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Stuttgart 21 | Sternstunde des Bürgerjournalismus

Schon online während Journalisten im Wochenende sind: tilman 36 dokumentiert die Geschehnisse in StuttgartWas Journalisten offenbar nicht möglich ist, hat der Bambuser-User tilman36 geschafft: eine knapp dreistündige Dokumentation über die Geschehnisse in Stuttgart. Aus der Sichtweise der Demonstranten. Live. Ungeschnitten. Online.

Noch während ich diese Zeilen schreibe läuft der Internetstream – 3148 Viewer hat der zu diesem Zeitpunkt. Gerade werden die letzten Besetzer herausgeführt. Und alle haben es gesehen – außer offenbar den Journalisten. Denn selbst jetzt ist bei Google-News Funkstille. Bei Bambuser dagegen war man die ganze Zeit mit dabei. Live. Vor Ort. Ungeschnitten. Unzensiert. Ton und Bild.

Morgen werden wir diese Bilder garantiert bei den üblichen Verdächtigen zu sehen bekommen. Vermutlich wie immer mit dem Hinweis: „Quelle: Internet“, „Quelle: Youtube“ oder auch mit keiner Quellenangabe. Vermutlich wird man den Macher auch gar nicht groß fragen mit dem Hinweis, das öffentliche Interesse sei in diesem Fall wichtiger als schnöder Quellennachweis. Was es natürlich ist – denn das Versagen der Polizisten beim Öffnen einer Tür muss in dieser Form natürlich als Dokumentation an die Öffentlichkeit. Als Nachweis natürlich dafür wie mangelhaft heutzutage unsere Polizei ausgerüstet ist. „Der Kollege hat die Tür aufgeflext“ war im Video zu hören. Dass das ganze allerdings wohl anderhalb Stunden gedauert hat – ob wir das von ZDF, RTL, ARD, VOX und Konsorten erfahren werden?

Es mag auch sein, dass diese Nachricht an sich für die traditionellen Medien uninteressant ist – da haben halt welche im Vorfeld trotz Friedenspflicht angekündigt, dass sie demonstrieren wollen und haben es gemacht, es ist aber weder Blut geflossen, noch kams zu Ausschreitungen, nein, alles waren zivilisiert und höflich. Vermutlich wegen der Kameras, die anwesend waren. Ob die Polizisten geahnt haben, dass eine davon eine Webcam ist? Offenbar nicht denn gegen Ende kam die Frage eines Polizisten, der nicht gefilmt werden wollte, was das denn da eigentlich sei.

Nein, wir werden in den Medien natürlich keine vollständige Dokumentation des Ganzen bekommen. Wir werden wieder Ausschnitte zu sehen kriegen, aufbereitet für den 2:30 Nachrichtenblock, eingequetscht zwischen Werbung und Sport. Dass der sogenannte Bürgerjounalismus gerade eine Sternstunde für Deutschland hingelegt hat – das werden wir vermutlich auch nicht von den traditionellen Medien erfahren. Denn Journalisten tuen sich immer noch schwer mit dem Medium Internet, während Blogger und interessierte Bürger es schon so nutzen wie Profis es eigentlich hätten nutzen sollen.

Sicherlich sind das Bilder, die auch am Tag danach noch einen Wert haben, klar werden Journalisten den meisten beim Einordnen des Ganzen – warum demonstrieren die eigentlich? Was ist eine Friedenspflicht? Warum haben die Polizisten so lange gebraucht? Und warum war keiner von uns vor Ort und hat live von jenseits der Tür berichtet, verdammt? – durchaus behilflich sein. Das ist natürlich auch deren Job. Allerdings habe ich persönlich keine Zeit und keine Lust zu warten bis die hiesige Ortszeitung – pardon – die hiesigen Ortszeitungen über das Ereignis am Rande berichten. Da schaue ich lieber ins Netz und bei Twitter, lese die Reaktionen, die jetzt noch unmittelbar hereinkommen. Und schreibe darüber.

Hätte ich mir den Stream von Anfang an angeschaut, hätte ich bestimmt auch einen sachlichen, emotionslosen Infotext geschrieben – doch allein, ich schaltete erst ein als die Polizisten schon kurz davor waren die Tür durchzuschneiden. Mit einer Flex. Wissen wir ja jetzt alle. Also dank des Internets. Hätte ja auch was anderes sein können, was Funken sprüht. Auch sowas, was die traditionellen Medien bestimmt nicht erwähnen werden: Es war eine Flex. Mag aber auch sein, dass die Journalisten im Print jetzt recherchieren gehen und wir morgen dann nochmal gedruckt lesen können: „Es war eine Flex. Quelle: Internet“.

Audiofassung – Stuttgart 21

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