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Die Linke: Selbstbeschäftigung und Passivität

Die Mitteldeutsche Zeitung meldet in ihrer heutigen Ausgabe, das sich einige reformorientierte Parteimitglieder der Kritik von Gregor Gysi an seiner Partei angeschlossen haben. Schon gibt es die ersten Mahner aus der kommunistischen Ecke der Linkspartei, und vorneweg der NRW-Verband. Gysi hatte seiner Partei „Sebstbeschäftigung und Passivität“ attestiert.

„Wir können mit unserer strategischen Situation nicht zufrieden sein. Die Linke muss Motor sein. Dafür müssen ein paar neue Ideen her.“ Im Übrigen sei „der politische Hauptgegner“ seit der Bundestagswahl 2009 „nicht mehr die SPD„. Dies sagte Mathias Höhn, der Landesvorsitzender der Linken Sachsen-Anhalt. „Wir müssen unsere Strategie ändern. Wir brauchen einen Regierungswechsel im Bund hin zu Rot-Rot-Grün“, meint der linke MdB Jan Korte und schliesslich sagt Dietmar Bartsch, der stv. Fraktionsvorsitzenden der Linken im Bundestag: „Wir müssen zurück zur Politik, statt uns mit uns selbst zu beschäftigen.“ Alle zielen dabei ab auf die Kritik des heimlichen Parteivorsitzenden Gregor Gysi am Gesamtbild seiner Linken. Die von ihm in erster Linie Gescholtenen, die Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, sehen dies natürlich anders. Gesine Lötzsch findet „Gregor Gysis Feststellungen nicht richtig“.

Und vom Co-Vorsitzenden Ernst ist derzeit nicht viel zu diesem Thema zu vernehmen. Er gilt ohnehin als politisch angeschlagen seit seiner Diäten-und-Luxus-Debatte aus diesem Jahr.

Klaus Ernst

Nun fällt auf, das die innerparteiliche Kritik fast ausschliesslich von Parteimitgliedern aus den Ost-Verbänden, sowie Berlin, kommt. Gerade dort kann die Linke auf teils hervorragende Wahlergebnisse und Umfragewerte verweisen. Aus den West-Verbänden hingegen kommen in aller Regel die für die Gesamtpartei schädlichen Negativschlagzeilen. Während die Partei im Osten Deutschlands offensichtlich den Zugang zu den Menschen und auch zu den Konkurrenzparteien gefunden hat, dümpeln die ideologisch verblendeten Leader der Westlinken auf sehr bescheidenem Niveau vor sich hin. Da werden, wie in NRW, Wahlergebnisse von knappen 5% schon als fast erdrutschartige Siege gefeiert um gleich danach wieder in innerparteiliche Diskussionen, Streits und Lethargie zu verfallen. Dies färbt auf die ganze Partei ab. Die Lorbeeren, die sich die Partei in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und anderswo im östlichen Landesteil erworben hat, werden im westlichen Teil geradezu zerpflückt.

Und wenn die Linke im Bund mitspielen will braucht sie eine reformorientierte Veränderung. Als eine ausgewiesene Protestpartei, oder gar ausserparlamentarische Opposition (Apo) wird sie derzeit nicht mehr wahrgenommen. Diese Rolle füllen derzeit mal wieder die Grünen aus. Und eine Partei die auch, wie u.a. in Berlin, Regierungsverantwortung mit trägt, muss sich ihrer gesamtpolitischen Verantwortung bewusst sein. Apo und dabei gleichzeitig anderenorts Koalitionspartei zu sein ist den Menschen vor Ort schwer zu vermitteln.

In der parlamentarischen Demokratie lassen sich eben nun mal nur politische Ziele durch Mehrheiten umsetzen. Auch durch gesuchte Mehrheiten in anderen Parteien. Und das bedeutet dann auch Konzessionen und Kompromisse eingehen zu müssen. Dies haben die Reformkräfte um Gregor Gysi herum erkannt. Sehr zum Leidwesen der vielen innerparteilichen Hardliner, die immer noch die Systemveränderung hin zu einem sozialistischen und antikapitalistischen Staat fordern. Diese Forderung ist nicht mehrheitsfähig und auch das wird zunehmend innerhalb der Linken erkannt.

Die SPD soll dann auch nicht mehr der Hauptgegner der Linken sein, wird aus Kreisen der Reformer gefordert. Das dies der Logik entspricht, auch bundesweit eine gewichtige Rolle zu spielen, ist den Kritikern der eigenen Linkspartei zu unterstellen. Gysi hat mit seiner Kritik den Nerv seiner Partei getroffen. Und er hat, vorbei an den eigentlichen beiden Vorsitzenden, eine Debatte in Gang gebracht, die längst in dieser Partei überfällig war. Denn nicht nur ihm wird bewusst sein, das sich die Linke als eine Art Daueropposition und Protestbewegung im Westen bald verbraucht hat. Die einmalige Chance einer NRW-Regierungsbeteiligung haben die Genossen im größten Bundesland vergeigt und versemmelt. Mitglieder aus dem Osten waren es dann hingegen, die das Gespräch mit SPD und Grünen suchten, wie beispielsweise in der Runde „Das Leben ist bunter„.

Im Westen hingegen nix Neues. Jürgen Aust, Mitglied des Landesvorstandes DIE LINKE.NRW und des Sprecherkreises der AKL NRW, schreibt in einem Artikel auf dem linken Blog „scharf-links“ auch sodann seine Sorgen und Ängste einer hin zu pragmatisch-sachorientierten Reformen neigenden Linken auf. Er setzt sich dort kritisch mit dem Thesenpapier der linken Parteistömung FDS (Forum demokratischer Sozialismus) auseinander, welches ihm zu weit geht. Er ist für einen Systemwechsel.

Seine Analyse endet u.a. mit den Sätzen: „Wenn die Programmdebatte nicht nur als eine akademische Disziplin verstanden wird, sondern sich auch in den realen Kämpfen um eine andere Gesellschaft widerspiegeln soll, dann muss die LINKE sich entscheiden, ob sie einen (links)reformistischen Weg à la FDS einschlagen will, oder ob sie sich dazu durchringt, das kapitalistische Gesellschaftssystem zu überwinden.“ …….“Diese Vision einer von Ausbeutung und Unterdrückung befreiten Gesellschaft sollte das Maß an Radikalität bestimmen, an dem sich die Debatte um einen sozialistischen Gesellschaftsentwurf des 21. Jahrhunderts orientieren muss.“

Ein bemerkenswerter Aufsatz aus den Reihen des NRW-Landesvorstandes der Linken. Ob es letztlich die Mehrheitsmeinung der Gesamtpartei ist, darf bezweifelt werden, da die Stimmen der Kritiker Gewicht haben, nicht nur wegen der Prominenz einiger Namen. Die Reformkräfte innerhalb der Linkspartei sehen Rot-Rot-Grün im Bund als machbar und regierungsfähig. Was aber voraussetzt, sich den politischen Realitäten offen zu stellen. Diese neuerliche Diskussion in der Partei birgt eine gewisse Brisanz, birgt sie doch in sich die weiterhin latente Gefahr einer Spaltung in eine pragmatische Ost- und einer ideologischen Westlinken. Ob die WählerInnen aber diesen Dauerzwist bei den nächsten anstehenden Wahlen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg vor allem, honorieren werden, muss demzufolge abgewartet werden. Die Wähler mögen keinen Parteienstreit–Merkel/Westerwelle wissen davon so manches Lied zu singen.

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