Hinweis: Die vorgestellten Bücher sollten, soweit sie nicht über den klassischen Buchhandel zu bestellen sind, in der neu gestalteten Duisburger Stadtbücherei, die ich übrigens wärmstens empfehlen kann, oder gebraucht über das Internet erhältlich sein. Auf die Präsentation antiquarischer Bücher, an die man nicht mehr ohne Weiteres herankommt, habe ich bewusst verzichtet.
Manfred Sack: Siebzig Kilometer Hoffnung – Die IBA Emscher-Park
(288 Seiten; Deutsche Verlags-Anstalt; 1999)
Wenn ein hochrenommierter ostdeutscher Architekturkritiker – Manfred Sack stammt aus der unmittelbaren Nachbarschaft der Bauhausstadt Dessau und des Wörlitzer Gartenreichs – ein Buch über die IBA Emscher-Park schreibt, die von dem in Ostwestfalen aufgewachsenen Bauminister Christoph Zöpel ins Leben gerufen und von dem
Doch nun zum Inhalt des Buches selbst: Dieses beschreibt zunächst ziemlich detailliert den politischen Prozess, den neuen städtebaulichen Geist und die tragenden Erwägungen, die zur Durchführung der IBA führten. Denn es ist ja schon bemerkenswert, dass ausgerechnet ein großes Event dem Ruhrgebiet den flächendeckenden Segen bescherte, dass erstmals weder kurzfristige Renditeerwartungen von Investoren noch strategische Konzerninteressen die Ausbeutung der Landschaft bestimmten, sondern im Gegenteil hochwertig und menschenfreundlich gebaut wurde. Ein langes Kapitel ist der ernsthaft und ganzheitlich betriebenen Renaturierung der Industriebrachen gewidmet, welche sich beispielsweise im Landschaftspark Duisburg-Nord nicht auf das Einwickeln kontaminierter Erden in Folie beschränkte, sondern vielmehr darauf aus war, neue Lebensräume zu schaffen und Landschaft und industrielle Hinterlassenschaften unter Wahrung der gewachsenen Identität miteinander zu verbinden – was auch ein neues ästhetisches Verständnis jenseits der klassischen Schönheit von großbürgerlichen Handelsstädten und kurfürstlichen Residenzen beinhaltete. Ebenso ausführlich wird die architektonische Umwidmung und Ergänzung der alten Industriebauten beispielsweise am Duisburger Innenhafen oder an der Essener Zeche Zollverein beschrieben, die paradoxerweise zur „Lebensverlängerung“ von Gebäuden diente, welche ursprünglich oftmals gerade nicht für die Ewigkeit erbaut worden waren. Schließlich werden die hochwertigen Wohnungsbau- und Siedlungsprojekte beschrieben, die sich gerade in den an der nördlichen Peripherie des Ruhrgebiets gelegenen, in der Vergangenheit häufig genug in der Entwicklung benachteiligten Städten wie Bottrop, Herne und Gelsenkirchen konzentrierten; beispielhaft sei die Küppersbusch-Siedlung in Schalke genannt.
Inzwischen mutet die IBA Emscher-Park wie der Glanz einer längst vergangenen Hochzeit an. Der Wettlauf um gleichförmige Shopping Malls bestimmt den Alltag des Ruhrgebiets; eine ganze Max-Taut-Siedlung in Duisburg-Hamborn soll gar einem Factory Outlet Center weichen. Die Unterbringung der Flüchtlinge ist zum routinierten, eher schlecht als recht bewerkstelligten Tagesgeschäft geworden, bei dem die Oberbürgermeister offenbar lieber mit abschreckenden Zeltstädten als mit nachhaltigen integrierten Lösungen Schlagzeilen machen. Gerade deshalb ist es eine besondere geistige Bereicherung, dieses Pamphlet für eine andere, eine bessere Stadtplanung zu lesen, wie sie vor zwei Jahrzehnten tatsächlich in die Realität umgesetzt wurde.
Roland Günter: Im Tal der Könige – Ein Handbuch für das Ruhrgebiet
(604 Seiten; Grupello-Verlag; 5. Auflage 2010)
Vielen im Ruhrgebiet ist der Kunst- und Kulturhistoriker Roland Günter als Denkmalschützer bekannt, der sich für die Anerkennung von Industriebauten als architektonisches Kulturgut und insbesondere erfolgreich gegen den Abriss der ältesten Werkssiedlung des Ruhrgebiets, nämlich „Eisenheim“ in Oberhausen engagierte. „Im Tal der Könige“ erschien erstmalig 1994, feierte nach der IBA Emscher-Park beachtliche Verkaufserfolge als Ruhrgebietsführer und ist mehr ein chronologisch-thematisch geordnetes Kompendium als ein Reiseführer im klassischen Sinne.
Mir persönlich hat das Buch insofern einen völlig neuen Blick auf das Ruhrgebiet eröffnet, als ich überwiegend in bürgerlich geprägten Städten wie Hamburg, Frankfurt, Dresden gelebt habe, in denen Industrie eine wichtige Rolle spielte und bis heute teilweise spielt – es gab ja auch ein „rotes Hamburg“, ein „rotes Dresden“ und in Frankfurt den sozialen Großsiedlungsbau des Ernst May -, die aber bei Weitem nicht so umfassend durch eine Industrie- und Arbeiterkultur geprägt wurden. Es hat mir geholfen, die Andersartigkeit des Ruhrgebiets zu verstehen, warum die Fünf-Millionen-Metropole Ruhrstadt so nachhaltig durch kleinstädtische Strukturen einerseits, durch eine besondere Macht großen Organisationen wie Industriekonzerne, Gewerkschaften, SPD andererseits geprägt ist. Vor allem erfüllt es den wichtigen Zweck, den Blick endlich von den Innenstädten mit ihren Shopping Malls abzulenken, um die Vielfalt der erhaltenen Siedlungen und modernisierten Industriedenkmäler an den Stadträndern und in den mittelgroßen Revierstädten zu erkunden.
Heinz-Theodor Jüchter: Wuppertal – Alt und Neu entdecken
(404 Seiten; Klartext-Verlag; 2012)
Jahrelang wohnte ich im Ruhrgebiet und schaffte doch nicht den Sprung ins nahe gelegene Wuppertal – weil ich trotz Bemühung nicht herausfinden konnte, was es dort zu sehen gibt. Viele meinten, ich solle mal mit der Schwebebahn fahren – was ich mir schon selbst hätte ausdenken können -; aber auf die Frage, was ich denn sonst noch zu Fuß erkunden könnte, erntete ich ratloses Kopfschütteln. Wie das Leben so spielt, verschlug es mich beruflich nach Wuppertal; höchste Zeit also, die Stadt einmal näher kennenzulernen. Neben ebenso verzweifelten
Aufgeteilt ist dieser in einen historischen Abriss inklusive Vorstellung der lokalen Wirtschaft (die bis zu deren Niedergang wesentlich durch die Textilindustrie geprägt war) und Kultur und dann diverse Spaziergänge, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der Kunstgeschichte liegt. Dieser anspruchsvolle Reiseführer zeichnet sich gerade dadurch aus, dass er sich nicht auf klassische Sight-Seeing-Touren beschränkt – was natürlich auch der Eigenart von Wuppertal entspricht, das anders als touristisch erschlossene Städte weniger durch allgemein bekannte, spektakuläre Highlights glänzt. Vielmehr ist Wuppertal eine Stadt, die man sich „ergehen“, die man unter Anstrengung der Beine und des Geistes auf den zweiten Blick entdecken muss. Die vornehmen großbürgerlichen Villenviertel (Brill, Zooviertel), in denen die Industriellen residierten, spielen dabei ebenso eine Rolle wie das „rote Wuppertal“ (Ölberg, Arrenberg, Ostersbaum, Sedansberg, Wichlinghausen, Oberbarmen), dessen aufgrund des Strukturwandels entstandene soziale Brennpunkte teilweise unter Quartiersmanagement gestellt wurden, das nichtsdestotrotz in weiten Teilen durch bemerkenswerte bauliche und topografische Schönheit besticht. Auch den eher ländlich geprägten Vororten sind Spaziergänge gewidmet, so dass dieser Stadtführer wirklich dazu dient, Wuppertal in seiner gesamten Ausdehnung zu erkunden.
Besonders erfreulich sind die zahlreichen Illustrationen, wobei sich aktuelle mit historischen Fotos abwechseln. Diesen Reiseführer kann ich dem geduldigen, an Hintergrundwissen interessierten Individualtouristen und dem Heimatverbundenen empfehlen, der endlich wissen will, welche Schätze da wirklich „umme Ecke“ schlummern!
Sven-André Dreyer u.a.: Düsseldorf Walking
(175 Seiten; Michason & May Verlagsgesellschaft)
Ruhrgebietsküche – Spezialitäten aus dem Revier (192 Seiten; KOMET-Verlag)