Das Autobahn-Desaster: Wird Duisburg zum zweiten Rahmede?
Es hätte so schon werden können. Duisburg bekommt eine neuen A59-Streckenabschnitt vom Autobahnkreuz Duisburg bis hin zur Autobahnabfahrt Duisburg-Marxloh. Die seit Jahren überlastete A59 wäre durch einen 3-spurigen Ausbau endlich Geschichte. Doch es soll wohl doch anders kommen.
Doch fangen wir mal von ganz vorne an: Die Verkehrsprobleme der A59 nehmen durch den massiven Ausbau von Gewerbegebieten im Duisburger Norden (Logport VI und Friedrichpark) erheblich zu. Die aus heutiger Sicht nicht mehr zu vertretenden Ideologien einer autogerechten Stadtplanung der 50er und 60er Jahre hätten korrigiert werden können. Zum Zeitpunkt des Autobahnbaus nach dem 2. Weltkrieg gab es die Philosophie, dass die Automobilität Vorrang vor allen anderen Bürgerinteressen hatte. Parallel zur A100 in Berlin wurde damals die Duisburger Stadtautobahn geplant. Gegenüber Berlin hatte Duisburg den Vorteil, dass bereits in den 20er Jahren Flächen im heutigen Verlauf der A59 für eine innerstädtische Schnellstraße frei gehalten wurden. Im Bezirk Meiderich ermöglichten die starken Bombardierungen des 2. Weltkrieges die Streckenplanung mitten durch den Stadtteil. Im historischen Geoportal der Stadt Duisburg ist diese geplante Streckenführung aus den 20er Jahren noch sehr gut zu erkennen. Nach der damaligen Philosophie der autogerechten Stadt wurden in Duisburg und auch Berlin die Trassen oft als Hochstrecken oder auf Bodenniveau quer durch die Stadtteile geplant, was heute undenkbar wäre. Es entstand sogar ein regelrechter Wettlauf zwischen Duisburg und Berlin, wer die Stadtautobahn als erstes fertigstellen würde. Diesen Umstand verdankt die Berliner Brücke unter anderem ihren Namen. Selbstverständlich gewann die Stadt Duisburg diesen Wettstreit gegen Berlin und der damals regierende Bürgermeister Willy Brandt kam persönlich zur Eröffnung der neuen Duisburger Stadtautobahn. Bei der Eröffnungsveranstaltung soll Brandt aber feixend gesagt haben, das der Bauzeit-Sieg von Duisburg eigentlich logisch gewesen wäre, weil die Duisburger Stadtautobahn viel schmaler sei, als die von Berlin. Dieses Zitat prognostizierte gleichzeitig das Verkehrsschicksal der A59, denn sie hatte keine Ausbau-Reserven um auf das stetig steigende Verkehrsaufkommen, welches seit den 70er Jahren exorbitant zunahm, mit zu wachsen. Die Selbstdefinition von Duisburg als Logistik-Stadt führte maßgeblich mit zum fast täglichen Verkehrskollaps.
In sofern war es ein Segen, dass der Beschluss gefasst wurde, die Stadtautobahn den Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts anzupassen. Dieses geschah nicht zuletzt durch bautechnischen Druck, denn die Berliner Brücke zeigt sich nach über 50 Jahren stärkster Nutzung als so angegriffen, dass sie bis 2029 ersetzt werden muss. Im Gegensatz zur bundesweit bekannt gewordenen Talbrücke Rahmede hatten Straßen NRW und das Bundesbauministerium den dringenden Handlungsbedarf rechtzeitig erkannt.
Es hätte alles so schön werden können, wenn nicht Straßen NRW die ersten Pläne öffentlich präsentiert hätte. Die Autobahn-Planung sah vor, die Strecke nicht wie in allen anderen Städten anwohnerfreundlich und ökologfördernd zu gestalten, sondern die Planungs-Philosophien der 50er Jahre wieder aufzugreifen und ein regelrechtes Betonmonstrum mitten durch die Wohngebiete führen zu wollen. Während in Hamburg beim Bau der neuen A7 und in Berlin beim Neubau der A100 komplett auf die Tunnellösung gesetzt wird, um direkte Anwohner zu entlasten, und sowie Wind- und Abkühlungsschneisen in den Städten zu ermöglichen (Klimawandel, Überhitzung von Städten). Wie perfekt und modern diese Bauvariante sei und welche Vorteile sie biete. Doch in Duisburg setzt man weiter auf das allseits wederlegte Verkehrskonzept. Kurios hierbei ist, dass man in Berlin sogar einen Doppelstock-Tunnel rund um den Ostbahnhof plant um möglichst wenig in bestehende Baustrukturen einwirken zu müssen. Über Mehrkosten wird weder in Berlin, Hamburg noch in Bayern diskutiert, weil es sich hier um Bauvorhaben übergeordneter Bedeutung handelt, die über Jahrzehnte das Umfeld prägen werden. Nur in Duisburg scheint dieser wichtige Aspekt absolut ausgeblendet zu werden – zu Lasten der Menschen in dieser Stadt. Speziell im Gegensatz zu Bayern, wo gefühlt fast jedes Dorf untertunnelt wird, soll in Duisburg ein neues Brückenbauwerk entstehen.
Aus der Distanz betrachtet könnte man hierüber noch diskutieren, wenn die neue Autobahn die Dimensionen der alten Strecke aufweisen würde. Und der Raum unter dem Brückenbauwerk könnte weiterhin als Stadtraum genutzt werden. Die Planungen, die inzwischen die Autobahngesellschaft des Bundes von Straßen NRW übernommen hat sieht ein Brückenbauwerk vor, welches fast doppelt so breit ist, wie das Alte, zudem mit doppelt so hohen Schallschutzwänden. Hinzu kommt, dass der bisher als Parkplatz/Bolzplatz oder anders genutzte Stadtraum unter dem Brückenkoloss ersatzlos wegfallen wird. Aus nachvollziehbaren Brandschutzgründen soll unter dem Brückenbauwerk eine Fläche von grob gehauenen Steinen angelegt werden um jeglichen Nutzung zu unterbinden. Ein eindrucksvolles Bild vom dann wohl größten „Schottergarten“ Deutschlands kann man sich heute bereits am Autobahnkreuz Duisburg-Hamborn neben dem Botanischen Garten machen.
Das für den Neubau der Autobahn Wohngebäude im mittleren zweistelligen Rahmen abgerissen werden müssen, war allen Beteiligten bekannt und wurde akzeptiert. Das die verbleibenden Mieter von umgebenen Gebäuden demnächst gegen Schallschutzwände blicken müssen, die teilweise in Firsthöhe der Häuser liegen werden, löste einen allgemeinen Schock aus. Dunkle Wohnungen, neue starke Windschneisen und der Verlust jeglicher Wohnqualität hatte die Autobahngesellschaft wohl nicht berücksichtigt – beziehungsweise war es nicht ihre Aufgabe dieses im Planungsverfahren berücksichtigen zu müssen.
Umgehend favorisierte die Stadt Duisburg die Lösung eines Tunnels unter dem Meidericher Stadtgebiet sowie eine Abdeckelung des bereits vorhandenen Hamborner Troges analog zum Duisburger Hauptbahnhof. Diese Planungen wurden bereits bei der Präsentation im Landschaftspark Nord als Alternativplanung von Straßen NRW vorgestellt. Dabei erfolgte immer wieder der Hinweis, dass man beide Varianten prüfe. Wobei die Variante des Tunnels schwieriger umzusetzen sei, teurer wäre und eine längere Bauzeit in Anspruch nehmen würde. Die Stadt argumentierte damals, dass es sich hierbei um ein Jahrhundert-Bauwerk handle bei der städtebauliche Planungen aus der Vergangenheit korrigiert werden könnten und den Bürgerinnen und Bürgern speziell in Meiderich nach über 50 Jahren Trennung des Stadtteils durch die Autobahn ein erhebliches Stück Lebensqualität zurück gegeben werden könnte. Weiter argumentierte die Stadt, dass ein Tunnel eine rund doppelt höhere Nutzungsdauer habe, als die Brückenlösung, welche die Mehrkosten relativieren würden. Angesichts der dauerhaften Verbesserung der Lebensqualität in der Stadt wäre auch eine längere Bauzeit zu verkraften. Duisburg habe das Glück mit der A3, A42 und der A57 ausgebaute Ausweichstrecken zu haben. Mit intelligenten Verkehrsleitsystemen und einem angepassten ÖPNV-Verkehrskonzept während der Bauzeit könnten Verkehrs-Folgen gut abgemildert werden.
Speziell mit dem Wechsel von Straßen NRW zum Bundesautobahnamt setzte eine Verhärtung der Position des zuständigen Planungsgremiums ein. Hoffnungen setzte Duisburg auf den Regierungswechsel in Berlin und somit auch auf einen Wechsel im Verkehrsministerium. Mit wenigen Gesprächen schien danach das abgewendet worden zu sein, was in den vorherigen Planungen schief gelaufen war. So hielt die Freude des Duisburger Bundestagsabgeordneten und parlamentarischen Staatssekretär Mahmut Özdemir nur kurz an, dass Bewegung in die Sache kommt. Entgegen der Hoffnung einer einheitlichen politischen Linie zwischen Bund und Kommune änderte das Verkehrsministerium unter dem neuen Bundesverkehrsminister Volker Wissing an seiner Einstellung nichts. Vielmehr fuhr man neue Geschütze auf. Die Autobahngesellschaft erklärte, dass man das Planfeststellungsverfahren in einem einzigen Abschnitt durchführen würde. Dieses brachte nicht nur den Duisburger Oberbürgermeister Sören Link zur Weißglut, sondern auch den neuen Stabsstellenleiter für Verkehrsplanung Matthias Vollstedt.
Oberbürgermeister Sören Link fordert zu Recht:
„Wir wollen in Duisburg einen A59-Tunnel, damit die Menschen insbesondere in Meiderich und Hamborn in den kommenden Jahrzehnten gut leben können. Wir wollen einen Tunnel, damit der motorisierte Verkehr unterirdisch fließen kann (gut für unsere Wirtschaft und die zahlreichen Pendler) während oben die Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer gut von Nord nach Süd kommen (und zurück).“
Es habe den Anschein, einer glasklaren Erpressung durch das Autobahnamt. Nach dem Motto: „Wenn ihr nicht den Mund zu unserer Brückenplanung haltet, dann kann die Berliner Brücke nicht rechtzeitig fertig gestellt werden und dann herrscht das totale Chaos in eurer Stadt.“
Sämtliche logischen Bitten der Stadt ein zweistufiges Verfahren zu favorisieren verliefen ins Leere. Die Stadt hatte vorgeschlagen das Planfeststellungsverfahren für die Berliner Brücke von der Rest-Autobahn zu trennen. So könnte die unstreitige Berliner Brücke bis 2029 neu gebaut werden und für den Rest der Strecke hätte man „Luft“ die beste Variante für die Menschen in der Stadt auszudiskutieren. Dem Vorschlag verweigerte sich die Bundesautobahngesellschaft komplett.
Matthias Vollstedt erläuterte in seiner Erklärungs-Tour durch die öffentlichen Sitzungen der Bezirksvertretungen, dass dieses Vorgehen einzigartig und absolut unschlüssig sei. Bereits kurz nach Eröffnung der Offenlegung der Planungen (fast 2 Meter Aktenordner in Länge) in den Bezirksrathäusern flattern die Einwendungen von Betroffenen ein. Jeder Mensch, der sich von Planungen direkt oder indirekt betroffen fühlt hat das Recht Einwendungen gegen die Planungen zu erheben. Dies kann jeder Hauseigentümer, jeder Mieter oder auch jeder Nutzer des Umfeldes des Autobahnabschnittes sein. Jeder Einwand muss einzeln geprüft und bewertet werden. Je mehr Einwände zusammen kommen, desto länger wird der Baubeginn schlüssiger Weise verzögert. Wenn sich noch Gerichte mit den Einwendungen befassen müssen, rücken die Bauarbeiten in weitere Ferne. Letztendlich wird durch die Haltung der Autobahngesellschaft am einstufigen Planungsverfahren dazu führen, dass die Berliner Brücke nicht rechtzeitig fertig wird und es zu einer Vollsperrung der A59 von Meiderich bis zum Autobahnkreuz Duisburg kommen. Die Stadt würde über mehrere Jahre in ein Verkehrschaos gestürzt. Die starke Logistikbranche wäre massiv betroffen, Abwanderungen und Arbeitsplatzabbau wären sicher eine weitere Folge dieser Starrsinnigkeit. Inzwischen fordern immer mehr politisch aktive Menschen in dieser Stadt, dass sich Bundeskanzler Olaf Scholz direkt in eine für alle tragbare Entscheidungsfindung mit einbringen würde, solange es noch nicht zu spät ist. Für die Bundesregierung wäre ein zweites Rahmede ein Desaster in das man sehenden Auges hinein läuft.
Weitere Informationen zur Planung und Möglichkeit seinen Einwand kund zu tun, erhalten betroffene Bürgerinnen und Bürger in den Bezirksrathäusern Hamborn, Walsum und Meiderich.
Seit letzter Woche steht ein Informationsbüro für Einwendungen bei der Planfeststellung bereit, welches durch den Meidericher Bürgerverein organisiert wurde, neben dem Haupteingang von Rewe Peeters. Dort können betroffene Bürgerinnen und Bürger Montags – Freitags von 15 – 18 Uhr Informationen zum Ausbau der A59 und Hilfestellung beim Formulieren der Einwendung erhalten. Das Angebot steht auch Samstag Vormittag zur Verfügung. Die Initiative „DU – für den Tunnel“ freut sich über jede Unterstützung.