Website-Icon xtranews – das Newsportal aus Duisburg

Über Natur. Ein philosophischer Essay – Einleitung

Balkone – Public Domain

Kathrina Talmi, eine Autorin im Duisburger AutorenVerlag, hat mich gebeten, ihren Einleitungstext aus „Über Natur“ online zu stellen. Das Erscheinen des entstehenden philosophischen eBooks ist für den Herbst vorgesehen. Ihr primärer Gegner ist, außer der Umgangssprache, die menschliche Einbildung, wie sie selber formuliert:

 

Einleitung:

Es gibt kaum ein Wort der deutschen Umgangssprache, das missverständlicher gebildet ist als die Lautreihe ‚Natur‘. Nicht soziale Konvention, sondern der verfügbare Wissensstand könnte genutzt werden, um ein relevantes Wort ‚Natur‘ zu bilden. Dies ist gesellschaftlich nicht der Fall. Indem kulturelle, mithin primär eine menschlich soziale Tradition in den Vordergrund rückt, wird ein möglicher Einfluss von veränderlichen Wissensständen minimiert. Der staatlich und sozial als normativ geltende Duden, der seinerseits bloß ein Sammlesurium der gesellschaftlichen Schriftsprache ist, verhindert sachbezogene Neubildungen in gesellschaftlicher Breite, verschiebt relevante Diskussionen in Expertengremien aus Wissenschaftlern, in diesem Fall aus Naturwissenschaftlern mit ihren Expertensprachen, erschwert eine rudimentäre Bildungsmöglichkeit der Bevölkerung im Erlernen von Sprache. Resultat ist die sozial vorherrschende Umgangssprache und ihre sachliche Unrelevanz. Ich fasse dies als ‚gesellschaftliche Esoterik‘.

Kaum ein Wissensgebiet hat seit dem 20. Jhd. solche rasanten Veränderungen erleben lassen wie die Naturwissenschaften. Seit den 20er Jahren – im Zuge von physikalischen, speziell quantenmechanischen Experimenten -, gibt es keine Naturgesetze mehr, sondern lediglich Naturwahrscheinlichkeiten, die auf statistischen Annahmen beruhen. Diese sind relativ, z.B. im Fall der Gravitation, die nicht nur auf dem Mond der Erde anders ausfällt als auf der Erde, wie Videos leicht demonstrieren können, sondern auch auf dem Mars. Solche Veränderungen lassen sich sogar auf der Erde erleben: während eines Parabelflugs; auch von solchen Flügen gibt es Aufzeichnungen. Die Gravitation ist keine absolute Kraft, sondern ein relativer Wert, in Abhängigkeit von den jeweiligen Bedingungen.

Statistische Wahrscheinlichkeiten von eventuell erwartbaren / voraussagbaren Vorgängen bzw. Ereignissen stehen nicht nur in Relation zu jenen, die unabhängig von menschlichen Einflüssen geschehen – die jeweilige Gravitation lässt sich bislang von Menschen nicht verändern -, sondern auch zu menschlichen Verhaltensweisen. In der Soziologie und in der Wirtschaftswissenschaft gelten ebenfalls statistische Wahrscheinlichkeiten, keine absoluten Gesetze. Die Sicherheit von Voraussagen ist im Zusammenhang mit Menschen zwar geringer, aufgrund der jeweiligen menschlichen Wahlmöglichkeiten, dennoch bietet jeder kausale Erklärungsansatz für menschliches Verhalten eine mögliche (stastistische) Determination. Menschen sind methodisch lediglich eine der tierischen Arten, von denen sich Menschen umgangssprachlich abgegrenzt sehen.

Natürlich gibt es über die Stellung der Menschen auch wissenschaftlich Streit. Besonders einige Archäologen und Anthropologen betonen einen Unterschied zu anderen Tieren: Menschen würden nicht nur irgendwas als Werkzeug nutzen, sondern fertigen auch Werkzeuge an. Diese Ansicht ist verhaltensbiologisch allerdings veraltet, wie z.B. ein Blick auf Krähen zeigen kann. Verantwortlich für die Kreativität unter Tieren ist die relative Hirngröße zur Körpergröße. Bei einer Reihe von Tieren fällt die relative Hirngröße überdimensional aus. Wissenschaftlich ist eine soziale Herrschaft des Menschen nicht zu retten, auch wenn es immer mal wieder Journalisten gibt, die eine alte, ehemals religiös motivierte Herrlichkeit der Menschen feiern.

Die Erfindungsgabe von Menschen wäre ohne Annahmen darüber, wie Natur funktioniert, kaum gediehen. Die Statik von Gebäuden hätte niemals ermittelt werden können, die Eigenschaften von Materialen zur weiteren Verarbeitung wären unbekannt geblieben, über die Natur hinaus reichen lediglich religiöse oder metaphysische Spekulationen, nichts, was tatsächlich innovativ gewesen wäre.
In dem Essay „Über Natur” kläre ich darüber auf, was Natur ist und was alles auf Annahmen über Natur beruht, über die unbelebte als auch belebte. Ein Balkon ist in diesem Zusammenhang nichts als ein Naturphänomen, weil dieser und seine Statik den Naturwahrscheinlichkeiten unterliegt, unabhängig davon, welche Bedeutungen bzw. Relevanzen ihm von menschlicher Seite aus zukommen mögen. Mein primärer Gegner ist die menschliche Einbildung.

Die mobile Version verlassen