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Szenen einer Ehe: zwei Stimmen auf einer Augenhöhe

 


Augenhöhe (Bild: em-de.de)

Sich zu ärgern, nützt genau genommen niemandem, kann aber ganz schön schaden. Allerdings weniger dem Ärgernis, was dem sich Ärgernden noch so einigermaßen schmecken dürfte, sondern mehr diesem selbst. Dumme Sache …

Nun hatte ich Ihnen gestern erzählt, dass Daniela Schneckenburger sich geärgert hatte. Allerdings noch nicht so genau worüber. Über wen war klar: über die SPD als solche und in Sonderheit über deren Vorsitzenden und deren Generalsekretärin. Also über Sigmar Gabriel und Andrea Nahles, klar. Daniela Schneckenburger ist – das ist ebenso klar, mindestens ebenso klar, möchte ich sagen – Landesvorsitzende der Grünen in NRW.
Richtig sauer war sie, die Daniela Schneckenburger. Hören Sie mal hin! „Eine Arbeitsteilung, von der nur einer profitiert, kommt für eine eigenständige Partei wie uns nicht infrage“, sagte die Politikerin: „Wir machen die Tür zu unserem Garten nur auf, wenn die SPD auch die zu ihrem Garten aufmacht.“ Ja, da hat sie aber auch Recht. Sie hat einfach keinen Bock, sich von der SPD bescheißen zu lassen. Den Bock zum Gärtner machen?! Nicht mit Frau Schneckenburger!

Die SPD´ler müssen ihre Gartentür aufmachen; sonst bleibt die grüne eben auch zu. Fertig! Wobei ich an dieser Stelle fragen möchte, woran sich eigentlich der Charakter sowohl der Arbeitsteilung als auch der jeweiligen Eigenständigkeit festmacht, wenn man im Grunde nur noch einen, zwar größeren, aber eben halt nur noch einen Garten hat.
Doch es wäre gewiss unfair, die Dialektik von Eigenständigkeit und Arbeitsteilung mit all ihren Nebenfolgen mit Daniela Schneckenburger erörtern zu wollen. Grenzen wir den rot-grünen Garten also etwas ein und beschränken uns auf den Kern ihres Anliegens: die Roten sollen die Tür aufmachen!
Fair solle man miteinander umgehen, hat sie gesagt, weil Gabriel und Nahles irgendwie unfair waren. Die Nahles hatte nämlich zuvor gesagt, dass die grüne Basis Rot-Grün will. Starkes Stück, nicht wahr! Okay, das ist „zwar richtig“, sagt auch Frau Schneckenburger.
Dann sollte Andrea Nahles aber auch sagen, dass die SPD-Basis ebenfalls Rot-Grün und nicht etwa eine große Koalition will. Findet Daniela Schneckenburger, und deshalb hat sie das auch gesagt, und zwar dem „Tagespiegel“. Wörtlich, d.h. der Satz mit der Andrea Nahles hätte gut in Anführzeichen gekonnt.
Ich sage mal so: wenn sowohl die SPD-Basis als auch die grüne Basis eine rot-grüne Koalition wollen, dann müssten eigentlich diese beiden Basen nur noch die Mehrheit bei der Landtagswahl bekommen, und fertig ist die rot-grüne Koalition.
Ja, was haben Sie denn gedacht?! Basen heißt das; nicht etwa Basisen oder gar Basissen. Sie ticken doch wohl nicht sauber! Also bitte merken: eine Basis, zwei Basen, und fertig ist die Lauge.

Ja, und der Sigmar Gabriel? Was hat der Unfaires gesagt? – Unglaublich! Gabriel hatte dazu aufgerufen, bei der Wahl am 9. Mai mindestens mit der ersten Stimme SPD zu wählen. Ausgerechnet der Sigmar Gabriel!
Nachdem er zum Vorsitzenden der SPD gewählt worden war, besuchte er flugs die Grünen, um Besserung zu geloben. Die Gemeinsamkeiten der SPD mit den Grünen seien sehr groß, doch er sei sich im Klaren darüber, dass es sich bei Bündnis 90 / die Grünen um eine eigenständige Partei handele. Man habe „auf gleicher Augenhöhe“ miteinander zu sprechen.
Auch Andrea Nahles äußert sich ständig dementsprechend, gerade auch in Bezug auf NRW: „Nach Jahren des Misstrauens finden die beiden Parteien jetzt wieder zueinander“, schreiben die „Zeit“ und der „Tagesspiegel“. „Neue Liebe für Rot-Grün“, wobei jedoch schon die alte Liebe insbesondere in NRW nicht ganz so herzlich ausgefallen war.

1995 verlor die SPD unter Ministerpräsident Rau die absolute Mehrheit, was zur rot-grünen Zwangsheirat in Düsseldorf geführt hatte. Bruder Johannes war von dieser Muss-Ehe alles andere als begeistert. Mangels alter Liebe nahm die Koalition ihren zu erwartenden Verlauf: ein Gewürge ohne Ende.
Das heißt: alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Aber 2000 erhielt die rot-grüne Koalition tatsächlich noch einmal die Mehrheit. Der inzwischen parteilose Wolfgang Clement als Raus Nachfolger war der Spitzenkandidat der SPD; seine Verdienste um das Bloßstellen der Grünen in der Öffentlichkeit sind inzwischen Legende.
Clement wechselte 2002 nach Berlin, weil Schröder einen Oberhartzer brauchte, und es kam Peer Steinbrück, der ebenfalls nicht als ein Verfechter des rot-grünen Projektes das Licht der Welt erblickt hatte, aber für die Grünen nicht ganz so eine Zumutung war wie Clement.
Die Wähler hatten jedoch 2005 von dem ständigen Zoff bspw. um Garzweiler II und den Düsseldorfer Flughafen genug und schickten die damals letzte rot-grüne Koalition auf Landesebene in die Opposition, woraufhin Schröder und Müntefering Neuwahlen auf Bundesebene beschlossen. Doch obwohl die beiden diesen Entschluss gefasst hatten, ohne auch nur einen anderen Sozialdemokraten zu Rate zu ziehen, fühlten sich die Grünen in dieser ganzen Angelegenheit irgendwie übergangen.
Na klar: wenn eine Ehe in die Brüche geht, ist nie nur einer schuld. Ein Verhältnis ist immer ein Verhältnis. Doch wenn ein Ehemann fünf Jahre nach der Trennung darum bittet, es noch einmal zu versuchen, obwohl er damals regelmäßig seine Frau verdroschen hatte, darf er sich nicht wundern, wenn hin und wieder die ein wenig angekratzte Vertrauensbasis zu spüren ist.

Erschwerend kommt hinzu, dass das Leben weitergegangen ist und die Welt sich verändert hat. Wie soll man da immer erkennen, ob und wie sich nun der Partner verändert hat, ob und wie die Welt, und was das eine mit dem anderen zu tun haben könnte? In NRW wurde inzwischen das Verhältniswahlrecht modifiziert; auf gut Deutsch: auch bei der Landtagswahl hat der Wähler jetzt zwei Stimmen.
Und nachdem Sigmar Gabriel dazu aufgerufen hatte, bei der Wahl am 9. Mai mindestens mit der ersten Stimme SPD zu wählen, flippte Daniela Schneckenburger aus ob dieser „unlauteren Aufforderung“. Sie weiß: entscheidend für die Sitzverteilung im Landtag ist die zweite Stimme. Dieser Gabriel, dieser Heuchler!
Das hatte aber die Frau Schneckenburger gecheckt! Wissen Sie, was der im Grunde gesagt hat, der Gabriel? Tacheles gesprochen: er will nicht nur die Erststimme, die im Grunde nicht ganz so wichtig ist, und mit der die Grünen ohnehin nichts anfangen können. Mindestens! Sondern er schielt auch noch auf die Zweitstimme! Das geht aber nicht. Die brauchen nämlich schon die Grünen, weil die doch – wie gesagt – über das Stärkeverhältnis der Parteien entscheidet.
„Da hat sich Gabriel mindestens um ein mindestens vertan“, konterte Daniela Schneckenburger. Und schloss daran ihre Überlegungen zu den Gartentoren und dem fairen Umgang an. Will sagen: die SPD möge doch bitte so fair sein und in Zukunft damit aufhören, zu allem Überfluss auch noch um Zeitstimmen zu werben. Mindestens. So etwas wie in den zehn Jahren von 1995 bis 2005 lassen sich die NRW-Grünen nämlich nicht noch einmal gefallen. Mindestens nicht von der SPD.

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