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In Teufels Küche

costume (public domain)

Ich überredete Kathrina Talmi  – nach der Vorab-Publikation der Einleitung und des ersten Kapitels von „Über Natur“ -, auch noch das kurze zweite Kapitel online zu stellen. Auch dieses zweite Kapitel wird in der PDF-Vorschau enthalten sein, die es ab Herbst auf der Verlagsseite zum Download gibt.

 

2. In Teufels Küche

Doch auch menschliche Sprache könnte, methodisch ähnlich wie das Erdklima, kausal erforscht werden. Irgendwann ist Sprache während der menschlichen Evolution entstanden, unter eventuell präzisierbaren Bedingungen. Und sie wird sich vermutlich in Zukunft weiterentwickeln, in welche Richtung auch immer. Das Forschungsproblem ist: die fragliche Zeitspanne der Entstehung liegt sehr weit zurück; Aufzeichnungsmöglichkeiten waren vermutlich noch nicht entwickelt. Sich auf philosophische Auseinandersetzungen über relativ aktuelle Sprache und auf ihre Interpretation zu konzentrieren, reicht keineswegs aus, um sie den Naturwissenschaften zu entziehen.

Im ersten Kapitel wurde, außer der gestellten Frage nach Perspektiven, allgemein über Wissenschaften gesprochen, anhand von Kriterien. In diesem Kontext fehlt noch eine Präzisierung: Sprache kann Bezugsrelevanz haben und sich aufgrund einer erfolgten Prüfung auf etwas beziehen. Erforderlich für eine Bezugsrelevanz ist ein relevanter Kontext, aus dem lesbar wird, über was gesprochen wird. Zeichen hingegen, auch abstrakte, z.B. die eines wissenschaftlichen Modells, lassen keine Bezüge zu, aber einen Vergleich, insbesondere mit Messdaten, die aus der Wirklichkeit gewonnen werden können (vgl. Pege, K., 2015, S.7-27). Bezug und Vergleich unterscheiden sich, und gemeinsam mit einer wissenschaftlich erforderlichen logischen Vereinbarkeit lassen sich bereits drei Kriterien angeben, die relevant sind.

Meine Aussonderung der Philosophie aus den Naturwissenschaften hat etwas mit der Tradition universitärer Fächer zu tun, weniger mit der Sache. Cassirer (1874-1945) hatte z.B. eine Differenzierung in Natur- und Kulturwissenschaften vorgenommen (vgl. Cassirer, E., 1994, S.56-86), der ein grobes Missverständnis der Natur zugrunde liegt: „Eigenschafts=Konstanz und Gesetzes=Konstanz sind die beiden wesentlichen Züge der physikalischen Welt.“ (Vgl. ebd., S. 74.) Diese Sichtweise, die aus dem 19. Jhd. stammt, war freilich schon damals (1942) veraltet. (Vgl. Freedman, W.L., 1993, mit dem historischen Hinweis auf E.P. Hubble 1929). Die physikalische Wirklichkeit ist, wie die gesamte Natur, dynamisch. Auch die physikalische Wirklichkeit ist entstanden und unterlag dabei sich ändernden Bedingungen. Mehr über das junge Universum zu erfahren, ist inzwischen ein Bestandteil der physikalisch kosmologischen Forschung (vgl. z.B. Aravena, M., u.a., 2016, S.1-27). Cassirers Vokabular ist vermutlich durch Unkenntnis geprägt, das aus einer alten Umgangswirklichkeit zu kommen scheint, die seiner Ansicht nach „radikal entseelt“ wurde (vgl. Cassirer, E., 1994, S.75). Mit Wissenschaft hat dies nichts zu tun, mit Erlebnistraditionen allerdings schon.

Teufels Küche hatte sich mir durch die möglicherweise mangelhafte Berücksichtigung von Logik aufgetan, indem ich zunächst der traditionellen Ordnung der Disziplinen folgte und die Philosophie durch Verweis auf ihr primäres Material, die Sprache aussperrte. Es wird Zeit, konkret zu erörtern, was denn Natur tatsächlich ist.

Literatur

Aravena, M., u.a., 2016, THE ALMA SPECTROSCOPIC SURVEY IN THE HUBBLE ULTRA DEEP FIELD: SEARCH FOR [Cii] LINE AND DUST EMISSION IN 6 < Z < 8 GALAXIES, arXiv.org (https://arxiv.org/abs/1607.06772), S.1-27.

Cassirer, E., 1994, Dritte Studie: Naturbegriff und Kulturbegriff, in: Zur Logik der Kulturwissenschaften, Darmstadt, S.56-86.

Freedman, W.L., 1993, Die Expansionsgerschwindigkeit des Universums, in: Spektrum der Wissenschaft (https://www.spektrum.de/magazin/die-expansionsgeschwindigkeit-
des-universums/820581).

Pege, K., 2015, Eine Theorie des selektiven Bezugs, eBook, Duisburg.

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