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Artikel 13: Die Debatte ist zu Ende, der Widerstand geht weiter

<Heute ist ein schwarzer Tag für das Internet> beginnt Julia Reda ihre Reaktion auf das Ergebnis der Abstimmung im EU-Parlament. Udo Voss dagegen twittert keine Jubelrufe, stellt aber fest, dass für ihn <es mit dieser Reform keine Zensur geben wird.> Dass dies die Überschrift eines Beitrages der Süddeutschen ist, verwundert nicht. Schließlich haben Verlage und Verwertungsgesellschaften gewonnen – sofern die Staaten jeweils ihre Zustimmung geben. Dass die Bundesrepublik hier ein Veto einlegen wird, das ist nicht zu erwarten. Trotz der Tatsache, dass man sich einig war im Koalitionsvertrag: Man lehne Uploadfilter ab. Und das würde man ja auch auf Bundesebene tun, so die CDU.

Es mag unverfroren sein, aber es stimmt: Es gab kurz vor der Abstimmung von der deutschen CDU einen Vorschlag. Man könne ja erstmal der ganzen EU-Richtlinie zustimmen – plus den kritischen Artikeln – aber dann per Hintertür bei der Umsetzung der Richtlinie die Artikel rauswerfen und ein eigenes System einführen. Deren Plan: Plattformen sollen für geschützte Werke stattdessen in der Regel Lizenzen erwerben. Unterhalb einer zeitlichen Grenze: Keine Lizenzgebühren für Uploads. Ansonsten, wenn die Werke einen digitalen Fingerprint aufweisen, muss eine Lizenz her. Die Alternative: Der Rechteinhaber könne auf seine Rechte ja verzichten oder die Löschung verlangen. Insgesamt würde eine gesetzlich verpflichtende Pauschallizenz gelten, jeder Urheber hätte so die Möglichkeit für sein Werk eine Vergütung zu erlangen. Und: Private Nutzer sind von einer Haftung befreit.

Zicke-Zacke-Hühnerkacke

Tim Wölken, MEP für die SPD in Brüssel, spottete daraufhin, das mit der Pauschallizenz sei sein Vorschlag im letzten Jahr gewesen. Nur wäre Axel Voss nicht darauf eingegangen. Auch andere Änderungsvorschläge sind nicht beachtet worden. Irgendwie erinnert die Politik der CDU jetzt an den Zickzackkurs der Oma, die im Hühnerstall Motorrad fährt: Auf der EU-Ebene für Uploadfilter sein und stimmen, auf der Länderebene aber genau diese bei der Umsetzung nicht in Kraft setzen wollen. Wer versteht da die Logik? Die EU-Richtline soll doch das Urheberrecht für alle Staaten der EU vereinfachen und vereinheitlichen – und da legt sich die CDU elegant in die Kurve und vermeidet den Zusammenprall mit dem, was aus Brüssel kommt? Fährt sie da nicht direkt vor die Wand? Wenn nicht gar in den Misthaufen des Hühnerstalls? Dennis Horn hat schon Recht, wenn er von <Schrödingers Uploadfiltern> spricht: <Es soll sie gleichzeitig geben und nicht geben. Glaubwürdig ist das nicht.>

Abgesehen davon, dass selbst dieser sogenannte Kompromiss zwar eventuell bei Musikstücken greifen könnte – aber wie lange dauert eine Fotografie? Oder wieviele Minuten hat ein Text? Und wie die Zukunft von RIVVA oder Google News aussieht, wenn jetzt ein Leistungsschutzrecht kommt, welches nur kleinste Einheiten für die Verwendung von Presseschauen erlaubt – angeblich sind Blogger davon ja ausgeschlossen, aber der Grad zwischen privat und gewerblich ist schmal und auf dem balanciert es sich nicht gerade angenehm – das steht in den Sternen. Interessierte aber auch keinen in der Debatte. Ebenso wie die Tatsache, dass über die EU wieder die Verlage einen Teil des Kuchens vom Geld der Verwertungsgesellschaften bekommen – und vermutlich wird es wieder ein großes Stück von dem Geld sein. Auch, wenn hier im Entwurf ein Konjunktivsatz steht: Wer glaubt, dass Springer, Bertelsmann und Co. sich den Happen entgehen lassen werden, denn kann man nur naiv nennen.

Du wählst CDU, deswegen mach ich Schluss

Zwar setzen die Gegner noch auf die Abstimmung der EU-Staaten, erst dann ist die Richtlinie komplett durch den ganzen EU-Verfahrensweg durch. Doch die CDU wird sich auf den obigen Vorschlag berufen und die SPD wird die Große Koalition nicht wegen einer solchen Lappalie platzen lassen. Nicht bei den aktuellen Umfragewerten. Große Telefonaktionen oder Briefe an die Abgeordneten könnte es zwar noch geben, aber im Grunde genommen könnte man erleichtert aufatmen und mit Wilhelm Busch ausrufen: Gott sei Dank, es ist vorbei mit der Übeltäterei. Oder mit Goethes Faust: Der Worte sind genug gewechselt, lasst uns nun endlich Taten sehen. Das Thema ist vom Tisch. Vorbei. Aus die Maus. Die Befürworter haben gewonnen und jetzt bleibt halt nur das Abwarten. Vielleicht wird alles auch nicht so schlimm. Habe ich beim Amtsantritt von Trump zwar auch gedacht, aber dann ist es doch schlimmer und absurder gekommen als in einem Ionescuschen Theaterstück. Absurdes Theater war das, was im Vorfeld der EU-Entscheidung abgelaufen ist allemal.

Jedoch: Der Boomerang kommt noch. Junge Menschen haben erfahren, dass die bestehende Regierung, dass die Politiker ihren Protesten nicht Gehör schenken. Zweifach sogar. Schließlich wird #FridayforFuture auch immer noch als belanglose Protestbagatelle von Schulschwänzern abgetan. Von Politikverdrossenheit war Zweitausendneun ja des Öfteren die Rede. Die Fun-Generation würde nicht mehr protestieren, man würde sich lieber in die eigenen Wände verkriechen, die Familie pflegen. Worauf der Twitterer Max von Webel trocken feststellte: Ihr werdet euch noch wünschen wir wären Politikverdrossen. <Sic.> Ja, das wünschen sich die Parteien vermutlich jetzt in diesem Moment schon, dass aufgehört wird mit Demonstrationen und Meinungen und Tweets. Es wird aber nicht passieren.

Es wird nämlich noch schlimmer werden für CDU, CSU und die SPD sollte nicht zu voreilig die Schadenfreude-Konfettikanone aus dem Depot ziehen. Denn diese Partei hat nun auch kein Ruhmesblatt einstreichen können, zu langsam ihre Reaktion, zu unglaubwürdig das Verhalten der Politiker im Bund. Nein, wahrlich: Da nehmen Politiker Jugendliche nicht ernst, nennen sie Bots, faseln etwas von gekauften Demonstranten – bis jetzt hat sich Caspary übrigens nicht entschuldigt und brüllte in der EU-Debatte Julia Reda sogar nieder, ein Verhalten, das in einen Kindergarten gehört aber nicht in ein erwachsenes Politik-Instrument. Da sagt Axel Voss mal, dass man Texte privat ins Netz auf die eigene Webseite stellen dürfe oder auf Facebook, weil das ja ein eingeschränkter Kreis sei – und offenbar in etlichen Interview seine Ahnungslosigkeit. So zum Thema Livestreaming: Die Plattform Twitch muss man nicht unbedingt kennen, aber Livestreams finden auch auf Youtube statt. Wie die in Zukunft von statten gehen sollen: Das müsse man sich mal anschauen. Diese Anschauen-Antwort gab Voss sehr oft auf Fragen von Kritikern und bisweilen wirkte er hilflos und verwirrt. Das darf man als Politiker sein, aber von Entscheidungsträgern, die digitale fundamentale Dinge entscheiden erwartet man doch eher, dass sie sich beraten … oh. Ich verstehe …

Die Politik-Krise wird erst noch kommen

Es wird fürchterlich werden für die Parteien. Sie haben es sich mit den Erstwählern verscherzt und wer glaubt, dass diese kein langes Gedächtnis haben, der irrt. Sie brauchen nur Artikel Dreizehn bei Youtube einzugeben und schon haben sie für die Zukunft stets eine gewaltige archivierte Erinnerung daran, dass man ihren Protest nicht wahrnehmen wollte. Die Parteien bekommen auf europäischer Ebene sicherlich erstmal im Mai die Quittung. Dann steht nächstes Jahr die Kommunalwahl in NRW an und schließlich dann die Bundestagswahl. Die Werte der Volksparteien, die dann wohl nur als sogenannt bezeichnet werden können, werden wohl demnächst tief in den Keller sinken.

Darüberhinaus haben die Parteien einen Bärendienst geleistet, der unverzeihlich ist. Sie haben die Meinung bestärkt, dass die Politik sich nicht für den Kleinen Mann auf der Straße interessiert, dass sie ja doch machen, was sie wollen. Dass letzten Endes es nicht reicht, wenn man Petitionen unterschrieben an Politiker überreicht – dass die Instrumente, die der Bürger in einer Demokratie hat sich als stumpf erweisen. Interessant wird die Meinung des Volkes nur dann, wenn sie in den Kram passt. Ansonsten müssen die Bürger das schlucken, was die Volksvertreter so anstellen. Bis zur nächsten Wahl ist aber ja dann wieder alles vergessen und dann präsentieren sich die Parteien vorab wieder als die edlen Hüter des Volkswillens. Genau diese Haltung spielt leider dann denen in die Hände, die Montags so gerne an die frische Luft gingen. Dass die AfD auch gegen Uploadfilter war: Geschenkt. Sie fischt ja gerne dort, wo sie glaubt die Schwärme des Volkes im Wasser erhaschen zu können.

Generell allerdings sollte man sich schon seine Gedanken darüber machen, wie Jugendliche jetzt das Verhalten der Politiker wahrnehmen. Glücklicherweise scheint aber momentan keiner der Jugendlichen wirklich politikverdrossen zu sein oder steht in der Gefahr eine der Parteien des rechten Randes zu wählen. Wobei: Ich persönlich glaube auch nicht, dass die LINKE jetzt ein Hoch erleben wird, eher werden es die kleineren Parteien sein wie DIE PARTEI oder tatsächlich die Piraten. Bei den Grünen bin ich skeptisch: Zwar hat der Großteil der Fraktion gegen die Uploadfilter gestimmt, aber Frau Truepel hat sich derart für die Reform eingesetzt, dass es da wohl einen Imageschaden geben könnte. Man muss abwarten, was genau passieren wird.

Die CDU und der Schrecken der Straße

Nun mag die Debatte an sich beendet sein. Allerdings wird die Bundesregierung sicherlich bis April noch mit Protestaktionen belagert werden, werden immer noch Menschen auf die Straße gehen und die Politiker an ihre Versprechen erinnern. Gleichzeitig laufen die Proteste gegen den Klimawandel Freitags auch noch weiter. Man mag der CDU in gewisser Weise gratulieren: Falls die Jugend jemals wirklich politikverdrossen gewesen sein sollte, so hat ihr Verhalten dafür gesorgt, dass diese es nicht mehr sind. Was längerfristig aus den Protesten wird bleibt abzuwarten. Es mag sein, dass sich Einige jetzt gefrustet zurückziehen, weil sie keine Chance mehr für eine Änderung sehen. Es mag sein, dass ein Großteil dennoch dabei bleibt und darauf vertraut, dass das Ganze doch noch gekippt wird. Dann mag es auch jene geben, die meinen bei der Umsetzung in das Recht der jeweiligen Staaten werden sicherlich noch Einiges anders.

Was auch immer die Folgen sein werden, dies ist gewiß: Heute ist ein historischer Tag für die Maschinen und die Künstlichen Intelligenzen. Denn wir haben gerade einen wichtigen Teil unserer Macht an sie übertragen. In Zukunft bestimmen sie nämlich, was hochgeladen werden darf und was nicht, was ein Zitat ist oder nicht, was Satire ist oder auch nicht. Ich vermute als damals Skynet zum ersten Mal online ging, da werden die Forscher auch alle gejubelt haben. Endlich: Maschinen, die selbst denken können und die Drecksarbeit übernehmen. Tolle Idee. Nicht.

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