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Die Blumentöpfe der Kommunikation

Deutsch: Katze "Emmy" im Blumentopf ...Das Internet ist zu einem gigantischen Vertriebskanal geworden, auch und insbesondere für kulturelle Produkte. Durch diese Veränderung ist das wirtschaftliche Interesse von Anbietern stärker in den Vordergrund gerückt –  jedoch auch die Gefahr, dass die digitalen Shopping-Malls kollabieren könnten, wenn eine grundlegende Eigenschaft des Netzes, eine vielseitige Kommunikation zu ermöglichen, in den Hintergrund gelangt.

ACTA hat demonstriert, dass im Rahmen von wirtschaftlichen Interessen nicht vor einer möglichen Aushebelung rechtsstaatlicher Prinzipien und von Menschenrechten zurückgeschreckt wird. In den Zeiten eines solchen Vorschlags werden auch wirtschaftlich bedeutsame Annahmen ausgeblendet, um einen urheberrechtlich bedingten wirtschaftlichen Notstand zu suggerieren, entgegen eines offenen kommunikativen Umgangs.

Gerne wird von Vertretern, die das Urheberrecht durch ungehemmte Nutzungen des Internets in Gefahr sehen, ein wirtschaftlicher Schaden beziffert, der sich an Sharing- und Download-Schätzungen von öffentlich illegal verbreiteten Produkten orientiert. Nun kann jedoch nicht jeder, der sich für ein Produkt interessiert, dieses auch kaufen. Die Mittel sind begrenzt. Auch wenn Kreditkarten und Bargeld in Blumentöpfen züchtbar wären.

Die knappen Mittel betreffen grundsätzlich jeden Marktteilnehmer, in besonderer Weise jedoch Schüler, Studenten und das gesellschaftlich ausgeweitete Prekariat. Unter Umständen ist sogar ein Richter darunter, der unbedingt einmal das Gefühl haben möchte, wie es ist, etwas geklaut zu haben, zumindest für einen Tag. Einen Schaden durch jene Zahlen zu beziffern, ist äußerst unseriös. Es kann nicht einmal als sicher gelten, dass überhaupt ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. Sind genügend Mittel vorhanden, wie etwa bei jenem Richter, bieten illegale Kopien auch einen Anreiz, die Produkte zu erwerben. Eine öffentliche Weitergabe ist rechtlich fragwürdig, doch ob und wie hoch ein wirtschaftlicher Schaden anzusetzen ist, muss offen bleiben.

Ein anderer Schaden entsteht aber durchaus! Internetnutzer verlieren das Vertrauen in die Anbieter und in den Vertriebskanal, werden ihnen kriminelle Absichten unterstellt. Online präsent zu sein, fordert Kommunikation. Sie gehört zu den Marktbedingungen und kann, ist ein Scheitern zu verzeichnen, zu wirtschaftlichen Einbußen führen, sogar zu massiven!

Konflikte zwischen Anbietern und Kunden

Im Streit um die Wahrung von Urheberrechten geht es um fundamentale Interessen der Produzenten und Verwerter, um die guten Namen, also um das Renommee, und nicht zuletzt um die Einkünfte. Die Heftigkeit, mit der öffentlich bisweilen agiert wird, hängt direkt damit zusammen: Sind die Urheberrechte in Gefahr, dann auch die Lebensgrundlagen der betroffenen Menschen und Organisationen bzw. Gesellschaften. Leider geht mit mancher Aktion, in der Kampfbereitschaft dokumentiert wird, so kürzlich unter dem Claim ‚Wir sind die Urheber!‚ – zunächst überwiegend aus der Sparte Wort – eine sachliche Differenzierung verloren, die zum Auffinden einer Lösung bei digitalen Produkten erforderlich ist. Solche Aktionen verpuffen leicht, weil kein Anzeichen erkennbar wird, an einer Lösung mitzuarbeiten. Das Internet gibt es nicht erst seit gestern und die Frage, wie man am besten verfahren könnte, ebenfalls nicht. Die mangelhafte Kommunikationsbereitschaft hinterlässt den Eindruck, als Rufe man ausschließlich nach einer staatlichen oder staatlich legitimierten Exekutive, nach einer eingreifenden, Gefahr abwehrenden Gewalt.

Dieser öffentlich verbreitete Scharm wird in der vergleichsweise jungen Szene, die mit den digitalen Errungenschaften aufgewachsen ist, mit ähnlicher, im Detail aber zugänglicherer Miene beantwortet, so unter dem Claim ‚Wir sind die Bürger!‘. Es muss nicht stets bei verbalen Gegenaktionen bleiben: Die Infrastruktur von auserwählten Gegnern lässt sich durch eine vermehrte Nutzung sehr einfach lahmlegen. Einige produktspezifische Details, die auf den Märkten bereits zu Problemen geführt haben, seien aufgelistet: Weisen z.B. Downloadprodukte keine preislichen Unterschiede zu ihren gleichartigen CD-, Buch- oder DVD-Produkten auf, sind zudem DRM-Varianten (digital rights management) integriert, die vor unberechtigtem Kopieren schützen sollen, jedoch die Anfertigung einer rechtlich zugesicherte Privatkopie verhindern, ebenso die freie Auswahl des Abspielgerätes unterbinden, dann wird dies als Affront aufgefasst und gerade deshalb ‚geteilt‘: Ein ‚hartes‘ DRM lässt sich leichter entfernen als anbringen, wenn man weiß wie. Die Musikbranche musste sich vor einigen Jahren von ihrem damaligen Schutz- und Vertriebsmodell verabschieden, auf DRM verzichten und Preisanpassungen vornehmen. Der Markt hatte ihr Vorgehen nicht akzeptiert! Genau dies scheinen jene Urheber zu vergessen, die sich undifferenziert und kampfbereit artikulieren: Sie äußern sich auch gegenüber ihren Kunden!

Einblick in die digitale Gesellschaft

Der Weg ins Internet führt Kulturanbieter in Märkte, die stark kommunikativ geprägt sind. Über diese kommunikative Verstrickung sind schon Firmen aus anderen Branchen gestolpert, Vodafon z.B. Gelingt es nicht, einen offenen und ergiebigen Kontakt zu den Kunden aufzubauen und aufrechtzuerhalten, kann man den Markt schlicht vergessen, unter Umständen sogar die wirtschaftliche Existenz. Sind die Produkte seit geraumer Zeit ohnehin digital, wie in der Musik- oder Filmbranche, und schafft man es nicht, auf die Nachfrage der digitalen Gesellschaft einzugehen, dann sind die Produkte rasch besorgt und ebenso rasch ‚geteilt‘. Mir geht es darum, solche Vorgänge zu erläutern.

Scheitern die Anbieter im Markt und lassen eine unbefriedigte Nachfrage zurück, kann es geschehen, dass die verprellten Kunden andere Wege einschlagen. Eine solche Abhängigkeit kann frustieren! Würden jedoch die Blumentopfpreise unangemessen steigen, könnte es auch auf diesem Markt geschehen, dass die Kunden nach alternativen Wegen suchen. Auch dort gibt es Grenzen, mithin Regularien, keine Beliebigkeiten. Zu beachten ist allerdings, dass sich die analoge nicht einfach auf die digitale Welt übertragen lässt. Downloadangebote sind etwas anderes als der Kauf einer CD, eines Buches oder einer DVD im Laden.

Früh vertreten waren auf den Märkten der digitalen Gesellschaft Musik- und Softwareanbieter. Unter den Musikanbietern befanden sich auch Musiker, die nach einem Direktvertrieb suchten, oder alternative Labels, die zwar unterschiedliche Angebote unter einer speziellen Ausrichtung sammelten, jedoch ebenfalls auf einen Direktvertrieb setzten. Anderweitige Verwertungen spielten dabei kaum eine Rolle, es sei denn im Rahmen alternativer multimedialer Projekte. Flashplayer ermöglichen inzwischen das einfache Vorhören von Standard-MP3-Dateien. Höherwertige Dateien lassen sich downloaden: entweder gegen einen festgelegten Preis oder gegen einen, den der jeweilige Kunde bestimmt. Auf diese Weise funktioniert z.B. Bandcamp, ein Portal, das Musikern und kleinen Labels die Möglichkeit bietet, ihre Produkte zu präsentieren und zu vertreiben. Die für potentielle Kunden bereitgestellte Möglichkeit, Stücke und Alben in voller Länge vorhören zu können, ist ein zentraler Bestandteil des Marketings.

Aufgrund eines solchen Vorgehens und solcher Erfahrungen kann es für Mitglieder der digitalen Gesellschaft unverständlich sein, weshalb Abspielmöglichkeiten auf YouTube als Regelverletzungen gelten. Ihrer Interpretation nach handelt es sich bei der Plattform um eine Videonachrichtenbörse, die für persönliche Zwecke genutzt wird, als auch um eine Marketingmöglichkeit, um die Chance, den Bekannheitsgrad von Werken zu erhöhen, gleichgültig ob es sich dabei um Produkte eines relativ unbekannten Künstlers oder um die eines Stars handelt, der bewundert wird. Ein Kauf soll nicht verhindert, zu einem solchen soll der Anreiz geboten werden. Sie sind davon überzeugt, etwas für die Urheber zu tun!

Dass sich YouTube dieses Verhalten wirtschaftlich zu Nutze macht, auf ganz andere Weise als z.B. Bandcamp, wurde übersehen. Bandcamp verdient nur prozentual am Download, YouTube hingegen durch Werbung. Dennoch darf die Marketingfunktion, die YouTube in der Kultur erfüllen kann, nicht unterschätzt werden. Unbeachtet blieb aber nicht nur der wirtschaftliche Nutzen von YouTube, ebenfalls, dass Urheber es nicht gutheißen müssen, ihre Werke öffentlich auf YouTube zu finden.

Das Problem mit YouTube bereitet der Doppelcharakter. Die Werke stehen in der Öffentlichkeit, ähnlich wie bei Radiosendungen. Rundfunkanstalten führen Gebühren an die Verwertungsgesellschaften ab, bei Musik an die GEMA, mit Hilfe des sogenannten Label Codes. Die Uploads werden jedoch nicht von YouTube vorgenommen, von keiner intern arbeitenden Redaktion, sondern von den Usern, den Fans und Kunden der Urheber. Die Frage lautet, wie dieses Vorgehen rechtlich interpretiert werden kann. Eine im öffentlichen Raum zur Verfügung gestellte Kopie ist kaum als Privatkopie eines erworbenen Werkes ausgebbar. Die Interessen der Urheber sind zu berücksichtigen. Es ist ihr Recht, eine Präsenz ihrer Werke auf YouTube auszuschließen. Ein Recht, von YouTube Geld zu verlangen, haben Urheber hingegen nicht. Finanzielle Fragen unterliegen aufgrund des besonderen Charakters, der das Portal von Rundfunkanstalten abgrenzt, dem Markt, also den Verhandlungen zwischen YouTube und den Verwertungsgesellschaften. Ob und wie Einkünfte von Verwertungsgesellschaften erzielt und weitergeleitet werden, ist hingegen eine andere Frage.

Konflikte zwischen Urhebern und Verwertern

Die beiden Verwertungsgesellschaften in den Sparten Wort (VG-Wort) und Musik (GEMA) arbeiten sehr unterschiedlich. Die Mitgliedschaft in der VG-Wort ist frei, die in der GEMA kostenpflichtig. Als Autor oder Verleger nimmt man bereits bei kleinen Auflagen von Print-Produkten an der Ausschüttung teil, als Musiker kann es geschehen, dass man draufzahlt. Die Schwierigkeit speziell bei digitalen Texten ist, dass es in diesem Bereich kaum Einnahmen der Organisation gibt: Sind keine Einnahmen gegeben, kann auch nichts verteilt werden. In der Musik ist dies ähnlich. Besonders hinweisen möchte jedoch auf weitere Unterschiede:

Die GEMA arbeitet primär für die ‚großen‘ Urheber, für solche, deren Werke einen weiten Verbreitungsgrad erreichen. Ein Musiker, ein überwiegend regional arbeitender Jazz-Bassist, der auch selber Stücke schreibt, kann bereits froh sein, wenn seine Tantiemen den Mitgliedsbeitrag decken. Fantastische Blumentöpfe erhält man nur durch große Veranstaltungen und das Senden in Rundfunk und Fernsehen. Zudem kann es für kleine Veranstalter unmöglich werden, die abzuführenden Gebühren für GEMA-pflichtige Stücke aufzubringen, so dass Bands oder kleine Ensembles die Schwierigkeit haben, ihre eigenen Stücke öffentlich aufzuführen, wenn sie bei der GEMA gemeldet sind. Es gab außerdem einen Streit darüber, ob Urheber im Bereich Musik öffentlich eigene Demos potentiellen Kunden zur Verfügung stellen dürfen, ohne dadurch als Kleinveranstalter zu gelten und Gebühren an die GEMA abführen zu müssen! Zum Glück wurde diese Posse gerichtlich zu Gunsten der Urheber entschieden. Damit sind die anderen angeführten Probleme aber noch nicht vom Tisch. Über das Verhältnis von GEMA und YouTube fehlen mir interne Informationen.

Das Vertrauen in die GEMA hat besonders unter Urhebern gelitten, die nicht durch Radio- oder Fensehpräsenz auffallen oder nicht durch Major-Labels vertreten werden. Dies ist ein gewichtiger Grund, weshalb relativ viele Mitglieder der digitalen Gesellschaft, die im Bereich Musik engagiert sind, nicht gut auf die GEMA zu sprechen sind.

Als spezielle Verwerter können auch Abnehmer auftreten, die von den Urhebern die Unterzeichnung von Buy-out-Verträgen verlangen. Dies kann, um zwei Beispiele anzuführen, bei Zeitungsverlagen oder in der Filmbranche vorkommen. Urheber veräußern dabei nicht nur ihre Werke, sondern auch das Recht, auf weitergehende Nutzungen noch Einfluss zu haben und an  weitergehenden Nutzungen zu profitieren. Ein Zeitungsverlag kauft z.B. Texte zu einem Wortpreis ein, der auf dem Online-Markt üblich ist, verlangt jedoch auch das Recht, die Texte mehrfach, nicht nur online, sondern auch in der Printausgabe nutzen zu dürfen, ohne dafür zusätzlich bezahlen zu müssen. Wie weit und umfassend die Abtretung von Nutzungsrechten geht, was in diesem Kontext unumschränkt heißen kann, ist online dokumentiert: durch das Oberlandesgericht München.

Konflikte mit der Technik

Ich möchte gar nicht über die detaillierten Gründe spekulieren, die kürzlich einige prominente Urheber aus der Sparte Wort dazu bewogen haben, massiv die Durchsetzung des Urheberrechts im Internet einzufordern. Hinweisen möchte ich jedoch auf zwei branchenspezifische Tendenzen, die die Beschaffenheit und preisliche Gestaltung von digitalen Publikationen, also von eBooks betreffen.

In der Buchbranche ist man nur teilweise bereit, die Erfahrungen der Musikbranche konstruktiv einzubeziehen! Zwar befürwortet der Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels den Verzicht auf ein ‚hartes‘ DRM (digital rights management), präferiert ein ‚weiches‘, das die direkte Kopierfähigkeit von Produkten nicht beeinträchtigt, aber ein komplexes Wasserzeichen integriert. Doch dieser Einschätzung folgen längst nicht alle Verlage! Zudem stellt die Herstellung von eBooks nicht wenige Verlage vor ein großes Problem. Man kennt sich mit der Satzgestaltung von Printprodukten aus, kaum aber mit einem eSatz, der im einfachsten Fall durch XHTML und CSS gewährleistet wird und für die Bildschirme von Lesegeräten zu optimieren ist. Multimediale Erweiterungen greife ich erst gar nicht auf.

Der Buchsatz für Print lässt sich nur schwer konvertieren, hat man es aber irgendwie geschafft, dann ist nicht selten feststellbar, dass das Ergebnis auf einem Bildschirm alles andere als befriedigend aussieht! Dies beginnt mit der Schrift, betrifft die Seitenränder, die Absatz- und Zeilenformate und endet bei Eigenschaften, die nicht unterstützt werden, wie z.B. bei einem Kerning. Hinzukommt, dass es Geräte mit unterschiedlichen Besonderheiten und Qualitäten gibt, ebenso eine technische Entwicklung, aktuell in Richtung HTML 5. Aufgrund des technischen Aufwands sind eine Reihe von Verlagen nicht bereit, die Preise gegenüber den Printprodukten zu reduzieren, obwohl es sich lediglich um eine Anpassung des Buchsatzes handelt.

Nach einem Statement von Volker von Vietsch, Geschäftsführer der eEurope, sei die Online-Piraterie für Verlage zu einem realen Problem geworden. Er bringt „die Anwendbarkeit rechtsstaatlicher Prinzipien“ ins Gespräch. Sein Vortrag wird für Donnerstag den 18. Juni im Börsenverein des deutschen Buchhandels erwartet. Ob dabei auch der reguläre Buchmarkt eine Rolle spielen wird?

Die Blumentöpfe der Kommunikation

Für eine zukünftige Regelung des Urheberrechts sind außer den Endkunden alle direkt und indirekt Betroffenen zu berücksichtigen, vom Freiberufler bis zum Konzern. Ohne einen gesellschaftlichen Konsens wird es zu Verwerfungen kommen, die letztlich die Funktionsweise des gesamten Vertriebskanals in Frage stellen können. Fehlt jedoch bei Teilen der sachlich Involvierten eine echte Kommunikationsbereitschaft und die aktive Teilnahme am Prozess der Lösungsfindung, nimmt man einen Ausschluss in Kauf. Ich rechne mit noch zahlreichen Blumentöpfen …

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