Diese ganzen Sicherheitsmaßnahmen dienten nur einem Zweck: den umstrittenen Buchautoren Thilo Sarrazin zu schützen, der an diesem Abend aus seinem Buch lesen und später mit dem Künstler Horst Wackerbarth auf der roten Couch diskutieren wollte. Obwohl das Wetter nicht grade dazu einlud überhaupt vor die Tür zu gehen, füllte sich gegen 18 Uhr langsam das Museum. Vor dem Park in Höhe des „Davids“ sammelten sich die ersten Demonstranten, für die es unerträglich erschien, dass Duisburg einem „Hetzer“ wie Sarrazin eine solche Plattform bot.
Von der Polizei unbemerkt hatten sich mehrere Zweiergruppen, die sich mehrheitlich aus Anhängern der Montagsdemonstration rekrutierten, bis vor die Eingangstüre des Museums laviert. Hier versuchten die Sarrazin-Gegner mit den Besuchern in einen Dialog zu treten, der schon ansatzweise zum Scheitern verurteilt war. Um das Chaos zu komplettieren, lösten sich etwa 50 Leute aus der
Während sich draußen die Demonstranten die Seele aus dem Leib schrien, wird drinnen Thilo Sarrazin, der es vorgezogen hatte durch einen Nebeneingang hereinzukommen, von Museumsleiter Raimund Stecker begrüßt. Wackerbarth ging derweil eine Zigarette rauchen.
Sarrazin erzählte, wie er zu dem Buchtitel gekommen ist, gab Statistiken wieder und wiederholt seine kontroversen Thesen. „Thilo steig ins Auto ein, lass den Haider nicht allein“, wurde unterdessen vor dem Veranstaltungsort skandiert.
Bis zu diesem Zeitpunkt lief alles nach Plan: Drinnen der Selbstdarsteller Sarrazin, draußen jene, die ihn für das hassen, was er darstellt. Es sind die Sarrazinschen Zahlenkolonnen, die so ermüdend auf das Publikum wirken. Nach einer guten Stunde endete sein Vortrag und er setzte sich zu Wackerbarth und dem Duisburger Kulturdezernenten Karl Janssen auf die rote Couch.
Es begann eine Diskussion unter Beteiligung des Publikums, welches zu etwa 50% aus Sarrazin-Anhängern, 40% aus neutralen Zuhören und zu einem kleinen Rest von absoluten Sarrazin-Kritikern.. Es wurde von den bösen Türken gesprochen, vom Zuzug in „unsere“ Sozialsysteme, sogar von Schmarotzertum. Sarrazin blühte förmlich auf.
Nun kann Karl Janssen nicht mehr an sich halten. Dies sei „rechtspopulistischer Quatsch“, den Sarrazin davon sich gibt, schäumte es aus ihm heraus. Voller Inbrunst weißt der Kulturdezernent daraufhin, dass die Migranten ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft sind und auch in hohem Masse an unserem Wohlstand mitgearbeitet hätten. Janssen wird von den Sarrazin-Anhänger ausgelacht. Der Schlagabtausch geht in die nächste Runde. Raimund Stecker, der zwischenzeitlich sehr unentspannt die Zuschauerreihen abgeschritten ist, greift moderierend ein, um der Stammtischnummer ein Ende zu bereiten. Als Stecker die Diskussion für beendet erklärt, holen die Sarrazin-Fans ihre mitgebrachten Ausgaben von „Deutschland schafft sich ab“ raus und folgen ihrem Idol in den hinteren Teil des Museum, um es sich signieren zu lassen. Sie lassen es sich nicht nehmem und beglückwünschen Sarrazin für seinen Mut zur Offenheit.
„Das ist Volkesstimme“ beschreibt Alt-Bürgermeister Heinz Pletziger die ausländerfeindliche Stimmung aus Teilen des Publikums und die kruden Thesen Sarrazins. Es habe ihm wirklich gut gefallen was Sarrazin gesagt hat und auf Kritik von Irene Janssen, die die Veranstaltung als degoutant erlebt hatte, raunzt Pletziger „du kannst doch gar nicht mitreden, du wohnst doch in Münster“. Pletziger diskutiert mit einer kleinen Gruppe weiter über die Deutschen und deren Erfolge, über deutsche Geschichte. Er wird gefragt was denn mit den Millionen vergaster Juden in den Konzentrationslager sei, worauf er lapidar antwortete, dass es sich dabei doch nicht um Deutsche gehandelt habe. Selbst auf Nachfrage eines Mitdiskutanten wiederholte er diese Äußerung. Nur eine Viertelstunde später will er uns gegenüber so etwas nie gesagt haben wollen.
An diesem Abend ist viel auf der Strecke geblieben. Die sehenswerte Ausstellung von Horst Wackerbarth, die nur von wenigen wahrgenommen wurde. Oder die Diskussionskultur, die an diesem Abend eher aus einem übereinander statt einem miteinander geprägt war. Es bleibt aber vor allem das schale Gefühl, dass Menschen wie Sarrazin oder Pletziger einen irreparablen Flurschaden anrichten.
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