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Mettlers Herbert und andere Fraktionen – Dicke Luft in Duisburg

Da ahnt man nicht Böses… – aber so ist das: immer dann, wenn man am wenigsten mit sowas rechnet. Also, um präzise zu sein: ich ahne schon ständig Böses; sonst könnte ich als Polit-Blogger doch einpacken. Tatsächlich passiert ja auch eine ganze Menge … Böses. Aber hier in Duisburg doch nicht. Nicht in dieser beschaulichen Halbmillionen-Metropole an Rhein und Ruhr. Aber trotzdem: der Haussegen hängt schief. Es herrscht dicke Luft in Duisburg. Für Ortsfremde: das ist eine Metapher. Ansonsten wäre „dicke Luft in Duisburg“ – sagen wir mal: nicht ganz so originell. Doch der Ausdruck „dicke Luft“ steht hier nicht nur für eine erhöhte Schadstoffbelastung der den Bürgern zum Zwecke der Atmung kostenfrei zur Verfügung gestellten Substanz. „Dicke Luft“ kann hier auch so viel bedeuten wie „angespannte Atmosphäre“ – wobei: „Atmosphäre“ ist jetzt blöd. Etwas tautologisch. Also, ganz einfach ausgedrückt: in Duisburg gibt es Knatsch. Um präzise zu sein: nicht überall in Duisburg, sondern nur im Rat der Stadt und um den Rat der Stadt herum.

Nochmal von vorn: man ahnt nicht Böses… – und zack: plötzlich gibt es Knatsch. Im Stadtrat und drumherum, sprich: in der gesamten sog. politisch interessierten Öffentlichkeit. Im folgenden „Polit-Szene“ genannt. Zur Sache: was ist passiert? Die Antwort – Achtung Hammer: nichts. Rein gar nichts. Das ist nicht viel, reicht aber aus, die Grünen – präzise: die grüne Fraktion im Duisburger Stadtrat – in schlechte, wenn nicht gar krawallige Stimmung zu versetzen. Um Ihnen die ganze Dramatik des Geschehenen bzw. Nicht-Geschehenen wenigstens halbwegs erspürbar zu machen, zitiere ich aus dem Bericht der WAZ: „Den Bündnisgrünen platzt der Kragen.“ Aus dem Zusammenhang wird deutlich, dass es sich offenbar um Claudia Leiße, die Fraktionssprecherin handeln muss, die dieses Problem der örtlichen Ökopaxe mit der Etikette dem Redaktionsleiter der führenden Tageszeitung gebeichtet haben muss. Frage: wie konnte es bloß so weit kommen? Die Antwort: „Es herrscht Funkstille“, erzählt Claudia Leiße dem Oliver Schmeer. Funkstille zwischen ihr und der SPD.

Wenn Sie jetzt sagen, dass Frau Leiße sich doch darüber freuen könne, zeigt das nur, dass Sie mal wieder keinen blassen Schimmer haben. Gut, das macht nichts, das können wir ändern. Wenn Sie jedoch sagen sollten, wovon ich übrigens dringend abrate, „Na und?! Ist mir doch egal, ob den Grünen der Kragen oder in Hamburg eine Currywurst platzt“, dann zeigt das nur eins. Nämlich, dass Sie unglaublich arrogant sind. Jawohl, arrogant! Also genau das, was in diesem Zusammenhang gegenwärtig der Duisburger SPD allerorten bescheinigt wird. Präzise gesagt: vorgeworfen wird. Denn arrogant Sein, also Arroganz, das weiß ja jeder, das ist nichts Gutes. Präzise gesagt: schon eher etwas Schlechtes. Zum Beispiel, wenn die SPD-Ratsfraktion, wie in diesem Fall, kein festes Bündnis mit einer anderen Fraktion eingeht, sondern „mit wechselnden Mehrheiten je nach Sachlage agiert“ (WAZ). Das ist „arrogant“, heißt es in den Kommentaren zum WAZ-Artikel, schallt es der SPD in der Empörung auf Facebook entgegen.

Was aber ist eigentlich Arroganz? Schwierige Frage. Wenn wir den Begriff bei Wikipedia eingeben, werden wir sogleich an den Hochmut weitergeleitet. Der Hochmut – immerhin eine der sieben „Todsünden“: „Unter Hochmut versteht man seit der frühen Neuzeit den Habitus von Personen, die den Eindruck erwecken, als schätzten sie ihren eigenen Wert, ihren Rang oder ihre Fähigkeiten ungebührlich hoch ein.“ Aha. Aber ob dies bei den SPD-Stadträten der Fall ist? „Hochmut kommt vor dem Fall“, weiß das Volk in seiner Weisheit zu sagen. Aber hat Hochmut wirklich genau die gleiche Bedeutung wie Arroganz? Im Grunde genommen ist es eine gute Sache, dass wir bei Wikipedia nicht fündig werden. Von denen müssen wir uns nämlich, genau wie von der SPD, gar nichts sagen lassen! Gefährliches Halbwissen. Zuständig für derlei Definitionsfragen ist z.B. der Große Brockhaus. „Arrogant“ bedeute „anmaßend, überheblich, dünkelhaft“, steht dort. Ende der Sendung. Da bietet selbst der Duden mehr: „anmaßend, dünkelhaft, überheblich, eingebildet“. Zu allem Übel auch noch „eingebildet“…

Aber was bedeutet „dünkelhaft“? Nicht „Dunkelhaft“, sondern „dünkelhaft“… – habe ich noch nie gehört. „Standesdünkel“ kommt mir dazu in den Sinn; das ist aber auch das einzige. Macht nichts, Wikipedia geht es hier auch nicht besser. „Dünkel“ springt gleich weiter auf „Standesdünkel“, definiert als „spezifischer Hochmut eines Standes gegenüber anderen, als ‚niedriger‘ erachteten Ständen“. Blicken wir also nochmal in den Duden – ja, besser: „Dünkel = übertrieben hohe Selbsteinschätzung aufgrund einer vermeintlichen Überlegenheit; Eingebildetheit, Hochmut“. Allerdings: irgendwie immer dasselbe. Ach, ein „Beispiel: ein intellektueller, akademischer Dünkel“. Mist, auch wieder dasselbe. Außerdem: „ein intel-lektueller, akademischer Dünkel“ bei der Duisburger SPD? Nein, das kann nun aber wirklich nicht sein. Hat aber auch niemand behauptet. „Arrogant“ lautet der Vorwurf – oder auch: „Politik nach Gutsherrenart“ (Claudia Leiße). Nun ja, im Gegensatz zum Gutsherrn sind die Sozialdemokraten immerhin gewählt worden. Und zwar, bis auf einen, in allen Wahlkreisen.

„Überlegenheit; Eingebildetheit, Hochmut“? Zugegeben: 41 Prozent sind nicht die absolute Mehrheit. Es ist aber auch nicht verboten, an dieser Stelle darauf aufmerksam zu machen, dass acht der 84 Ratsmandate an Rechtspopulisten und Rechtsextremisten sowie an eine Dame der NPD gegangen sind. Richtig: selbst wenn man die Braunen raus rechnete, hätten die Sozialdemokraten noch nicht die Mehrheit. Richtig ist aber auch: die SPD steht in der Mitte des demokratischen politischen Spektrums und ist die mit Abstand stärkste Fraktion. Sie ist in allen Stadtvierteln direkt gewählt worden (wofür die anderen Fraktionen, auch die grüne, „Ausgleichsmandate“ erhalten haben). Dass die Sozialdemokraten die Linie der Politik bestimmen, entspricht nicht einer „Politik nach Gutsherrenart“, sondern dem Wählerwillen. Und was den Vorwurf der Arroganz betrifft – ganz ehrlich: den sehe ich nicht. Auch wenn Herbert Mettler, der SPD-Fraktionschef, in der WAZ mit einer Äußerung zitiert wird, die als arrogant interpretiert werden könnte: „Unsere Aufgabe ist es nicht, andere Fraktionen zufrieden zu stellen.“

Ich gebe zu: für Leute, die sich in Duisburg nicht so gut auskennen, könnte sich dies so anhören, als käme hier einmal eine echte Ansage, als habe hier jemand, wie man in meiner Generation noch zu sagen pflegte, „einen Arsch in der Hose“. Doch auch Orts- bzw. Szenefremden müssen beim „Funkstille“-Hinweis der grünen Fraktionssprecherin Bedenken kommen. „Mit SPD-Fraktionschef Mettler habe es noch kein einziges Gespräch gegeben“, berichtet Claudia Leiße. „Arroganz der Macht“? Bei aller Unklarheit über die Definition von „Arroganz“ darf ich Ihnen mal anhand von Beispielen erläutern, was ich für arrogant halte. Als sich zum Beispiel der damalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder die heftige Kritik eines Kollegen an seiner Agendapolitik auf einem Gewerkschaftskongress anhören musste, donnerte er ins Mikrofon: „Da kannst Du sagen, was Du willst. Wir machen das jetzt so. Basta!“ Das war arrogant. Oder als er – noch zuvor – die gesamte Führungsriege der SPD als ein „Kartell der Mittelmäßigkeit“ bezeichnet hatte. Auch arrogant. Keine Frage, wie Schröder zu formulieren pflegt, wenn er kleinlaut einräumt.

Allein die Vorstellung, ein Gerhard Schröder hätte darauf hinweisen können, es sei nicht seine „Aufgabe, andere Fraktionen zufrieden zu stellen“, wäre abwegig. Schröder wäre nie auf die Idee gekommen, dass man dies für seine Aufgabe halten könnte. Schröder hatte die Grünen nicht selten provoziert, manchmal auch bis zur Weißglut. Er hatte sie aber nie ausgegrenzt oder sie, was abgeschmackter gewesen wäre, unter der vermeintlich neutralen Bezeichnung der „anderen Fraktionen“ subsumiert. Schröder wusste selbstverständlich, dass die Grünen aus strategischen Gründen der Präferenz-Partner der SPD sind. Arroganz kann zur Verblendung führen, muss es aber nicht. Wenn Herbert Mettler der Presse erklärt, es sei nicht seine „Aufgabe, andere Fraktionen zufrieden zu stellen“, ist dies nicht einmal arrogant. „Nicht meine Aufgabe“ ist hier die Standard-Ausrede eines in Bedrängnis geratenen Stadtverwaltungsbeamten, der unter Bezugnahme auf das Dienstrecht findet, dass ihm kein Vorwurf gemacht werden könne. Diesen Reflex nennt man nicht „arrogant“. Für diesen Habitus gibt es ganz andere Adjektive.

Es muss so vor dreizehn oder vierzehn Jahren gewesen sein, ich war gerade erst nach Bergheim gezogen, als die Duisburger SPD ihren „Koalitionspartner“ ausgewechselt hatte. Unsere Ratsleute berichteten, dass die Fraktionsspitze ihnen – gleichsam qua ordre di mufti – mitgeteilt hatte, die Grünen rauszuwerfen und stattdessen ein Bündnis mit der FDP einzugehen. Irgendwelche Widerreden einzelner übertölpelter Mandatsträger gegen die entschlossene gut vorbereitete Führung wären nicht ratsam gewesen. Schon in der entsprechenden Sitzung nicht. Und man weiß, wie hart Fraktionsführungen einzelne missliebige Querköpfe für ihre Dissidenz strafen können. Es kam, wie es kommen musste. Adolf Sauerland wurde in der nächsten Wahl Oberbürgermeister. Die Grünen, voller Hass auf die SPD, sicherten ihm zusammen mit der CDU die Gefolgschaft im Stadtrat. Die Sozialdemokraten waren jahrelang weg vom Fenster. Hätte es die Loveparade-Katastrophe nicht gegeben, würden sie noch heute nur zuschauen. Herbert Mettler stammt aus dieser alten Zeit. Das ist ihm nicht vorzuwerfen. Dass er nichts daraus gelernt hat, allerdings schon.

 

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