Website-Icon xtranews – das Newsportal aus Duisburg

Kultur und Zivilisation

Der Heiligenberg im Nebel

Der Heiligenberg im Nebel (Photo credit: Wikipedia)

Dem eingangs beklagten babylonischen Niveau im Gerede über Kultur eine brauchbare Alternative entgegenzuhalten, ist das konkrete Anliegen der Notizen. Der historische Exkurs ist noch lange nicht abgeschlossen, ich möchte dennoch eine Zäsur anbringen, bevor weitere historische Begriffe wie Volk und Wesen (Herder) hinzutreten und einen kulturellen Weg eröffnen, der bis in die Weltkriege des 20. Jahrhunderts reicht.

Der gesuchte Begriff Kultur soll mit Blick auf die heutige Welt etwas Spezifisches bezeichnen können und abgrenzbar sein. Unter Umständen führt die Diskussion sogar in die Anfänge zurück, in bäuerliche Gefilde, unter Verzicht auf Religion. Eventuell hätte man den Begriff in der Landwirtschaft und im Gartenbau belassen sollen. Gesellschaftliche Probleme gäbe es noch genug: z.B. durch die Fragen nach Agrartechnologien und Patenten auf Lebewesen!

Die in Kants Pädagogik gegebene Erläuterungen über Kultur sind aus einem bestimmten Grund eingeflossen: Kant berücksichtigt auch einen Begriff Zivilisation. Die von ihm präsentierten Fassungen von Kultur als auch Zivilisation als erlernbare Techniken und als einübbares Sozialverhalten münden jedoch in eine Frage nach Moralität. Die Ausführungen werden zu einer diskursiven Vorstufe, die in seine rationalistische Moralphilosophie verweist, in ein völlig anderes Terrain. Ein solcher, vergleichsweise weltabgewandter Zug, wird erst verständlich, begreift man Kants Moralphilosophie auch als ein gesellschaftliches und politisches Engagement im Kontext der Aufklärung und der französischen Revolution.

Meine Sympathie gilt freilich Kants Anliegen, sprachlich zu unterscheiden. Weshalb sollte man, wie es innerhalb der modernen Kulturwissenschaften üblich geworden ist, Kultur erläutern, in dem auf Zivilisation verwiesen wird, den Begriff letztlich tilgen und damit die Frage erlauben, ob es dann noch eine ‘Kulturwissenschaft’ geben kann. Ein mögliches Spektrum reicht aber noch weiter: auch Begriffe wie Künste oder Wissenschaften sind Sammelbegriffe, die allerdings auf jeweilige sachliche Ähnlichkeiten verweisen. Die Künste lassen sich z.B. ästhetisch, die Wissenschaften wissenschaftstheoretisch aufgreifen und diskutieren. Eine Kultur im allgemeinen, wie sollte man darüber sprechen, und worüber? Sogar eine einfache Abgrenzung von Tieren, wagt man einen Blick in die Biologie, ist längst nicht mehr möglich, auch wenn es sich bei den beobachteten Leistungen von Tieren zumeist um spezielle Fähigkeiten oder Verhaltensweisen handelt.

Begriffe Zivilisation lassen sich ihrer Herkunft und ihrem alltäglichen Gebrauch nach viel eher auf Gemeinschaften beziehen. Lateinisch civis, Bürger, kann angeführt werden, ebenso die Aufnahme in die französische Sprache während der Aufklärung. In Deutschland, sieht man von einzelnen Übernahmen aus dem Französischen ab, gewann ein Begriff Zivilisation erst durch Elias (Über den Prozess der Zivilisation, 1939) an sprachlicher, zunächst jedoch nur theoretischer Relevanz. Es wäre möglich, menschliche als auch andere Gemeinschaften als Zivilisationen zu bezeichnen und sich auf die jeweiligen Bedingungen und Ausprägungen zu konzentrieren: allerdings nur in Zusammenhängen, in denen eine solche Begriffsbildung zum jeweiligen Selbstverständnis der Gemeinschaften gehörte bzw. gehört. Vielfach wurde von mir darauf hingewiesen, dass sich ein Begriff ‘Kultur’ historisch nicht einfach übertragen lässt. Dies gilt ebenso für Begriffe Zivilisation. Es wäre explizit anzuführen, dass es sich um ein sprachliches Hilfs- bzw. Theoriekonstrukt handelt, um z.B. eine Vergleichbarkeit zu ermöglichen. Es gab kein Kulturverständnis im alten Griechenland, ebenso keine Zivilisation in langen Phasen der deutschen Entwicklung.

Um zu verhindern, dass sich die Probleme im Umgang mit Kulturbegriffen auf Zivilisationsbegriffe verlagern, würde ich dafür plädieren, nicht Gemeinschaften, ihr Verhalten und ihre Erzeugnisse  einzubeziehen, sondern lediglich die geschaffenen Bedingungen für das Leben und die Entwicklungen in ihnen. Für Zivilisation  zu sorgen, wäre zentrale Aufgabe, zumindest unter Menschen, der Politik.

—————————————————————
—————————————————————

Die essayistische Notiz “Kultur und Zivilisation” steht im Kontext eines Projektes über Kultur. Der erste Text der Reihe lautet: Der Award, der vorgängige Kultur als Blabla-Laut, der nächste Über die Kunst des Ausblendens.

Drei weitere Texte sind bereits veröffentlicht aber noch nicht eingereiht: Musik ist eine Hure, Das Ende einer Ära und Wenn Träume wahr werden, ist der Alptraum nicht weit

Die mobile Version verlassen