Website-Icon xtranews – das Newsportal aus Duisburg

Wenn der Schein trügt: Hubertus Heil bei der GfB Duisburg

Photo: Christian Spließ

Als Hubertus Heil zusammen mit Bärbel Bas die beeindruckend große Werkstatthalle der GfB an der Wörthstrasse 128 betritt, wirkt er trotz der beginnenden Wahlkampfendphase entspannt und leutselig. Schließlich ist er hier, um sich über die Arbeit der GfB, der Gemeinnützigen Gesellschaft für Beschäftigungsförderung, zu informieren. Es wird also um das gehen, was die Kernkompetenz des Ministeriums ist: Die Arbeit. Was der Minister nicht ahnt: Ein Teil der dort anwesenden Kunden*innen wird an dieser Stätte gar nicht ausgebildet oder qualifiziert.

Nach Scheinbeschäftigung sehen die ausgestellten drolligen Schafe nun nicht aus, ebenso wie die aufgestellten mit Gemüse gefüllten Kisten. Sicherlich werden diese bei der GfB hergestellt worden sein. Sicherlich werden sie auch nur für den Minister aufgestellt worden sein, denn das kennt man von sich zu Hause ja: Für den Besuch macht man das Wohnzimmer halt schicker als sonst. Man staffiert also etwas aus, damit es schöner und besser wirkt als sonst. Der unausgesprochene Deal heißt: Ich weiß, dass das sonst hier nicht so aussieht, du weißt, dass es sonst hier nicht so aussieht aber damit die Presse ihre Photomotive hat reden wir mal nicht drüber.

Breit aufgestellt: Die GfB

Geredet wird stattdessen zuerst davon und darüber, was die GfB ist und was sie Gutes für Duisburg tut. Es ist vielleicht nicht jedem klar, dass die GfB durchaus ein groß aufgestelltes Unternehmen ist. Von der Beschäftigung von sogenannten 2-Euro-Jobbern über die Qualifizierung von Jugendlichen ohne Ausbildung, das Organisieren von Umzügen für HartzIV-Bezieher und sogar das Verleihen von Biertischgarnituren für nicht-kommerzielle Zwecke sind im Programm der GfB. Dabei betont Linsen, dass die GfB sich immer bemühe ihren Kunden*innen sinnvolle Beschäftigungen anzubieten. Keine Scheinbeschäftigungen, so drückt sich Linsen aus. Man wolle Jugendliche in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln, auch wenn sie keinen Schulabschluss besäßen: Helfertätigkeiten oder etwas in der Gastronomie findet sich. Man müsse halt nur, so Uwe Linsen, der Geschäftsführer, permanent ausdauernd sein und dranbleiben. Mit den Arbeitgebern reden. Heil nickt zufrieden und zustimmend. Während des Vortrags dringt ab und an ein schleifendes Geräusch aus dem Nebenraum. Arbeiter gehen ebenfalls im Hintergrund hin und her, wobei ein Arbeiter – ein älterer Herr im Blaumann – öfters die Runde macht. Während die Presse weiterhin den Worten von Linse lauscht und mitschreibt, wenn Hubertus Heil etwas anmerkt, scheint im Hintergrund ein Schauspiel abzulaufen.

Statisten für den Minister?

Das scheint nicht nur so, das ist so. Denn das, was der Minister präsentiert bekommt sind laut Informationen der Xtranews-Redaktion größtenteils keine Kunden*innen, die dort vor Ort tatsächlich ausgebildet werden. Tatsächlich wurden wohl von anderen Wirkungsstätten Leute extra für den Minister hergebracht. Vielleicht erklärt das auch die Tatsache, warum man behände immer weitergedrängt wird – begründet wird es mit dem Zeitlimit des Ministers, aber in der Presseeinladung war ausdrücklich angekündigt worden, man könnte mit den Beschäftigen der GfB reden und sich mit ihnen austauschen. Dazu bleibt aber offenbar, leider, leider keine Zeit. Rasch wird man von einer Station des Rundgangs zur anderen gedrängt. Sicher bleibt hinterher noch genügend Zeit mit den Anwesenden der Werkstatt zu reden.

Diese Gelegenheit hätten wir von der Redaktion gerne genutzt. Allein schon um einige O-Töne der Jugendlichen zu bekommen: „Wie lange seid ihr schon hier? Macht es Spaß?“ Allerdings: Kurz nachdem Hubertus Heil in sein Auto stieg und sich die Presse allmählich zerstreute waren die Jugendlichen, die kurz zuvor noch im Holz-Werkraum emsig am Arbeiten waren – voller Stolz wurde dem Minister eine I-Phone-Halterung aus Holz gezeigt, natürlich selbstgemacht – wie vom Erdboden verschluckt. Dass diese eine sehr lange Zigarettenpause hatten – das kann ja schon mal sein. Dass die Bemerkung von der anwesenden Aufsichtsperson fiel, dass man gehen könne, wenn die Presse weg sei – worauf prompt die Frage kam, ob man auch rasch mal eben zum ALDI gehen könne – kann auch nur bedeuten, dass sie ausnahmsweise mal eher Feierabend haben. Die Frauen und Mädchen aus dem Sprachkurs, das konnte man später beobachten, wenn man vor der Halle stand, die zogen tatsächlich um ins Nebengebäude. Allerdings ließ eine Bemerkung aufhorchen: Dass die Halle momentan so leblos sei, so Linse, sei deswegen so, weil die Jugendlichen in ihren Schulungsräumen säßen.


Neben der Halle befinden sich noch etliche Gebäude – auf ebener Erde kann man sogar durch die Fenster in die Zimmer sehen. Nach Schulungsräumen sieht das eher nicht aus. Vielleicht liegen die in den oberen Stockwerken? Und wenn man den Seitenflügel betrachtet, so sind auch da keine Schüler*innen in Massen zu sehen. Auch, wenn man mal in die andere Richtung schlendert fällt auf, dass wirklich nur noch wenige Personen, Beschäftigte, Kunden*innen der GfB anwesend sind. Der Großteil hat seine Aufgabe erfüllt: Sie waren Statisten für den Minister, haben ihre Schuldigkeit getan und konnten wie Othello wieder gehen.

Schieben wir aufs nächste Mal: Fragen, Fragen, Fragen

All das wird Hubertus Heil nicht mitbekommen. Der Minister taucht einen Malpinsel in Farbe, lässt sich erläutern, wozu diese oder jene Holzform dient und die Traube der Journalisten*innen hängt ihm an den Fersen. Kritische Fragen braucht Heil hier nicht zu fürchten und die Gelegenheit ihm welche zu stellen ist auch kaum gegeben – denn nach dem der regionale Fernsehsender ihn interviewte, eilt der Minister rasch zu seinem Auto. Dabei gäbe es so einige Fragen, die man stellen könnte. Welche Maßnahmen funktionieren wirklich und sind nicht nur da, um die Statistik des Jobcenters zu schönen? Bekanntermaßen sind Maßnahmenteilnehmer aus der Arbeitslosenstatistik raus. Warum führen so wenige Ein-Euro-Jobgelegenheiten zu festen Stellen, Herr Heil? Ist das nicht der Beweis dafür, dass Ein-Euro-Jobs gescheitert sind? Gute Frage. Unangenehme Frage.

Duisburg ist natürlich Hafenstadt und Logistikzentrale, Duisburg gehört zur neuen Seidenstrasse. Auch in der Logistik hat die Digitalisierung längst Fuss gefasst und so sehr momentan auch Handwerker – aus leider traurigen Gründen – gesucht werden: Während des ganzen Vortrages kam das Wort Digitalisierung nicht vor. Lässt die GfB das Feld unbeackert? Kaum vorstellbar, selbst eine Helferstelle im Lager hat heutzutage mit der Digitalisierung zu tun. Die Frage, welche Arbeitsplätze wegfallen und welche neu entstehen werden kann nun niemand beantworten. Was man mit all den Leuten machen soll, die wegen der Digitalisierung den Job verloren haben und zu alt sind, um in den Ersten Arbeitsmarkt vermittelt zu werden? Auch das eine Frage, die Heil beantworten können müsste. Oder sollte.

Knapp 1700 Beratungen und an die 970 Vermittlungen in den Ersten Arbeitsmarkt habe die GfB 2019 getätigt, so wird Linsen es am Ende seines Vortrages sagen. Die eindrückliche Botschaft: Man brauche Unternehmen wie die GfB, man brauche den sozialen Arbeitsmarkt. Hubertus Heil lächelt. Die Frage, wie lange es die Vermittelten im Ersten Arbeitsmarkt ausgehalten haben – diese Frage wird ebenfalls auf ein anderes Mal vertagt. Schließlich ist heute auch noch die Ministerkonferenz zum Thema Flutkatastrophe und den Corona-Maßnahmen für den Herbst. Er habe noch viel vor, sagt Heil am Ende des Vortrags. Nach der Wahl.

Die mobile Version verlassen