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Linkspartei und Grüne mit typischem Beissreflex – Thilo Sarrazin in Duisburg

sarrazin11 Am Montag liest Thilo Sarrazin im Duisburger Lehmbruck-Museeum aus seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“. Sarrazin folgt damit einer Einladung des Fotografen und Künstlers Horst Wackerbarth, der zur Zeit die Ausstellung „Here & There“ im Lehmbruck zeigt. Eigentlich wäre damit schon alles wesentliche geschrieben, wenn es sich nicht um Sarrazin und vor allem um Duisburg handeln würde. Kurz nach Bekanntwerden des Termins schlug der folkloristische Beissreflex jener zu, die Sarrazin als Volksverhetzer und Rassisten sehen. Roland Busche, Mitglied im Kuratorium der Stiftung Wilhelm Lehmbruck, und Bezirksvertreter der Linkspartei in Homberg/Ruhrort/Baerl, führte den Tross der Entrüsteten an. „In Duisburg darf es keinen Platz für Rassisten geben und schon gar nicht in einem Museum, das einem Antifaschisten und Friedenskämpfer wie Lehmbruck gewidmet ist“, lässt sich Busche in der online Ausgabe der Rheinischen Post vom 20.11 zitieren. Ob sich Wilhelm Lehmbruck, der sich 1919 selbst das Leben nahm, ein ausgewiesener Antifaschist war, wollen wir Busche einfach glauben.

Doch um den Beissreflex auch inhaltlich zu betonieren, eilt ihm der ewige Pressesprecher der Linken aus dem KV Duisburg Horst Werner Rook zu Seite und holt die Kronjuwelen des linken Agitprop heraus und schreibt wie ein Kai aus der Kiste von „neoliberaler Politik“, „Kriegsführung“, „Sozialabbau“, spricht von „konservativen Politikern und deren Schreiberlingen“, nennt Sarrazin einen Rechtspopulisten und dessen Buch ein „sozialdarwinistisches Pamphlet“.

So martialisch und überzeugend hätte man die beiden gerne am Dienstag vor der Merkez-Moschee in Duisburg Marxloh als Gegendemonstranten zur proNRW Mahnwache gesehen. Ebenso gerne hätte man auch den Vorstand der Duisburger Grünen, Matthias Schneider, auf der Warbruckstrasse angetroffen. Doch genauso wie Busche und Rook, zog Schneider es vor, der Gegendemonstration fernzubleiben. Dafür lässt er sich aber auf der Internetpräsenz der Grünen zu Sarrazin aus und schreibt: „Hier wird einem der stärksten Störer des Integrationsprozesses eine Bühne für seine rechtspopulistischen Thesen geboten, und dass ist schlicht unerträglich“. Deshalb wollen die Grünen vor dem Lehmbruck-Museeum demonstrieren, Flugblätter verteilen, Sarrazin auspfeifen („bitte Trillerpfeifen mitbringen“) und die Lichtkünstler innerhalb der Grünen sollen doch bitte mit einer Taschenlampe SOS morsen.

Wie kann ein einzelner Mann wie Thilo Sarrazin so viel Unruhe und Nervosität bei den Duisburger Politikern auslösen, als würde es sich um den Holocaust-Leugner Richard Williamson oder den Teufel him self Gary Lauk handeln? Oder anders: Würde ein Buch wie „Deutschland schafft sich ab“ soviel Staub aufwirbeln, soviel Protest bei Linke, Grüne und auch Teilen der SPD auslösen, wenn wir in Duisburg beim Thema Integration auf der Insel der Glückseeligen leben würden?

Duisburgs Hase und Igel Strategie

Im Januar 2009 veröffentlichte das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung eine Studie mit dem Titel „Ungenutzte Potentiale – Zur Lage der Integration in Deutschland“ und bescheinigte, dass in keiner anderen deutschen Großstadt die Migranten so schlecht in die deutsche Mehrheitsgesellschaft eingefügt sind wie in Duisburg. So seien in Duisburg 22% der Migranten ohne jeden Bildungsabschluss. Für unsere Stadt kommt noch die Besonderheit hinzu, dass fast die Hälfte der Migranten türkischstämmig ist. „Die Halbmillionenstadt an der Ruhr plagen unter allen untersuchten Städten die größten Probleme im Hinblick auf den Bildungsstand ihrer Migrantenbevölkerung. Duisburg hat nicht nur den höchsten Anteil gering Gebildeter, die alte Industriemetropole liegt auch beim Abiturientenanteil auf dem vorletzten und beim Akademikeranteil auf dem letzten Platz. Für die Zukunft lässt lediglich der Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund an der gymnasialen Oberstufe hoffen, der mit 37 Prozent etwa so hoch ist wie unter Einheimischen“. Weiterhin stellt die Studie fest, dass der Arbeitslosenanteil der Duisburger Migranten doppelt so hoch ist wie zum Beispiel in München. Die Hälfte der weiblichen Migranten in unserer Stadt blieben, so die Forscher, dem Arbeitsmarkt gänzlich fern. Mit 18% liegt bei den Migranten der Anteil jener, die von öffentlichen Leistungen abhängig sind, doppelt so hoch wie bei der einheimischen Bevölkerung.

Schnell versuchten die Verantwortlichen der Stadt eine eigene Studie auf den Markt zu werfen. Unter Federführung der Integrationsbeauftragten Leyla Özmal wurde die Befragung mit dem Titel „Integration zwischen Distanz und Annäherung“ im September des Jahres veröffentlicht. Diese kommt zu dem Schluss, dass die überwiegende Zahl der Migranten in Duisburg zufrieden sind und nur vier Prozent wieder zurück in ihre Heimat zurück wollen. Die Studie beschreibt mangelnde Deutschkenntnisse als größtes Integrationshemmnis. Dies sei vor allem auch der Bildungsferne von Zuwandererfrauen geschuldet (immerhin ein Umstand, den schon der Berufsbildungsbericht Duisburg aus dem Jahre 1989 feststellte). Bei den Bereichen Bildung, Sozialhilfe und Erwerbstätigkeit, kommt die Duisburger Befragung zu keinen wesentlichen Abweichungen zu der oben beschriebenen Berliner Studie.

Interessanter Weise, wird in der Özmal Studie der Kausalzusammenhang zwischen Ursache und Wirkung in nicht nachvollziehbarer Weise verdreht. So kommen die Verfasser zu dem Schluss:

„Deutsche müssen stärker auf Zuwanderer zugehen, ihre eigene Bringschuld akzeptieren […]“, denn bis „[…] heute haben viele „deutsche Duisburger“ nur unzureichend akzeptiert, dass sich die „Zuwanderer-Duisburger“ nicht nur dauerhaft in ihrer Stadt niedergelassen haben, sondern inzwischen zu einem organischen Teil dieser Stadt geworden sind“.

Wie gut die Integration von Migranten in Duisburg funktioniert, wird eindrucksvoll in einem Artikel bei „Welt Online“ vom 31.08.2010 mit dem Titel „Integration, ein deutscher Problembezirk“, in dem Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) und der ehemalige Duisburger Polizeipräsident Rolf Cebin zur Worte kommen. Wendt konstatiert, „In dem Stadtteil (Marxloh) mit über 35 Prozent nicht-deutscher Bevölkerung und hoher Arbeitslosigkeit lässt sich der Befund schlicht nicht mehr verbergen, dass Polizisten in Migrantenvierteln auf enorme Feindseligkeit stießen, die ganz überwiegend von Türkisch- oder Arabischstämmigen ausgehe.

So beschreibt Wendt eine Verfolgungsjagd durch den Duisburger Stadtteil:

„Der Wagen raste mit rund 80 Stundenkilometern durch die Tempo-30-Zone. Ein Polizeiwagen verfolgte und stoppte die Raser. Doch die türkischstämmigen Insassen waren kaum ausgestiegen, da versammelten sich weitere 40 junge Männer um den Polizeiwagen. Sie schimpften, rempelten, drohten – bis sich die Staatsgewalt zurückzog und die Raser triumphierten.“

Rolf Cebin nannte Marxloh schon 2008 einen „Angst-Raum“ und warnte vor ständig wachsender Aggression junger Ausländer. Für Polizisten sei es, so Cebin, oft unmöglich einen Unfall aufzunehmen oder Befragungen durch zu führen, da unmittelbar türkisch- oder arabischstämmige Jugendliche herbei eilen, die Polizisten beschimpfen, sie bedrängen oder sie werden sogar gewalttätig.

Die jungen Migranten neigen dazu der Polizei jegliche Autorität abzusprechen und auch schon mal die Demograhie-Drohung „Es dauert nicht mehr lang, dann sind wir in der Mehrheit“ auszusprechen.

Auch hier beeilten sich die Verantwortlichen um dieses Bild zu korrigieren. Schnell wurde Polizeisprecher Ramon van der Maat in die Bütt geschickt, um mit einer aktuellen Verbrechensstatistik die Sarrazins, die Wendts und Cebins dieser Welt zu widerlegen. So seien die aufgenommen Straftaten in Marxloh von 2560 in 2007 auf 2140 in 2009 zurück gegangen. Auch gebe es in Duisburg keine rechtsfreie Räume.

Eine Gewaltbereitschaft einiger weniger männlicher Migranten sieht die amtierende Bundesfamilienministerin Christina Schröder in ihrer aktuellen Gewaltstudie. Sie beschreibt dort u.a. eine gewaltbereite Machokultur, die ihre Wurzeln in der jeweiligen Kultur des Ursprungslandes hätte. Die Ministerin wird wörtlich aus ihrer sogenannten Gewaltstudie zitiert:Da scheint es einen Zusammenhang zu geben, dass eine erhöhte islamische Religiosität korreliert mit einer erhöhten Zustimmung zu Männlichkeitsnormen, die Gewalt legitimieren“.

Sarrazin der Spalter, Sarrazin der geschäftstüchtige Provokateur

„Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen, Basken haben bestimmte Gene, die sie von anderen unterscheiden“. Mit Sätzen und Erkenntnissen wie diesen schockte ein Mann die ganze Nation und brachte eine Diskussion in Gange, die parteiübergreifend war und auch so manche alte braune Geister auf den Plan rief. Thilo Sarrazin, der Verfasser dieser und anderer höchst kontroverser Thesen, Noch-SPD-Mitglied und ehemaliger Chefbänker, hat die Republik gespalten. Die einen jubeln ihm diskret zu, die anderen verachten das, was er schreibt und sagt. Die eigene Partei geht auf Distanz zu ihm, so weit gehend, das sie mittlerweile seinen Parteiausschluss diskutiert. Er ist ein Meister des Polarisierens, des auf den Punkt bringen von scheinbar gesellschaftlichen Problemen und Zuständen.

Er sagt, was er sieht und denkt. Er beschreibt Missstände in der Integrationspolitik, in Teilen der Sozialpolitik (Hartz-4-Empfänger) und er sucht abstruse Erklärungen für manche seiner aufgezeigten Probleme in der Genlehre. Aber er ist auch ein gewiefter Geschäftsmann. Vermutlich ahnend, welche Resonanz sein letztes Buch erreichen würde, reiste er rastlos durch die Lande und die Talkshows, um seine Ansichten unter das Volk zu bringen. Die Anfeindungen, die ihn stets begleiten, der Polizeischutz, den er bei seinen Buchlesungen benötigt, scheinen ihn nicht sonderlich zu stören.

Sarrazin wurde allein durch die Umsätze seines letzten Buches ein mehrfacher Millionär. Mit seinen Millionen ist er weiter von der Schicht entfernt, die er in seinen Büchern gern beschreibt und kritisiert.

Was man ihm zugute halten kann, ist die Eröffnung einer langen und intensiven Debatte um deutsche Integrationspolitik. Die Vorzeichen, die er für diese Debatte setzte, waren zwar höchst fragliche, erreichten aber eine bis dahin nicht gekannte Wirkung.

Er ist ein Buchautor, ein Schreiber, ein höchst erfolgreicher Schreiber. Er macht sich Gedanken um die ihn umgebende Gesellschaft. Aber seine Gedanken fruchten auf falschem Boden. Er stellt Fragen, die gestellt werden dürfen, aber seine Antworten führen in die falsche Richtung. Er spaltet bewusst, ohne Möglichkeiten zu bieten, die von ihm erschaffenen Gräben zuzuschütten. Aber seine Bücher verkaufen sich millionenfach in Deutschland. Und die Politik lässt die Menschen mit Sarrazins Ansichten und Erklärungen der Welt nach all dem Getöse um ihn mal wieder allein. Das ist nicht gut.

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