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Erwachen (1)

lukasbieri – sunrise

(Die ersten Abschnitte ‚Der Brutkasten‘ (1-5) sind hier zu finden.)

Erst während einiger Zeiträume wurde mir allmählich bewusst, dass ich mich in einer Klinik aufhielt. Ich fühlte mich ziemlich desorientiert. Aufstehen konnte ich immer noch nicht, ich war zu schwach, aber ich nahm einige Leute deutlicher wahr, die sich um mich bemühten. Man sprach von einer Aufwachphase, in der ich mich befinden würde. Ein kognitiver Nebel sei, den Beschäftigten nach, in dieser Phase nicht unüblich, metaphorisch formuliert.
Während ich mich aus diesem Nebel quälte, fragte ich mich natürlich, was mir besonders hilfreich sein könnte, doch mir fiel spontan nichts ein. Aus einem künstlichen Koma über Tage und eventuell Wochen zu erwachen, war mir ungewohnt, neu, geradezu fremd. „Die Blutung im Gehirn konnte gestoppt werden“, wurde ich aufgemuntert. Na denn, entgegnete ich und verschwand erneut im Nebel. „Kontrolle“ entfuhr mir plötzlich, „Kontrolle“, aber ich konnte mit diesen Formulierungen nichts anfangen. Sie bezogen sich nicht nur auf nichts, meines Wissens, sie hatten für mich auch keine erkennbare Bedeutungen.
Aber der Nebel? Fragte ich mich. Heimat konnte er nicht sein. Meine Heimat ist ein Brutkasten, bestätige ich mich. Wie aber das Nebelland verlassen? Warum verlassen? Fragte ich mich unumwunden. Erkunden.

„Nebel“, ertastete ich zunächst, ist vielleicht ein fluides Etwas, dachte ich weiter, ähnlich einer rudimentären Existenz zwischen Leben und Tod. Ein Übergang, pulsierte es in mir, gleichsam ein langatmiger Übergang in beiderlei Richtungen. Hätte ich mich zu entscheiden? Erkunden zu wollen, war bereits eine Entscheidung, wohin sie mich auch führen wird – aber als was!
Bin ich noch ich? Vielleicht bin ich inzwischen etwas anderes, eine Maschine zum Beispiel? Eventuell können auch Maschinen erwachen, besonders wenn man / frau sie anschaltet. Dieser Schock! – Ich tauchte wieder in den Nebel.
Ist meine Reduktion der Außenwelt auf einen Nebel ein Fluchtreflex? Auch die Frage, was ich sei, ist lediglich außenweltlich relevant. Mir wäre sowas egal, in meinem Innern. ‚Egal‘ ist ein wunderbarer Nebel.
Es, dieses ,egal’ wirkt auf mich schleierhaft, nicht flockig, aber dennoch volumnös, also gleichsam dick, dicht. Nicht mehr ganz dicht zu sein, hätte in diesem Fall etwas, na, etwas Positives? Wertungen hatte ich zu vermeiden. Nicht mehr ganz dicht zu sein, wäre ein persönlicher Fortschritt.

Was ich so alles denke, in Gefangenschaft. Ob ich mich befreien kann? Diesen Impuls zu spüren, nach Freiheit, war etwas Besonderes, jenseits meiner Egal-Idiotie.

In Fortsetzung: Erwachen (2)

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