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Wieviel Kiesabbau verträgt der Niederrhein?

Am 30. April 2010 fand in der Stadthalle Kamp-Lintfort eine gut besuchte Podiumsdiskussion statt. Veranstaltet vom Aktionsbündnis Niederrhein-Appell trafen sich hochrangige Vertreter der NRW-Politik und des Naturschutzes, um gemeinsam mit dem Publikum über den Kiesabbau zu diskutieren.

Sehr gut moderiert wurde die Veranstaltung von Andreas Vollmert, den viele von seinen Radiobeiträgen für den WDR kennen dürften.

Nachdem die Veranstaltung durch Christian Chwallek, Kreisvorstand des NABU, eröffnet wurde, stimmte man das Publikum mit einem Amateur-Video auf die anstehende Diskussion ein. Gezeigt wurden vor allem Luftaufnahmen, die das Ausmaß des aktuellen und des geplanten Abbaus darstell

Im Anschluss wurde den anwesenden Gästen die Gelegenheit gegeben, in mehreren Runden ihre Standpunkte darzulegen. In den Zwischenrunden wurde dem Publik ausreichend Möglichkeit geboten, Rückfragen zu stellen.

Als erster Redner stellte sich Michael Schulz vor. Als Vorsitzender des Wirtschaftsverband der Baustoffindustrie sicherlich in der „Höhle des Löwen“, legte er den Zuhörern dar, dass der Kiesabbau ein elementarer Bestandteil des Niederrhein sei. Und das seit über 100 Jahren. Ruhig und schlüssig legte er dar, dass die Kiesindustrie sich als Teil des Niederrhein sieht und nicht als, wie er es nannte, Heuschrecke, die nur an Profit interessiert sei. Er erklärte zudem, dass Kies aus Deutschland in ganz Europa ein begehrtes Handelsgut sei, so würde z. B. eine nicht unerhebliche Menge in die Niederlande verschifft.

Mehr als einmal forderte er über den Abend verteilt zudem die Erstellung eines Gutachten, dass die Auswirkungen in jeder Hinsicht neu beurteilen möge und bot auch den anwesenden Vertretern der Parteien und Naturschutzverbünde immer wieder den Dialog an.

Seine Ausführungen, insbesondere hinsichtlich des Exports von Kies in die Niederlande, wurden mehr als einmal kritisch hinterfragt, jedoch konnte er in fast allen Fällen souverän Antworten und sicherlich erntete er für seine offene Art im Publikum entsprechendes Wohlwollen, mit dem vor Beginn niemand gerechnet hatte. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Herr Schulz mit Unterstützung der „vom Hoff Kommunikation GmbH“ vor Ort war. Ein entsprechendes Briefing im Vorfeld sollte daher angenommen werden.

Als Vertreter der Grünen war Johannes Remmel anwesend, Umweltpolitischer Sprecher im Landtag. Er stellte die in der Vergangenheit gescheiterte Gesetzesinitiative der Grünen im Land NRW vor. Dabei versprach er  in der „Was ändern sie nach der Wahl“-Runde, dass die Grünen in NRW erneut versuchen werden, den Kiesabbau einzuschränken und langfristig einzustellen. Er sprach sich zudem für den Kies-Euro aus, eine Abgabe zur Dämpfung der Abbau-Folgen, aber auch eine Abgabe um den Kies zum Beispiel für den Export zu verteuern. Angesichts der in der Veranstaltung kursierenden Zahlen von Millionen von Tonnen Kies die per Anno in die Niederlande verschifft werden, erhielt er hier große Zustimmung. Das Publikum zeigte sich entsetzt, dass ein Großteil des Abbau in NRW und Deutschland letztlich dem Landschaftsschutz in den Niederlanden dienen soll.

Herr Josef Tumbrinck vom NABU NRW und Herr Paul Kröfges vom BUND NRW bezogen erwartungsgemäß eine besonders ablehnende Stellung. Sie führten gemeinsam aus, dass der Niederrhein im wesentlichen über zwei nennenswerte Rohstoffe verfügt: Kies und durch Kies gefiltertes Grundwasser. Sie machten deutlich, dass der Kiesabbau nicht nur ein schwerer Eingriff in die Landschaft ist. Vielmehr würden hier unkorrigierbar Speicherflächen für Grundwasser zerstört – insbesondere angesichts des heraufziehenden Klimanwandels eine Katastrophe. Zudem führten sie aus, dass gerade die hochertragreiche landwirtschaftliche Nutzfläche am Niederrhein durch den Kiesabbau in großer Fläche reduziert würde.

Bodo Wißen als Vertreter der SPD Landtagsfraktion und deren Verkehrspolitischer Sprecher, sprach sich für einen geplanten Rückzug aus dem Kiesabbau aus. Er wollte die Auswirkungen auf Arbeitsplätze nicht verschweigen, schloss sich aber im weiteren im Wesentlichen der Position von Johannes Remmel an. Er befürwortete nicht nur den Kies-Euro, sondern sprach sich vor allem auch für den Erhalt der Landschaft mit den von NABU und BUND erwähnten Seiten-Effekten auf das Grundwasser aus. Während er einfließen ließ, dass er nach der Wahl am liebsten in einem rot-grün regierten NRW Regierungsverantwortung übernehmen wollen würde, erklärte er die Suche nach Alternativen, wie der Verwendung von Recycling-Material zur Priorität.

Von der CDU wurde der Umweltpolitische Sprecher der Kreistagsfraktion Wesel zu der Veranstaltung geladen. Herr Udo Bovenkerk wurde schon in der Vorstellungsrunde vom Moderator „in Schutz“ genommen, war seine Rolle denkbar undankbar: Während die CDU auf Kreis- und Regionalebene zusammen mit den Grünen und der SPD einen Rückzug aus dem Kiesabbau befürwortet, hat die CDU im Landtag zusammen mit der FDP eher das gegenteilige Ziel im Auge.

Er legte verständlich die Diskrepanzen zwischen regionaler und überregionaler Interpretation der Attribute Naturschutz, Landschaftsschutz, Wirtschaftsförderung dar und stellte sich auf Nachfrage auf die Seite der lokalen Entscheider und gegen den Kiesabbau.

Für besonderes Aufsehen sorgte letztlich der Vertreter der FDP, Herr Holger Ellerbrock. Dieser träumt, als Wassersportler, von einer großen Seenlandschaft am Niederrhein. Diese Seen sollen seinem Verständnis nach bis zum Rhein verbunden sein und „von Kalkar bis Kalkutta“ ermöglichen. Zudem ignorierte er alle kritischen Nachfragen zum Umwelt- und Landschaftsschutz und stellte sich bedingungslos auf die Seite des Kiesabbaus. Er philosophierte von mutigen Plänen für die Zukunft und sprach unter anderem tatsächlich davon, dass schon in wenigen Jahren mindestens 50% aller deutschen Besucher der Niederlande lieber am Niederrhein verbleiben würden. Seine Vision lässt sich im Detail auf seiner Website nachlesen.

Herr Ellerbrock zeichnete sich jedoch nicht nur durch Ignoranz gegenüber dem Publikum aus. Vielmehr fiel auf, dass der die meiste Zeit in die Luft starrte und meist in die andere Richtung, weg vom Moderator und seinen Gesprächspartnern. Seine Beiträge wirkten (schlecht) einstudiert und gingen mehr als ein Mal an der Frage vorbei.

In einer der Veranstaltung folgenden kurzen, nicht repräsentativen Umfrage im Publikum, kam folgendes „Ergebnis“ heraus:

Überraschend kann schlussendlich festgestellt werden, dass sich der Zorn im wesentlichen weniger stark gegen den Interessenvertreter der Unternehmen richtete. Insgesamt war es eine sehr konstruktive Veranstaltung, die mit gut 2 Stunden spürbar zu kurz ausgefallen ist. Jedoch sind Folgeveranstaltungen bereits in der Planung.

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