Duisburg: Gedenken an die Pogromnacht vom 9. November 1938
Am heutigen Abend erinnerte die Stadt Duisburg gemeinsam mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft an die Pogromnacht vom 9. November 1938 und lud zu einer Feierstunde zum Gedenken an die Pogromnacht in das Rathaus ein.
In seiner Begrüßung mahnte Oberbürgermeister Sören Link zu Beginn, dass es kaum jemanden vorstellbar gewesen wäre, das ausgerechnet in Europa jemals wieder ein Krieg ausbrechen würde. Hier wies er auf den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine hin. Als die Kriege in Jugoslawien und im Kosovo begannen, war es Europa vergönnt 77 Jahre nach dem 2. Weltkrieg in Frieden miteinander leben zu dürfen. Die Zeiten seien leider vorbei. Im Ukraine-Krieg seien viel zu viele Menschen bereits umgekommen, verwundet und in die Flucht getrieben. Familien wurden zerstört und auseinander getrieben. Trotz aller Unmenschlichkeit, die dort aktuell vor sich gehe, sei trotz allem der 2. Weltkrieg und die Zeit des Nationalsozialismus nicht mit den aktuellen Geschehnissen in Europa zu vergleichen. Ein solcher Vergleich sei unangemessen, betonte Sören Link. „Der Holocaust bleibt in der Deutschen Geschichte ein beispielloses Verbrechen an der Menschheit“.
Mit dem Pogrom begann die systematische Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung von mehr als 6 Millionen Juden, Sinti, Roma, Behinderte, politische Gegner und anders denkende Menschen. Diese unheilvolle Nacht jährt sich nun zum 84. Mal. „An diesem Jahrestag mahnen und erinnern wir an unsere heutige Verantwortung für eine offene und freiheitliche Gesellschaft“, so Link. Rassismus und Antisemitismus habe sich in unserer Gesellschaft heute viel zu stark etabliert. Mit der Corona-Pandemie habe dies laut einer Studie in Zusammenspiel mit Verschwörungstheorien erschreckend zugenommen. Rassismus und Antisemitismus sind in allen sozialen schichten zu finden. In den unterschiedlichsten Formen. Hass, Beleidigungen, Mobbing, Beschimpfungen, Hetze, körperliche Übergriffe und Terror seien alltäglich geworden. Sogar an unseren Schulen. Um so wichtiger sei es schon im Klassenzimmer präventiv dagegen vor zu gehen.
Dr. Henry Wahlig, verantwortlich für das Kultur- und Veranstaltungsprogramm im Deutschen Fußballmuseum Dortmund, hielt einen Vortrag zum Thema „Zwischen Erfolg und Verfolgung – Die Geschichte jüdischer Sportler in Duisburg vor 1933 und danach“. In seinem Vortrag zeigte er auf, welche Auswirkungen und Entwicklung die Ausgrenzung und Verfolgung der Juden im Bereich des Vereinssportes hatte. Man führte den Arierparagraph ein. Das prägende Instrument zur Ausgrenzung der Juden im Vereinssport.
Viele Sportvereine setzten ihn in ihren Vereinssatzungen ein, damit nur „Arier“ als Vereinsmitglieder zugelassen wurden. Dieser Ausschluss-Paragraph führte dazu, dass das jüdische Volk mehrere Sportvereine und -verbände neu gründeten. Der von Juden gegründete Duisburger Turnverein 1848 sei heute aufgegangen in Eintracht Duisburg. Sogar im Fußball begannen Vereine systematisch Spieler jüdischer Abstammung aus den Vereinen zu drängen. Sie setzten nicht den Arierparagraph ein, kündigten die Mitgliedschaften mit formlosen Schreiben auf. Der Protest blieb aus. Doch die jüdische Gemeinschaft blieb im Vereinssport aktiv und gründete eigene Sportverbände mit Genehmigung der Nazis. Über 50.000 jüdische Mitglieder zählten die Verbände deutschlandweit. Bis nach Olympia 1936 genossen die jüdischen Vereine Sonderrechte, die die Nazis ihnen sogleich entzogen.
Im Anschluss präsentierten Schülerinnen und Schüler des Abtei-Gymnasiums ihre Arbeit, die sie in Kooperation mit dem Zentrum für Erinnerungskultur, Menschenrechte und Demokratie (ZfE), dem Stadtarchiv und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische mit dem Titel „Von den Akten bis zur Begegnung: Wie aus einer Recherche ein Begegnungstreffen mit Nachfahren von Holocaustüberlebenden wurden“ erstellten. Hierbei arbeiten und rekonstruierten sie das Schicksal der jüdischen Familie Meisels aus Marxloh auf. Nachkommen fanden diese auf der Webseite und kontaktierten die Schule. Die Aufarbeitung ist unter folgenden Link abrufbar:
Die musikalische Gestaltung des Abends übernahmen Schülerinnen und Schüler des St. Hildegardis-Gymnasiums.
Im Anschluss an die Gedenkveranstaltung im Ratssitzungssaal führte ein Schweigemarsch im Beisein von Oberbürgermeister Sören Link zur rückseitigen Stadtmauer am Kuhlenwall, da die Gedenkstätte am Rabbiner-Neumark-Weg aufgrund von Ausgrabungsarbeiten in diesem Jahr nicht zugänglich ist. Dort fand auch eine Kranzniederlegung statt.
Der Weg des Schweigemarsches führte unter Beteiligung von Duisburger Schülerinnen und Schülern vorbei an „Stolpersteinen“, die an Opfer der NS-Diktatur erinnern.
Die Fotostrecke zu dieser Veranstaltung ist unter folgenden Link abrufbar: