Kuhls Kolumne: HUNDERTMEISTER HÄNGT WEITER AM KREUZ – SZENE TRAUERT – DER BÖSE BÖSE JUDAS WIEDER ALLES SCHULD – DIE WELT DER DOOFEN BLEIBT IN ORDNUNG – FRIEDEN AUF DER BARRIKADE
Am frühen Donnerstagnachmittag erlebte mein Emaileingang ein überfallartiges Eindringen, ebenso mein Telefon. „Streng geheime“ PDFs aus „geschlossenen Foren“ mit dem Datum von Freitag, Einladung ins „eröffnete Hundertmeister“. Ein Eröffner hatte mir noch am Dienstag signalisiert, man habe kein Interesse an diesem Haus, was ich Depp dem auch geglaubt hatte.
Als mich zur Abendessenszeit ein uralter Kumpel aus LSD-Zeiten, der jetzt beim Staatsschutz abhängt, anrief, da war mir klar, dass es schwer werden würde. Freitagnachmittag habe ich einen Insider gebeten, den Besetzern strukturelle Hilfe zu leisten. Freitag halb sechs bin ich zu denen und habe Werkzeug sowie Unterstützung durch Bindung von Polizeikräften angeboten, worauf sie verzichteten.
Donnerstagnachmittag saß ich an meinem Bericht „Standard & Kult“ von Dienstagabend. Da ging die Post ab – beziehungsweise schwappte rein. Aufgehalten durch das Lesen öffentlicher Geheimnisse, das Abwimmeln von Neugierigen und Telefonaten mit engagierten wie besorgten Szene-Freunden war ich dann so zur Tagesschauzeit fertig und habe noch einen kleinen Nachsatz angehängt.
Mediale Agonie und lobotomisches Leseverhalten
Wußte ich doch, dass das, was dann um Viertel vor Neun im Netz stand, sowieso vor Morgen nicht gelesen und wie üblich kaum jemand bis zum Ende des Artikels vordringen würde. Nichts ist so alt wie eine Nachricht von gestern – besonders, wenns schon jeder weiß.
Duisburg ist da keine Ausnahme. Medien sprechen nur mit ihren Leuten und bringen auch nur, was die sagen. So kann man sicher sein, dass die Bevölkerung das potemkinsche Dorf, das sich „Information“ nennt, auch frisst und weiterstirbt. Die üblichen Wichtigen wichtigen wichtig. Die üblichen Unwichtigen unwichtigen unwichtig. Das Volk bleibt blöd. Mediengesellschaft, Internet und andere Verdummungsphrasen…
Nur – Assoziationen mit Asterix rein zufällig – so ein kleiner Blog, der im Rahmen der Loveparade-Nachwehen entstand, bringt das, was Vorurteilsbeladene stören würde, weshalb die „gestandene“ mediale Konkurrenz ihn nicht weiter beachtet. Verständlich, die können ja noch nicht mal „Extra“ richtig schreiben.
Während der WDR, dessen (auch ARD-) Chefin Piel sich eine Stunde lang so wunderbar in Merkels Gedärm nach vermeintlich oben schlängelte – hätten sie sehn müssen: so heavy waren Monty Python in ihren schwärzesten Satiren nicht, best of bkack british humor – mit zweitklassigen Duisburger Politologie-Studenten, schick angezogen, den einlullenden Beweis, dass der Weltuntergang nur ein Gerücht und der Spargel vom Niederrhein alleinseligmachend ist, als „Lokalzeit Duisburg“ oder „Aktuelle Stunde“ bringt, was in den Lokalen kein Schwein interessiert und sowieso nicht mehr aktuell ist.
Geheime Kommandosache und Exorzismus
Zwischen sieben und acht war ich dann vor Ort. Das Gesabbere, das heute als „harte Nachricht“ von „seriösen Journalisten“ und der „Freien Presse“, die rein äußerlichen Vorgänge oberflächlich angeschnuppert, vermeldet, kann ich mir hier sparen. Lesen Sie diesen Schrott beim Schrotthändler Ihres Vertrauens.
Der nicht denkende Zweiradmechaniker und übergeniale T-Shirt-Verkäufer war nicht nur bereit, dem WDR seine Leere zuzupusten, er kam sicherheitshalber in Begleitung eines Älteren, der glaubte, sprechen zu können, zwecks Anpöbelei und Verratsvorwurfs auch zu mir und Xtranews-Chef Rodenbücher, um nach fünfminütigem Hin-und-Her nicht zu merken, dass die serielle Wiederholung von Unsinn weder Beweis noch Argument ist.
Der Theatermacher, der meine revolutionären Absichten ganz ganz toll fand und aufgestanden war, um mir die Hand solidarisch feste zu drücken, hatte mir ja schon gesagt, dass sein Laden eher resignativ laufe und er sich mit den Oberen arrangiert hätte, das mit dem Bauamt kriege man schon hin. Nach dem ersten Besetzungsversuch hatte er gehört, ich habe Probleme mit Basisdemokratie, was er unkritisch übernahm, um es mir dann kritisch vorzuwerfen. Heute wollte er mir zuerst auf die Fresse hauen, um mich dann später wieder anzulächeln. Großes Theater geht eben nicht ohne Ambivalenzen. Und für die Aufklärung gibt’s ja Kabarett.
Während der Talk-Nachwuchs durchradelte und die Szenewirte „Hallo“ sagten, pöbelten mich ein paar Youngsters an. Die Session-Leute packten ihre Trompeten aus, der Alt-Punk baggerte ne Studentin an, Transparente belebten den Hundertmeister-Anblick, Bierkisten wurden rangeschleppt und die Trommler konnten einpacken als Notstromaggregat und Anlage für Sound sorgten. Im Hundertmeister war es selten so lebendig wie jetzt davor.
Gethsemane und Dellplatz
In welcher Kneipe der Nazarener seinen Stammtisch hatte und dass die Gang bei schönem Wetter auf dem Ölberg abhing, das wusste in Jerusalem jeder. Die geheimen Besetzungspläne für den Dellplatz waren schon am Vortag öffentlich. Und doch brauchen alle einen „Verräter“, einen Bösen, einen Sündenbock, einen Judas. Und dieser böse böse Kabarettist nennt sich auch noch so.
Daß Jesus ihm gesagt hatte „Was du tun willst, das tue bald“ (Johannes 13,26) – weil er selbst zu feige war – das überliest man so gerne wie man nicht auf xtranews.de geht. Daß Judas Attentatsversuch auf den Hohepriester als Verrat dargestellt wurde, das könnte vom WDR sein. Daß dafür sein Bruder Jesus in Sippenhaft gekreuzigt wurde, das öffnet noch nicht das Hundertmeister. Daß Judas von Antisemiten zum Ur-bösen gestempelt wurde und inwiefern das Sauerland nützt, interessiert kein Schwein. Und dass das Abendland in 2000 Jahren nix gelernt hat, konnte man gestern erleben.
Commandante und Freund
Ich habe mit einem Häuptling (den es bekanntlich in basisdemokratischen Gruppierungen gar nicht geben kann) und einem Trommler gesprochen. Ja, es hatte Differenzen gegeben – seit Wochen. Dumme Geschichten, Eifersüchteleien, gegenseitige Vorwürfe, Drohungen, Intrigen und was sonst noch…
Das muß aufhören. Wir können die Stadt nicht befreien, indem wir einen großen Teil unserer Energie in die Aufrechterhaltung unserer Vorurteile und die Verächtlichmachung untereinander investieren.
Dieses Fazit dieser Kolumne hab ich den beiden gestern Abend versprochen. Alte Indianer stehen mit ihrem Leben für ihr Wort.
Wir sind uns einig, dass wir uns nicht mehr bekämpfen wollen – weil es der gemeinsamen Sache schadet. Die Freiraumbewegung braucht ihren Freiraum und bringt Leben in die sterbende Stadt – wie man gestern am Dellplatz sehen konnte.
Ich bin froh darüber, dass die dritte Barrikade diese Erkenntnis befördert hat und wünsche den jungen Leuten gutes Gelingen.
Venceremos Freiraum!
Viva la Revolucion!