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Wenn Historiker die Gegenwart fehlinterpretieren

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Image by historic.brussels via Flickr

In einem Artikel hier auf xtranews befasst sich der Bielefelder Historiker Hans-Ulrich Wehler mit der Finanz- und Staatenkrise. Und auch, wenn Historiker oft mit Zukunftsprognosen recht haben möchten, eben weil sich Geschichte gerne wiederholt, glaube ich persönlich, dass er einem Irrtum unterliegt.

Herr Wehler sieht in der Finazkrise in Europa eine Vorstufe zu einer möglichen Staatenkrise durch die Erosion des Vertrauens der Bürger in ihre Regierungen. Und mit dieser Ansicht mag er recht haben: Das Vertrauen der Bürger in den Staat ist auf vielfältige Art und Weise schon seit geraumer Zeit gestört und die Milliardenzahlungen an Banken und Staaten sind vermutlich der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Jedoch ist seine Folgerung grundsätzlich nicht geeignet, die Situation zu verbessern:

Die deutsche Regierung traut sich nicht, das Bankgewerbe einer solchen Kontrolle zu unterwerfen.“ Wenn zwei Jahre nach Beginn der größten Krise, welche die westliche Welt bislang erlebt habe, immer noch keine Regulierungen für den Finanzsektor eingeführt wurden, zeige sich, so Wehler, „das große Dilemma mit aller Deutlichkeit: Nämlich ob dieser Staat noch von der Bankenwelt unabhängig handlungsfähig ist“.

Diese starken Worte könnten auch von der Partei die Linken stammen und würden sicherlich an Stammtischen großen Beifall finden. In der Realität lässt Wehler jedoch unbeachtet, dass Geld mobil ist. Insbesondere die Art von Wirtschaft die wir heute pflegen, die zu einem großen Teil nur noch virtuell auf Servern liegt, lässt sich nicht national-staatlicher Kontrolle unterwerfen.

Würde Deutschland versuchen, durch einen Alleingang oder auch mit Unterstützung der EU hier ein Regelwerk zu etablieren, dass die Machenschaften der Finanzwelt einer strikten Kontrolle unterwirft, so wäre der Erfolg lediglich, dass entsprechende Organisation in Nationen abwandern, in denen weniger oder keine solche Regulierung statt findet.

Um jedoch für einen Nationalstaat verheerende wirtschaftliche Folgen zu produzieren, müssen die „Zocker“ des Finanzmarktes gar nicht Teil des Wirtschaftsraumes sein, den sie gerade bearbeiten. Es darf angenommen werden, dass die großen Gewinner der Griechenland-Krise eben nicht in Griechenland zu suchen sind.

Dennoch ist die Situation nicht ohne Ausweg. Statt nach starker, aber wirkungsloser Regulation durch den Staat zu rufen, sollten andere Möglichkeiten untersucht werden. Ein gangbarer Weg könnte ein Analog zum Deutschen Corporate Governance Kodex sein.

Dieses Regelwerk mit gesetzes-ähnlichem Charakter ist eine Zusammenfassung von Soll-Regeln, nach denen sich börsennotierte Unternehmen ausrichten sollen, um Transparenz zu bieten und eine Vertrauensbasis für Anleger zu schaffen. Ausdrücklich sind die Vorgaben nicht durch den Gesetzgeber durchgedrückt worden – mit dem Erfolg, dass im Laufe von weniger als 10 Jahren sich trotzdem zahlreiche Unternehmen den Vorgaben unterwarfen. Nicht zuletzt unter Druck der Aktionäre und mit dabei auch Global Player wie z. B. die Thyssen AG.

Ein solches, möglicherweise Multinationales Regelwerk könnte den Kunden helfen Entscheidungen zu treffen, wie sie heute bei Fair gehandeltem Kaffee oder Öko-Strom längst möglich sind. Der Druck auf die Unternehmen der Finanzindustrie würde sein übriges beisteuern.

Nur, soviel muss klar sein: Solche Regelwerke brauchen auch gerne über zehn Jahre um, vor allem International, entsprechende Wirkung zu entfalten. Und gestartet hätte man am Besten gestern. Dennoch sehe ich hier eine Chance.

Nicht erfolgversprechend sind allerdings so populistische Forderungen wie von Herrn Wehler. Auch, wenn sie vielleicht geeignet scheinen, mediale Aufmerksamkeit zu erlagen, so gehen sie jedoch real am Ziel vorbei.

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