Die kammermusikalische Oper „Meer“
Helge Bol hat kürzlich (2023) die Kammeroper (ChamberOpera) „Meer“ vorgestellt, die nahezu vollständig digital, inklusive der genutzten Instrumente, produziert wurde. Analog ist nur die Komposition entstanden, freilich vor einem Rechner. Als Grundlage diente ihm die die Digital Audio Workstation (DAW) „Reaper“ inklusive separat erworbener „PlugIns“. Die technischen und finanziellen Aufwändungen war nicht unerheblich. Außer der DAW wurden für die Kammeroper besonders Singstimmen gebraucht – auf gesungene Worte konnte hingegen verzichtet werden, soweit die Stimmen ausdrucksreich waren – ein zeitgenössisches Kammerensemble (Streicher), eine klassische Gitarre (Höfner Meistergitarre) und eine Konzert Querflöte.
Schon seit geraumer Zeit arbeitet Helge Bol kompositorisch mit Multiskalen, setzt sich grundlegend von der ‚seriellen Musik‘ ab, die auf 12-Tonreihen basiert, aber auch von der „minimal music“, die im englischsprachigen Raum entstand. Eine theoretische Entwicklung seiner Musik ist in der Publikation „Über das Entstehen einer autonomen, digitalen Musik“ zu finden, die 2021 im Autorenverlag-Matern erschienen ist.
Gegen Pierre Boulez, der mächtig gegen Komponisten auskeilen konnte, sie z.B. für ‚nutzlos‘ hielt, ließe sich aus Bols Perspektive einwenden, wer sich lediglich einer ‚Schule‘ anschließt, selber nichts erfindet, der hat überhaupt nichts zu bieten! 2016 verstarb der Demagoge einer musikalischen Kunstreligion (serielle Musik).
Und Helge Bol? Der direkte Anfang von „Meer“ klingt noch tonal, doch hält sich dieser Eindruck nicht lange, nur wenige Sekunden. Aufgrund der sich verändernden Struktur kann von Tonalitäten nicht mehr die Rede sein.
Und Kammeropern? Sie sind eine Neuerung im 20. Jahrhundert. Ihr Aufbau freilich variiert, je nach Komponist. Helge Bol erzählt eine Geschichte vom Meer, die über Vermüllung und Verseuchung bis zum ansteigenden Meeresspiegel reicht. Entgegen anderen Kammeropern, die nicht selten intim gehalten sind, geht es hier ums Ganze.
Zu erhalten ist die sechsteilige Kammeroper als EP bei Bandcamp: Meer