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Moers Festival 2023: Endlich wieder Chaos und Krach

Nach irrwitzigen Einschränkungen während der Coronaseuche nähert sich
das 52. Moers Festival wieder seinen Wurzeln – dem gezähmten Chaos mit
Krach.

Pfingsten in der niederrheinischen Grafenstadt, das übliche Ritual:
Eine kleine Großstadt schwingt sich auf die Weltbühne der Avantgarde.

In einem unglaublich kleinem Beritt, dem der zeitgenössischen
improvisierten Musik.

Und dabei wird Moers ausserdem nur regional nur mit dem katholischen,
also müde machenden Kabarettisten Hans-Dieter Hüsch assoziert; nach
dem toten Bontempiorgel-Spieler hat die einstige Bergwerksstadt
immerhin einen zentralen Platz benannt.

Foto von Ilona Schmitz.

Avantgarde? Es waren jedenfalls dekadenlange Wege vom Schlosspark, mit
historischem Baumbestand, zum Freizeitpark, sogar mit Freibad zu
begehen, um das Festival am Laufen zu erhalten.

Dafür hat die Stadt nicht schlecht geblutet: Etwa für den überdachten
Festival-Spielort Ennihalle; einst eine marode Eissporthalle – jetzt
ein kaum ausgebuchter Eventraum mit allen Schikanen, eigens vom
kommunalen Energieversorger übernommen; vielleicht deswegen, weil der
Kultursender ARTE während des Moers Festivals live Konzerte zu
streamen pflegt. Und die Stadt Moers damit in aller Welt ist. Und in
aller Munde zu sein scheint.

Doch, was wird denn nun performed werden, heute, ab Freitag bis
Pfingstmontag, auf den mindestens vier Spielstätten der Sause, von
Mittags an bis spät in die Nacht?

Foto von Ilona Schmitz.

Nun, das Eröffnungskonzert bestreitet etwa Wendy Eisenberg mit ihrer
Band Editrix (Freitag, 26. Mai, Rodelhügel, open-air, 16:45 Uhr),
einem Trio, wobei die Gitarristin vielleicht sogar so singen wird wie
Kate Bush – und dann am Ende alles gnadenlos zerschrammelt werden
wird. Politische Musik, kein Zweifel.

Zerschrammelt? Das Beste an der Improvisation ist doch die
Dekonstruktion. Und das Beste an der Dekonstruktion ist doch die
Destruktion!

Jedoch: Hören wir uns – doch – auch mal Laura Cocks (Freitag, 26. Mai,
Rodelhügel, open-air, 19.20 Uhr) an. Die US-amerikanische Flötistin
hat schon mit dem Sun Ra Orchestra gespielt, dieses gnostische
musikalische Konzept mit irrem esoterischen Einschlag war
selbstverständlich ebenfalls schon in Moers.

Möglicherweise kann man Laura Cocks sogar als feministische Flöte
begreifen, jedenfalls ist es auch politische Musik; ihre Schriften als
Musikwissenschaftlerin geben das jedenfalls her. In Moers wird Laura
solistisch musizieren; und ihr Quergeflöte hat garantiert nichts mit
Ian Andersons Jethro Tull zu tun, es steht nämlich zweibeinig.

Kommen wir nun zum Krach, also zu dem Fokus, der das Moers Festival
2023 zu einem sehr guten Teil ausmachen wird:

Mono-No-Aware, so heisst eines der Mikrokozepte des Festivals, das am
Pfingstsonntag, auf zwei Bühnen, vor allem Open-Air, nonstop in 210
Minuten sich dartun wird.

Dabei sind dann auch Putan Club (Sonntag, 28.Mai, Eissporthalle, 23:59
Uhr), das ist ein Duo von Gianna Greco und Francois Cambuzat, das, nun
ja, mit Repetitivität, vermittels Gitarre, Bass und Elektronik,
ziemlich auf den Kopf gibt, sofern im Auditorium keine Ohrstöpsel
getragen werden. Auch das ist, sogar, politische Musik.

Und hier noch die letzte, gute, Nachricht, offiziell vom Presseteam
des Moers Festivals: Die Gurke hat abgesagt.

In other Words: ‚Please note that Staatsministerin für Kultur und
Medien Claudia Roth, had to cancel her participation at all official
appointments on May 15th for health reasons‘.

Das 52. Moers Festival findet von Pfingstfreitag bis Pfingstmontag
statt. Spielstätten: Enni-Eissporthalle, Rodelhügel Freizeitpark,
Pausenhof Gymnasium Filder Benden, Innenstadt, diverse Spielstätten.

Neue Lage, aktuelles Gerichtsurteil: Die Frage ist, ob das Konzert von Putan Club, das ja in der Nacht zum Pfingstmontag stattfinden soll, überhaupt noch stattfindet.

Das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen jedenfalls hat aktuell verfügt, dass Konzerte beim Moers Festival nur bis Mitternacht zulässig sind. Das berichtet dpa:

Der Veranstalter, die Moers Kultur GmbH, hatte bei der Stadt eine Ausnahmeregelung beantragt, nach der von Freitag bis Montag auch nach Beginn der Nachtruhe um 22.00 auch bis 1.00 Uhr Veranstaltungen erlaubt sind. Das ließ die Stadt aber nicht zu. Zu Recht, wie das OVG in einem Eilverfahren klarstellte und am Donnerstag mitteilte. Der Beschluss ist nicht anfechtbar (Az.: 8 B 533/23).

Das OVG bestätigte damit eine Entscheidung aus der Vorinstanz. Die Stadt sei nicht verpflichtet, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen. Die Behörde müsse die Interessen der Nachbarschaft und das öffentliche Interesse an dem Festival – früher „Internationales New Jazz Festival Moers“ – mit jahrzehntelanger Tradition berücksichtigen und gegeneinander abwiegen. Es sei aber nicht ersichtlich, dass die kulturelle Bedeutung eindeutig überwiege.

„Bei genehmigten Veranstaltungszeiten für Konzerte am Rodelberg von insgesamt 39 Stunden an vier Tagen ist nicht erkennbar, dass weitere drei Stunden unerlässlich wären, um das Festival noch sinnvoll stattfinden lassen zu können“, heißt es in der Begründung des OVG. Die Stadt hatte die Konzerte von Freitag bis Sonntag jeweils bis Mitternacht und an Pfingstsonntag bis 22.00 Uhr genehmigt.

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