Bundesbank: Sarrazin hat gegen seine Verpflichtung zur "Mäßigung und Zurückhaltung in gravierender Weise verstoßen"
Die Bundesbank stützt ihre juristische Begründung der Abberufung des Vorstandsmitglieds Thilo Sarrazin nicht nur auf dessen jüngste Äußerungen im Zusammenhang mit seiner aktuellen Buchpublikation, sondern auf sein gesamtes öffentliches Gebaren während seiner Zeit bei der Bundesbank seit 2009. Auf rund 20 Seiten listet die juristische Expertise der Bundesbank nach Informationen des SPIEGEL akribisch alle Interview- Äußerungen auf, mit denen Sarrazin gegen die Haltung der Frankfurter Notenbank verstoßen habe. Zudem führen die Rechtsexperten der Bundesbank zahlreiche Stimmen aus dem In- und Ausland an, die sich zu Sarrazin äußerten, von Kanzlerin Angela Merkel über Außenminister Guido Westerwelle und andere Kabinettsmitglieder bis hin zu EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, so der Spiegel in einer Vorabmeldung für sein am Montag erscheinendes Magazin. Die Zitate-Sammlung dient den Bundesbank-Juristen als Beleg, dass der Ruf der Institution Schaden genommen habe. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass Sarrazin für den Rest seiner Amtszeit, also bis 2014, nicht mehr die Einsicht aufbringen könne, dass sein derzeitiges Vorgehen die Bundesbank belastet. In einem dem Gutachten vorangestellten Brief an den Bundespräsidenten, der dem SPIEGEL vorliegt, schreiben Bundesbankchef Axel Weber und sein Vize Franz-Christoph Zeitler, Sarrazin sei nach seinem Anstellungsvertrag verpflichtet, "Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten seines Amtes ergeben". Folglich müsse er seine Aufgaben "unparteiisch und gerecht erfüllen". Er habe die Pflicht, "sich jederzeit in einer Weise zu verhalten, die das Ansehen der Deutschen Bundesbank und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Deutsche Bundesbank aufrechterhält und fördert." Gegen diese Pflichten habe Sarrazin "durch sein Verhalten in der Öffentlichkeit in gravierender Weise verstoßen". Das "notwendige Vertrauensverhältnis" sei "nicht mehr gegeben". Deshalb sehe die Bundesbank "keine andere Möglichkeit, als die Abberufung von Herrn Dr. Sarrazin aus seinem Amt zu beantragen".