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Sage niemand, er habe es nicht wissen können

Dierkes im IZ Bedingungslos für Israel?“ heißt die Veranstaltung, die am nächsten Dienstag im Internationalen Zentrum Duisburg stattfinden soll. Die Frage klingt plausibel; die Antwort liegt schon auf der Zunge: „Es muss in Deutschland möglich sein, …“

Es ist in Deutschland möglich. Und es scheint viele zu geben, die sich wundern, dass es, 65 Jahre nach dem Ende des Grauens, möglich ist. Aber es ist möglich. Es ist möglich, klipp und klar zu sagen, dass man mit der Politik der israelischen Regierung nicht einverstanden ist. Das ist jedem Deutschen möglich, so wie es auch jedem Holländer oder Amerikaner, Palästinenser oder Israeli möglich ist. Den Deutschen selbst scheint es nicht ganz so selbstverständlich zu erscheinen wie den Dänen oder den Franzosen. Es ist auch nicht ganz so selbstverständlich; aber es ist so.

Es ist deshalb so, weil Deutschland sich ohne Wenn und Aber seiner entsetzlichen Vergangenheit stellt, und weil Deutschland zu den besten Freunden Israels gehört. Bedingungslos für Israel?

Ja, weil unsere Solidarität mit dem jüdischen Volk und unser Bündnis mit Israel gar nicht an irgendwelche Bedingungen gebunden sein kann. Nein, weil wir für keine Politik einstehen können, die andere Leute zu vertreten haben. Um es am Beispiel der Nachrichten, die uns soeben aus Israel erreichen, deutlich zu machen: man kann schlecht „dafür“ sein, dass in dem Moment, wenn US-Vizepräsident Biden seine Vermittlungsbemühungen im Nahen Osten aufnimmt, die israelische Regierung beschließt, Siedlungen in Ost-Jerusalem zu bauen. Man kann überhaupt nicht dafür sein.

Erst recht beim Bau weiterer jüdischer Siedlungen im Westjordanland muss man sich fragen, ob die Regierung Netanjahu-Liebermann aufrichtig an einem friedlichen Zusammenleben neben den Palästinensern interessiert ist. Und auch wenn man weiß, dass die Lieferungen in den Gazastreifen immer auch Dinge enthalten, die dem Terrorregime der Hamas, nicht aber der Bevölkerung nützen, lässt sich die dauerhafte Blockadepolitik nicht rechtfertigen.

Warum sollte man dies nicht sagen dürfen? Wer sollte dies anordnen? Wer könnte hier die gefürchtete „Antisemitismuskeule“ schwingen? Es sind doch zwei verschiedene Paar Schuh, ob die Politik einer Regierung kritisiert oder das Existenzrecht eines Staates in Abrede gestellt wird.

Die Frage „Bedingungslos für Israel?“ geht über diesen Unterschied flott hinweg. Es kann niemals klug sein, sich „bedingungslos“ für eine Politik, die man selbst nicht mitbestimmen kann, einspannen zu lassen. Aber ich bin „bedingungslos“ dafür, dass es Frankreich geben darf. Und Italien und die Niederlande, Brasilien und Indien, Russland und China. Ganz egal, was deren Regierungen gerade mal wieder für eine Scheiße bauen. Und für Israel gilt das auch – und noch viel mehr.

„Denn die Existenz eines freien, selbstbestimmten und friedlichen Staates Israel ist nicht allein eine völkerrechtliche Frage, mit der sich Staatsrechtler zu beschäftigen hätten. Sie ist auch eine moralische Frage, über die wir uns alle zu unterhalten haben.

Denn die Gründung Israels vor 60 Jahren war nicht nur Ausdruck des Existenz- und Freiheitswillens des jüdischen Volkes, sondern drei Jahre nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes auch Ausdruck eines universellen Ausrufs ,Nie wieder` der internationalen Gemeinschaft.

,Nie wieder` sollten Juden wie Staatenlose umher irren, ,nie wieder` in die Rolle des Schwachen und des Opfers hineingedrängt werden, ,nie wieder` Fremde und ohne Heimat sein. Dieses ,Nie wieder` ist gültig bis heute, und sein Spiegelbild ist gewissermaßen ein entschlossenes ;immer wieder`, wenn unsere Solidarität mit dem Staate Israel gefragt ist.“

So formulierte es Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland vor zwei Jahren zum Abschluss der Woche der Brüderlichkeit 2008. Auch in dieser Woche hat die Woche der Brüderlichkeit wieder stattgefunden. Und am nächsten Dienstag will der Vorsitzende der Duisburger Linksfraktion im Internationalen Zentrum aus seinem Buch „Bedingungslos an der Seite Israels – nur bedingt auf der Seite des internationalen Rechts" vorlesen.

Ich habe nicht erst gestern, sondern schon häufiger darauf hingewiesen, dass es sich bei Herrn Dierkes um einen Antisemiten reinsten Wassers handelt. In Duisburg hat man sich – über die Parteigrenzen hinweg – auf eine Lesart geeinigt, die da in etwa lautet: zugegeben, Hermann Dierkes schießt mit seiner Israel-Kritik übers Ziel hinaus. Aber der Antisemitismus-Vorwurf, der ihm nicht nur, aber auch von mir gemacht wird, sei „natürlich Quatsch“. Hermann Dierkes – Antifaschist, Gewerkschafter, Stadtrat. Das kann ja gar nicht sein, dass der ein Judenhasser ist. Das kann auch deshalb nicht sein, weil es nicht sein darf. Vieles ist nämlich an und für sich und trotz alledem so gemütlich in Duisburg.

Doch seit gestern ist bei den Ruhrbaronen ein Video zu sehen, das in knapp sieben Minuten zeigt, wes Geistes Kind der ach so vernünftige Duisburger Kommunalpolitiker ist. Es ist nicht ganz neu; auch ich habe vor zwei Monaten auf seine unsäglichen antisemitischen Entgleisungen Ende letzen Jahres in Berlin hingewiesen, verlinkt mit einem Video-Mitschnitt, inzwischen gelöscht, und mit etwa fünfzig Minuten unerträglich lang.

Doch jetzt ist in knapp sieben Minuten Dierkes „auf Betriebstemperatur“ zu sehen: HIER. So viel Zeit kann jeder aufbringen, um für sich die Frage zu beantworten, ob Dierkes ein, wie Broder heute titelt, „Antisemit oder Arschloch? Oder beides?“ ist. Sage also niemand, er habe es nicht wissen können!

Sage also niemand, er habe nicht wissen können, dass Dierkes den Holocaust relativiert! Sage also niemand, er habe nicht wissen können, dass Dierkes das Existenzrecht Israels bestreitet! Sage also niemand, er habe nicht wissen können, dass Dierkes den bewaffneten Kampf empfiehlt, um den rassistischen Staat von der Landkarte zu beseitigen!

Noch ziehen sich die Verantwortlichen der Stadt Duisburg hinter diese Linie zurück. Vorgestern hatte ich Ihnen diese eMail geschrieben:

„Sehr geehrte Herren,

wie ich soeben den "Ruhrbaronen" entnehme, soll am nächsten Dienstag, den 26. März, im "Internationalen Zentrum" eine Lesung mit Hermann Dierkes zum deutsch-israelischen Verhältnis stattfinden.

Ich gehe davon aus, dass Ihnen klar ist, welchen Schaden das Ansehen der Stadt Duisburg in einem solchen Fall nehmen würde.

Sofern also diese Nachricht zutreffen sollte, gehe ich davon aus, dass Ihnen nichts von dieser Planung bekannt ist.

Ich bin sicher, Sie werden sich darum kümmern, dass diese Veranstaltung nicht in einer städtischen Einrichtung stattfinden wird.

Mit freundlichen Grüßen

Werner Jurga“

Die spärlichen Reaktionen lauteten zusammengefasst etwa (siehe oben): zugegeben, Hermann Dierkes schießt mit seiner Israel-Kritik übers Ziel hinaus. Aber der Antisemitismus-Vorwurf, der ihm nicht nur, aber auch von mir gemacht wird, sei „natürlich Quatsch“. Hermann Dierkes – Antifaschist, Gewerkschafter, Stadtrat. Das kann ja gar nicht sein, dass der ein Judenhasser ist.

Ich kann es auch gern noch etwas konkreter darlegen. Doch, wer weiß: vielleicht haben die Herren ja wirklich das Video immer noch nicht gesehen. Vielleicht kommen sie ja heute dazu. Mal abwarten, was heute von unseren Spitzenleuten kommt. Lassen wir es einfach mal für heute gut sein. Im Grunde sind die ja auch ganz in Ordnung, diese Herren.

Lassen wir einfach zum Schluss Petra Pau zu Wort kommen. Auch deshalb, damit es nicht noch heißt, ich hätte Vorbehalte gegen die Linke. Vor allem aber deshalb, weil sie es so prägnant formuliert hatte, wie ich es selten anderswo gelesen hatte:

“Wer das Existenzrecht Israels in Frage stellt, rüttelt am Lebensrecht von Jüdinnen und Juden. Das ist letztlich die logische Konsequenz gerade aus der deutschen Geschichte. Deshalb sollte es im Deutschen Bundestag fraktionsübergreifend keinen Zweifel geben: 60 Jahre Israel ist auch für uns ein wichtiges Jubiläum. Shalom.”

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