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Gute bürgerliche Küche: Gurkentruppe an Wildsau

Bild: kochecke.at

Bild: kochecke.at

Kurioserweise hört die Bundesregierung es nicht so gern, dass sie eine schwarz-gelbe Koalition ist. Irgendwelche Semantiker müssen den Damen und Herren gesagt haben, dass „christlich-liberal“ sich eigentlich viel besser anhöre als die beiden Tigerentenfarben. Und dass am schönsten das Wort „bürgerlich“ sei. Also: eine bürgerliche Koalition; drei bürgerliche Parteien bilden eine bürgerliche Regierung.

Bürgerlich, das klingt gut. Denn in einer Demokratie haben die Bürgerinnen und Bürger das Sagen und sonst niemand. Bürgerlich, das klingt sowohl nach „normalen“ Menschen, als auch nach bürgerlichen Tugenden. Seriös, solide, gepflegt und anständig. Gute bürgerliche Küche. Also: nicht piekfein oder gar überkandidelt – das wäre nur etwas für die Reichen und für geldverprassende Möchtegerne. Bürgerlich, das steht für gutes Benehmen, anständige Manieren, freundlicher, aber doch respektvoller Umgang miteinander.
Sozialdemokraten, darüber ist man sich auf dieser Seite einig, können gar nicht bürgerlich sein. Dabei hatte ich mich eigentlich auch immer für einen Bürger gehalten. Und außerdem glaube ich, die bürgerlichen Umgangsvorschriften nicht nur im Großen und Ganzen zu beherrschen, sondern auch – wenngleich nur schlecht und recht – einzuhalten. Trotzdem, darüber scheinen sich auch die Medien weitgehend einig zu sein: ein Bürger darf ich gegebenenfalls zur Not noch sein. Aber bürgerlich – das sind nur die Anderen.

Wer, wie ich zum Beispiel, aus kleinen Verhältnissen kommt, darf und kann offenbar gar nicht bürgerlich sein. Und wer von oben kommt, aber will, dass Politik auch und gerade für die kleinen Leute da zu sein hat, scheint das Recht verwirkt zu haben, den Ehrentitel „bürgerlich“ zu tragen. So erklärte ich mir bislang jedenfalls den Stolz der Herrschaften aus Union und FDP, einer „bürgerlichen Koalition“ anzugehören.
Seit dem letzten Wochenende werde ich das Gefühl nicht los, dass ich das mit den bürgerlichen Umgangsformen scheinbar doch nicht richtig verstanden habe. Da sagte der Daniel Bahr, FDP-Staatssekretär im Gesundheitsministerium: „Die CSU ist als Wildsau aufgetreten.“ Ein klarer Fall für einen Generalsekretär; der heißt bei der CSU Alexander Dobrindt, und der konterte mit: „Bei den Liberalen sind die Sicherungen durchgeknallt.“
Außerdem entwickle sich die FDP – so drückt sich der Dobrindt von der CSU aus, nicht ich – zu einer „gesundheitspolitischen Gurkentruppe“. CSU-Boss Seehofer hatte dann auf einer Kundgebung in Bayern gesagt, er sei „besonders glücklich“, die Kopfpauschale verhindert zu haben. Das ist natürlich zulässig, wenngleich etwas verfrüht und überdies nicht ganz richtig gebrüllt.

Darüber hat sich nun der Generalsekretär der FDP maßlos aufgeregt. Das ist der Christian Lindner, auch so eine Nachwuchshoffnung wie Bahr (oder Rösler). Und weil Seehofer sein Glücksgefühl auf dem bayrischen Marktplatz noch mit der Bemerkung „Da bin ich Überzeugungstäter“ angereichert hatte, fand Lindner es angemessen, ihm, also Seehofer, ein „persönliches Trauma“ zu attestieren, weshalb sich jetzt alle gesetzlich Krankenversicherten einer Traumatherapie unterziehen müssten.
Ich könnte noch weitere Äußerungen, mit denen sich die „bürgerlichen“ Spitzenpolitiker letztes Wochenende wechselseitig belegt hatten, anführen. Sie standen auch allesamt in der Zeitung; doch ich denke: es soll reichen. Das fand dann auch der Parteichef der FDP, als er erklärte, bei der Gesundheitsreform handele es sich um eine Herkulesaufgabe (!). Wenn ein gutes Ergebnis erzielt werden solle, so Westerwelle, müssten alle mitgenommen werden. Alle Bürgerlichen, nehme ich an. Wörtlich: „Und das erfordert ganz viel Liebe und Geduld.“

Am letzten Wochenende gingen diese Herrschaften in Klausur. Eine Gesundheitsreform ist – erfreulicherweise! – nicht dabei herausgekommen. Was aus der Kopfpauschale werden soll, ist allenfalls ansatzweise zu erahnen. Ansonsten hatte man sich nur vorgenommen, ein Sparmenü zusammenzustellen. Gute bürgerliche Küche: Gurkentruppe an Wildsau.

Wie sich das gepflegte bürgerliche Sparmenü im einzelnen zusammensetzt, steht – nebst Preisliste – z.B. hier.

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