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Notfallplan: Suizidsekte in der Schuldenfalle

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Image via Wikipedia

“Die Bundesregierung sieht hingegen weiter keinen Grund für ein Eingreifen in der Griechenland-Krise.“ Es ist Samstag, der 10. April, nachmittags, so gegen 17:00 Uhr. „Spiegel Online“ kommt mit der Meldung: „Notfallplan – Euro-Minister zurren Griechen-Hilfe fest“. Die Einigung ist schon am Freitagabend zustande gekommen, wie bspw. aus einer dpa-Meldung, die der Newsticker der Süddeutschen Zeitung gebracht hatte, hervorgeht.
Es gab schon am Freitag „eine grundlegende Einigung der Euro-Länder über Zinshöhe und Kreditumfang“ an die Griechen. Die Euro-Länder hatten sich verständigt auf „20 bis 25 Milliarden Euro kombinierte Gelder der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit längerer Laufzeit – zu einem Zinssatz von 5,1 Prozent, wesentlich niedriger als Athen bislang aufbringen musste, um Kredite an den Finanzmärkten zu erhalten.“
Doch am Samstag Nachmittag sieht die deutsche Bundesregierung „weiter keinen Grund für ein Eingreifen in der Griechenland-Krise“, wie „Spiegel Online“ schreibt. Man muss sich nur einmal die Kommentare unserer lieben Landsleute zu diesem „Spiegel-Online“-Artikel ansehen, und man bekommt einen Eindruck, was in den Schädeln dieser vermeintlichen Fachleute vor sich geht. Und man ahnt, warum sich die Bundesregierung so uninformiert gibt und deren Chefin das Thema entweder meidet oder sich ihm aus Sicht einer schwäbischen Hausfrau nähert.

Doch ja, natürlich wird über die „Griechenland-Krise“ berichtet, und bei den nicht ganz so Paranoiden bleibt so etwas hängen Finazkrise,wie: es ist noch immer gut gegangen. Die Einigung über Griechenland zeigt, dass es auch diesmal gut gehen wird. Die Griechen haben uns belogen, betrogen und hintergangen, und wir müssen deshalb mal wieder zahlen.
An all diesen Eindrücken ist etwas dran, und doch werden gerade deshalb das Wesen der gegenwärtigen Krise sowie die Dimension des Problems verkannt. Es ist richtig: in der griechischen Gesellschaft, in ihrer Ökonomie wie in der Politik, wird sich einiges ändern müssen. Das ist das griechische Problem. Das deutsche Problem ist, dass mit diesem Fingerzeig auf andere gar nicht erkannt werden kann, dass das deutsche Wirtschaftsmodell, früher auch gern „Modell Deutschland“ genannt, strukturell am Ende ist.

Thomas Fricke, FTD-Chefökonom, schreibt: „In keinem anderen Land hat es in den vergangenen Wochen so viele Sprücheklopfer gegeben, die den Griechen überheblich erklärten, wie man wirtschaftet, und dabei theatralisch über die Folgen für unsere armen Kinder wehklagten – wovon Schulden aber auch nicht weggehen. Beim Lesen dieser deutschen Tante-Erna-Experten könnte man meinen, die Weltkrise sei von pfuschenden Griechen ausgelöst worden. Und von Politikern, die sinnlos Schulden machen. Darüber zu schimpfen ist aber so, als würden Opfer einer Brandkatastrophe zetern, dass die Feuerwehr beim Löschen ziemlich viel nass gemacht hat.“
Allein der Umstand, dass es in Deutschland noch nicht so richtig angekommen ist, dass die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise stattgefunden hat und im Grunde auch noch stattfindet (was ändert schon ein halbes Prozent Wachstum?), bedeutet nicht, dass dem nicht so ist. Und an den Griechen lag und liegt es nicht. Aber woran dann? Oder besser: an wem? Irgendwer muss ja schließlich schuld sein.
In Deutschland weiß man Bescheid. Man erzählt sich einfach denselben Stuss, den man sich ohnehin seit eh und jeh erzählt. „Nirgendwo ist die Suche nach der Krisenursache so schnell damit abgeschlossen worden, dass Amerikaner und andere halt geschludert haben, Geld viel zu billig war und Banker viel zu gierig. Da reicht ein Griff in die Standardspruchkiste, und die grandiose Botschaft nach drei Jahren Krise lautet: Der Staat muss sparen und die Notenbank Geld vernichten“, schreibt Fricke.
„Es wird den Deutschen wenig helfen, am Symptom Staatsschulden herumzudoktern, wenn der mühsame Etatausgleich binnen Wochen zertrümmert wird, weil plötzlich Banken mit Hunderten Milliarden Euro vor dem Absturz gerettet werden müssen, so wie 2007/08. Dieselben Banken gefallen sich übrigens nun darin, Regierungen gutes Haushalten zu empfehlen. Da helfen am Ende die tollste Schuldenbremse und das tränenreichste Jammern um unsere Kinder nichts, wenn die Ursachen des Problems woanders liegen.“

Oder wenn Griechenland Staatsbankrott anmelden muss und / oder das ganze Projekt Euro den Bach runtergeht, weil die Spekulation sich nach den Griechen auf die Portugiesen, Italiener und Spanier stürzt. Sie erinnern sich? Alles PIGS (Portugal, Italien / Irland, Griechenland und Spanien).
„Die Ursachen des Problems“ – jedenfalls innerhalb der Eurozone – liegen in den dramatischen Ungleichgewichten innerhalb des Währungsgebietes. Vor einigen Tagen machte Wolfgang Münchau, ebenfalls ein renommierter Wirtschaftsjournalist der Financial Times, erneut darauf aufmerksam:
„In Deutschland sind seit Beginn der Europäischen Währungsunion die realen Einkommen kaum gestiegen. Andere EU-Länder dagegen haben zweistellige Zuwachsraten verbucht. Das macht Deutschland im Exportbereich wettbewerbsfähiger, aber es nagt an den Grundstrukturen der Währungsunion …
Die volkswirtschaftlichen Konsequenzen dieser Situation sind gravierend. Der Konsum stagniert seit Jahren. Deutschland präsentiert sich als Schmarotzer der Weltwirtschaft, der davon lebt, dass andere Länder kreditfinanzierte Defizite einfahren, um deutsche Exportüberschüsse zu kaufen. Wie in jedem Land mit hohen Exportüberschüssen glauben auch die Deutschen, die Ursachen ihrer Überschüsse lägen in der Qualität heimischer Produkte.“

„Schmarotzer der Weltwirtschaft“ hören die Deutschen freilich nicht so gern, zumal so stolz auf ihre deutsche Wertarbeit und ihre eiserne Sparsamkeit sind. Doch nachdem man mitbekommen hat, wie die Außenhandelsposition der deutschen Chemie ins Rutschen geraten ist, während man gegenwärtig realisiert, dass es mit den deutschen Autos abwärts geht, klammert man sich noch an den Maschinenbau. Und an die Rüstungsexporte, wobei die Unterschiede recht fließend sind.
Man kommt überhaupt nicht auf die Idee, dass Wachstum noch auf eine andere Weise als mit Sparen erreicht werden könnte. Münchau: „Die Lohnzurückhaltung deutscher Gewerkschaften ist mitverantwortlich für die Ungleichgewichte in Europa. Deutschland vermittelt auf gewisse Weise den Eindruck einer Suizidsekte.“

Doch auch für den Fall, dass tatsächlich alles aus ist, hat die Bundesregierung schon einmal vorgesorgt. Mit der Bankenabgabe.

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