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Die Griechen und der Euro – viel Lärm um alles

Euro Über die Haushaltsprobleme Griechenlands wird in den deutschen Medien durchaus in der nötigen Breite berichtet. Und es wird – ungewöhnlich genug für ein ökonomisches Thema – munter Position bezogen, und zwar so, als handele es sich um eine Debatte zwischen humanitär gesonnenen Menschen, die zur Solidarität mit in Not Geratenen mahnen, und nüchternen ökonomischen Realisten, die vor einem Präzedenzfall finanzpolitischer Schluderei warnen.

Eine solche Darstellung verkennt die Dramatik der Situation bzw. verschiebt die Dramatik vom Kern des Problems in den Südosten Europas. Dabei werden in den nächsten Tagen und Wochen Entscheidungen getroffen, die für das Tempo des Niedergangs der deutschen Wirtschaft von fundamentaler Bedeutung sind. Das Publikum betrachtet jedoch gespannt das von der FDP initiierte Steuersenkungs-Tamtam, da das entscheidende Stück unter dem irreführenden Titel „Drohender Staatsbankrott Griechenlands“ aufgeführt und als klassisches Dilemma zwischen Hirn und Herz inszeniert wird. Dabei entscheidet sich hier, in welchen Bahnen künftig die ökonomischen Kennziffern Deutschlands verlaufen, und nicht etwa im FDP-Steuerstadl. Aber der Reihe nach …

Während es nach dem Crash im letzten Jahr fast überall auf der Welt mit bescheidenen Wachstumsraten leicht aufwärts geht, steckt Griechenland noch mitten in der Rezession. Es bedarf keines Ökonomiestudiums, um zu wissen, dass in einer solchen Situation Steuererhöhungen und massive Ausgabenkürzungen nur zu einer Verschärfung der Krise führen können. Von der internationalen Spekulation und der deutschen Bundesregierung in die Zange genommen, blieb den Griechen dennoch keine andere Wahl, als eine Politik à la Brüning aufzulegen.

Wassilis Aswestopoulos hat gestern in einem eindrucksvollen Beitrag für die Ruhrbarone beschrieben, welch bittere Konsequenzen dies für den griechischen „Mann auf der Straße“ nach sich zieht. Doch selbst in einem Text wie diesem wird konzediert: „Fakt ist, dass der griechische Staat hoffnungslos überschuldet ist.“ Das mag sein oder auch nicht sein; es ist eine Frage des Standpunkts oder eine Meinungsäußerung; nur eins ist es nicht: ein Fakt.

Sieht man sich die Staatsverschuldung der europäischen Staaten an, fällt zunächst einmal ins Auge, dass Griechenland nicht einmal der größte „Sünder“ ist. Italien weist die höchste Verschuldung in Relation zum BIP auf. Laut Monatsbericht Oktober 2009 des Bundesfinanzministeriums liegt Italien mit 113 % deutlich vor Griechenland mit 103 %. Wie aussagekräftig die Schuldenstandsquote als Indikator für was auch immer sein soll, mögen Sie daran ermessen, dass Estland mit nicht einmal 7 % wesentlich besser dasteht als Deutschland mit deutlich über 70 %. Interessant: in Spanien nimmt zwar die Staatsverschuldung rasch zu; sie liegt aber mit etwa 50 % deutlich unter dem deutschen Schuldenstand. Dabei gäbe ohne Spanien das liebevolle Kürzel PIGS gar keinen Sinn.

PIGS steht, wie wir lesen, für Portugal, Irland, Griechenland und Spanien, und da Italien unzweifelhaft auch zu diesen „Schweinen“ gehört, müsste Pigs eigentlich mit zwei „i“ geschrieben werden, was mitunter zwar auch zu lesen ist, irgendwie jedoch den Gag kaputt macht.

Bereits vor gut einem Jahr hat die „Wirtschaftswoche“ die bange Frage gestellt: „Wer zahlt für die PIGS?“, um sie sogleich im Sinne dieses Chauvinismus zu beantworten, der gegenwärtig fröhliche Urständ feiert: „Die EU streitet über Hilfen für wirtschaftlich abschmierende Staaten der Euro-Zone. Sie sollte dabei keine falsch verstandene Solidarität walten lassen – sondern harte Auflagen machen.“

Damit war die „deutsche Linie“ vorgezeichnet, die auch jetzt, wo es ernst geworden ist, ihre Gültigkeit hat. Und die einem CDU-Landesparteitag ohne weiteres vermittelbar ist, wie uns Reuters gestern aus Münster berichtet: „Wenige Tage vor dem EU-Gipfel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel im Streit um Hilfen für das hoch verschuldete Griechenland vor falsch verstandener Solidarität in Europa gewarnt. … Bei dem Gipfel werde es auch um die Stabilität des Euro gehen, sagte Merkel in Münster weiter. Im Notfall müsse man auch ´kontroverse Diskussionen` führen.“

Von der FAZ online heute treffend zusammengefasst mit: „Vor EU-Gipfel – Merkel: Griechenland braucht keine Hilfe“.

Allerdings brauchen die Griechen dieses Jahr noch 54 Milliarden Euro, 20 Milliarden davon mal eben kurz im April und Mai. Und jetzt heißt es: Spekulieren. Und diese Spekulation führt an den Kapitalmärkten dazu, dass die Zinsen, die Griechenland für eine Anleihe zu zahlen hätte, immer höher steigen.

Nun könnten Sie ja, wenn Sie einmal so klamm sind, dass Sie Geld nicht mehr bei der Bank, sondern nur noch beim Kredithai bekommen, auf die Idee kommen und sich sagen: bei diesen Zinsen sind mir Schmach und Scham egal. Ich frage jetzt einfach ein paar gute Freunde.

Gut, bei den Deutschen ist für die Griechen nichts zu holen. Ob sie die Chinesen fragen werden? Die sind nämlich ebenfalls verdammt gut bei Kasse, spielen sie doch in der Weltwirtschaft das gleiche Spiel, was die Deutschen in der Eurozone spielen. Man bindet einfach den Wechselkurs der eigenen Währung unverrückbar an den Wechselkurs der Währung der Haupthandelspartner und zieht mit diesem viel zu geringen Währungskurs in die Schlacht um die Absatzmärkte, um dort anstrengungslos Wohlstand erzielen und sich das Schild „Exportweltmeister“ vor die Brust hängen zu können.

Nun können die einen nur dann Exportüberschüsse erzielen, wenn die anderen die entsprechenden Handelsbilanzdefizite aufweisen. Den „Exportweltmeister“ China kann es nur geben, wenn die USA auf Pump importieren. Der „Exportweltmeister“ Deutschland ist nicht ohne seine „Pigs“ zu haben.

Merkel und Schäuble denken inzwischen laut darüber nach, ob man nicht Griechenland aus dem Euro-Club rauswerfen könne. Wie viel davon Bluff, wie viel wirklich Unverständnis der Lage sein mag, sei dahingestellt. Klar ist: deutsche Exportüberschüsse kann es nur geben, wenn es anderswo Defizite gibt. Klar ist auch: die Deutschen mögen Regeln für den Euro aufstellen, soviel sie wollen. Solange es bei einer Währung etliche verschiedene Steuer- und Finanzpolitiken gibt, knirscht es im Gebälk. Und wenn die internationale Spekulation nicht mehr gegen Griechenland gewinnbringend wetten könnte, gut, dann wird eben gegen Italien gewettet. Oder gegen Portugal. Egal. Es ist doch nicht so furchtbar schwer zu verstehen.

Wolfgang Münchau hat vor gut zwei Wochen in der FTD sehr schön erklärt, warum es „Zeit für die Griechenland-Entscheidung“ ist:

„Deutschland ist der größte Profiteur der Währungsunion, weil man mit dem Euro den Wechselkurs innerhalb Deutschlands wichtigster Exportmärkte stabilisieren konnte. Nur dadurch konnte Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit so massiv ausbauen. Da ein Leistungsüberschuss logischerweise auch ein Sparüberschuss ist, besitzen deutsche Banken zwangsläufig überschüssige Mengen an ausländischen Wertpapieren.

In einer solchen Situation wäre es völlig rational, Griechenland zu helfen. Denn zum einen sind die Kosten trivial oder sogar negativ: Die angepeilten 5 Mrd. Euro sind keine Subvention, sondern ein gut verzinster Kredit oder eine Garantie. Zum anderen sichern wir das Vertrauen in ein System, von dem keiner mehr profitiert als wir selbst.“

Und die Alternative liegt ebenso klar wie unerbittlich auf der Hand: „Sollte sich Deutschland nicht zu einer Kooperation durchringen, wird man das in den Finanzmärkten unweigerlich als den Anfang vom Ende des Euro interpretieren.“

Spätestens hier kämen Merkel und Schäuble in eine ganz andere Tarifzone. Und mit ihnen die gesamte deutsche Volkswirtschaft. Sollten die beiden den EU-Gipfel am Donnerstag platzen lassen, könnten sie damit eine Eigendynamik in Gang setzen, aus der es kein Zurück mehr gibt. Man wird sich in diesem Fall sehr schnell an die armen Hallodri-Griechen und die smarten FDP-Steuersenker weder erinnern wollen noch können.

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