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Wulff-Rede am 3. Oktober: Konservative, Missverständnisse und die Bildzeitung

„Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“

so der Bundespräsident in seiner Rede am 3. Oktober. Christian Wulff erhielt unmittelbar nach der Rede Lob aus allen Parteien. Die Spitzenpolitiker bekam sofort, als sie aus dem Saal kamen, die Mikrofone vor den Mund gehalten. Renate Künast erzielte einen Volltreffer mit der Bemerkung, sie nehme an, dass Wulff mit diesen Äußerungen vermutlich in der Union mehr anecke als im Lager seiner ursprünglichen politischen Konkurrenten. Auch ihrem Kollegen im Vorsitz der Bundestagsfraktion kam dies sogleich in den Sinn. Doppelsieg für die grüne Doppelspitze. 

Und so ließen sie nicht lange auf sich warten: die „Irritationen innerhalb der bürgerlichen Parteien, vor allem in der CSU“ („Zeit“). Die üblichen Verdächtigen ergriffen das Wort. Der Berliner CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich gab zu Protokoll: „Das unterschreibe ich nicht!“ Gemeint hatte er Wulffs Äußerung, dass der Islam Teil der deutschen Kultur sei. „Das unterschreibe ich nicht“. Als wenn Reden des Bundespräsidenten der Unterschrift der CSU-Bundestagsgruppe bedürften! Und dann natürlich, sozusagen unvermeidlich, Wolfgang Bosbach (CDU), der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses. Etwas zurückhaltender, etwas tischfeiner, aber nicht weniger deutlich: „Zwar ist der Islam inzwischen Teil der Lebenswirklichkeit in Deutschland, aber zu uns gehört die christlich-jüdische Tradition.“ 

„Wenn der Bundespräsident den Islam in Deutschland mit dem Christentum und dem Judentum gleichsetzen wollte, hielte ich das für falsch“, gibt der einschlägig aufgefallene CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis von sich. Wenn – dann. Nun wollte Wulff nicht den Islam mit dem Christentum und dem Judentum gleichsetzen, was daran erkennbar ist, dass er es gekonnt hätte, wenn er gewollt hätte. Das hat er freilich nicht, was Geis auch nicht behauptet hat. Doch wenn Wulff dies gemacht hätte, hielte Geis dies für falsch. Das musste doch mal gesagt werden. Danke, Herr Geis! Und abtreten! 

Aber. Aber. „Die Rede war missverständlich“, sagte Geis noch. Machen Sie so etwas auch? Ich meine: wenn Sie etwas nicht verstehen, merken Sie dann an, dies sei aber doch „missverständlich“? Wenn ja, dann sollten Sie über eine Mitgliedschaft in der CSU nachdenken. Denn auch Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer kritisierte Wulffs Äußerung als missverständlich. „Aus Religionsfreiheit darf nicht Religionsgleichheit werden“, forderte die frühere CSU-Generalsekretärin. Oder der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl. Er räumte zwar ein, dass es richtig sei, dass der Islam zu Deutschland gehöre.

Aber. Aber. Die Muslime blieben „aufgefordert, sich zu integrieren. Sie können ihren Glauben leben, aber im Rahmen unserer Gesetze: Grundgesetz geht vor Scharia.“ Und: „Zu Hause zu sein in diesem Land: das heißt, unsere Verfassung und die in ihr festgeschriebenen Werte zu achten und zu schützen: Zuallererst die Würde eines jeden Menschen, die Meinungsfreiheit, die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Sich an unsere gemeinsamen Regeln zu halten und unsere Art zu leben, zu akzeptieren. Wer das nicht tut, wer unser Land und seine Werte verachtet, muss mit entschlossener Gegenwehr rechnen.“ 

Okay, dies jetzt hat nicht der Uhl gesagt, auch nicht der Geis, nicht einmal die Haderthauer. Der Bosbach oder der Friedrich? – Nein, das hat Bundespräsident Wulff gesagt, in seiner Rede am 3. Oktober, direkt nach der eingangs zitierten Bemerkung, dass der Islam inzwischen auch zu Deutschland gehöre. Das ist aber auch missverständlich! „Wer unser Land und seine Werte verachtet, muss mit entschlossener Gegenwehr rechnen.“ Verstehen Sie das etwa? 

Bei einer Umfrage im Auftrag der Bildzeitung stimmten zwei Drittel der rund 1000 Befragten der Aussage von Wulff nicht zu, dass auch der Islam inzwischen zu Deutschland gehört. 24 Prozent unterstützten den Bundespräsidenten. Besonders ausgeprägt war die Ablehnung bei Anhängern von CDU, CSU und FDP, aber auch bei den Wählern der Linkspartei. Kein Wunder: die Linken haben es ja nicht so mit dem lieben Gott. Denn genau genommen ist jede Religion auch irgendwie missverständlich.

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