publikationen vorweisen zu können, ist im Hinblick auf Neues redundant, eine Aufforderung zu einer Beschäftigungstherapie, wie sie z.B. aus der Politik stammen könnte! Die gesamte Nützlichkeitsdiskussion in Bezug auf Universitäten reduziert sich primär auf die Frage nach Jobs, dabei sind genau diese aus wissenschaftlicher und philosophischer Sicht am wenigsten relevant! Bleiben formulierte neue Erkenntnisse aus, kommt die Joborientierung einer Abschaffung gleich. Hat die westliche Welt ein Interesse an Wissenschaften und Philosophie vollständig verloren, und hat sich intern eine Haltung durchgesetzt, die lediglich auf Joberhalt ausgerichtet ist?
Innerhalb der Künste gelten Lernen und Üben ebenfalls als selbstverständlich, wobei auch in diesem Fall ein Unterschied zu machen wäre, ob der Zweck lediglich in der erhofften Ausführung einer Dienstleistung, einer angenommenen Marktnachfrage gilt, oder Neuem. Die Schwierigkeit, die sich seit geraumer Zeit eröffnet, ist, dass Künste auf einen Markt ausgerichtet sind, auf dem überwiegend Dienstleistungen nachgefragt werden. Es fehlt auf diesem Markt nicht nur Wissen und eine Erwartung von Neuem, auch das Bedürfnis nach emotionaler Befriedigung übertüncht alles, was relevant sein könnte. Nicht nur viele Kunsthandwerker, in Differenz zu Künstlern, bedienen diesen Markt, auch Journalisten und Veranstalter, ohne offen zu bekunden, dass ihre Angebote nichts mit Künsten zu tun haben, bestenfalls mit Trallala, weil ihre Nachfrager, eventuell sogar sie selber, kaum über Ahnung verfügen?
Und nun? Gibt es ein Jenseits dieser Gesellschaft, könnte es eines geben? Es würde an der Zeit werden, sich darüber Gedanken zu machen, vor allem über einen Weg, der gesellschaftlich, der besonders politisch verordneter Dummheit Grenzen setzt. Zunächst ließe sich kaum mehr als zu einem privaten Engagement raten!
Dass unsere Gesellschaft als „Wissensgesellschaft“ beschrieben wurde, besonders von Seiten der Politik, kann lediglich als weit überzogenes Politik-Marketing gelten, und dass öffentlich schon sehr lange nicht mehr über Künste, sondern über „Kultur“ fabuliert wird, ob im Sinne eines erweiterten Künsteersatzes, also als Sparvariante, oder allgemein in Bezug auf Menschen, also im Rahmen einer popularistisch ausgerichteten Zoologie, mag belustigen, führt aber nicht weiter.
Gesellschaftlich besonders wichtig wäre, allmählich ein neues Lernen zu etablieren, das nicht Suche und Experiment verbannt, zugunsten von trichterbarem Stoff. Auch die Naturwissenschaften lassen sich nicht vor Veränderungen schützten, die bis in die Grundlagen reichen, wie z.B. die vielfältigen Diskussionen über die „dunkle Materie“ zeigen können.
Es steht gesellschaftlich viel mehr auf dem Spiel, als eine ökonomische Relevanz des Westens z.B. gegenüber Schwellenländern. Die ökonomische Relevanz würde ohnehin keine nachhaltige sein können, würde man sich lediglich auf kurzfristige Jobinitiativen konzentrieren.
Auch dieser Folgebeitrag entstand zunächst für die Ruhrbarone.