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Kurz vor dem Absturz: Griechenland am Rand

Greece Griechenland 1966 Delphi Griechenland (...

Greece Griechenland 1966 Delphi Griechenland (Elláda Ελλάδα [ɛˈlaða], formell Ellás Ελλάς ‚Hellas‘; Ellinikí Dimokratía Ελληνική Δημοκρατία Hellenische Republik) (Photo credit: gumtau)

Doch, doch: in den Fernsehnachrichten wurde darüber berichtet. Auch den Zeitungen war es eine kleine Meldung auf den hinteren Seiten wert. Es – damit ist die Parlamentssitzung am Donnerstag in Athen gemeint. Nun ja, es gab wahrlich genug andere Dinge, über die zu berichten war. Über den Ausgang der US-Wahl, über die Eröffnung des Parteikongresses in China, und nicht zuletzt über die politischen Ereignisse bei uns selbst. Die Praxisgebühr, das Betreuungsgeld und so. Da müssen die Griechen auch mal an den Rand gestellt werden. Die hatten uns ja wirklich lange genug und ausführlich genug beschäftigt. Irgendwann muss auch einmal gut sein.

Zumal sich das mit der Pleite Griechenlands doch mittlerweile erledigt haben soll. Das hatte doch der Schäuble gesagt: „There will be no Staatsbankrott in Greece.“ Astreine Pressekonferenz! „No Staatsbankrott in Greece“ – was haben wir gelacht! Doch Spaß beiseite: damit war das Thema ja wohl erledigt. Da wird kein Troika-Bericht mehr abgewartet, da wird durchgegeben: „No Staatsbankrott“ – Basta! Von wegen, der habe „seinen Schrecken verloren“, wie Rösler noch im Sommerinterview daher schwadronierte. Geht nicht, gibt´s nicht, Ende! Zumal auch der Merkel das Leid der Menschen in Griechenland sehr nahe geht. Das hat sie selbst gesagt. Na also! Dass die natürlich nichtsdestotrotz weiter sparen müssen, ist natürlich klar.

Genau darum ging es am Donnerstag im Parlament in Athen. Vierzehn Stunden lang. Da war echt was los. Drinnen und draußen. Nach zwei Tagen Generalstreik wieder einmal eine Großdemonstration vor dem Parlament. Und wieder einmal mit Ausschreitungen. Auf dem Bildschirm war zu sehen, wie die ganze Innenstadt und das Parlamentsgebäude unter Qualm standen. Das soll aber nur an ein paar Chaoten gelegen haben, haben sie gesagt. Nun ja, letztlich alles irgendwie verständlich. Bei derartig harten Einschnitten würde sogar auch bei uns protestiert. Wie auch immer: am Ende des Tages hatte die Regierung die Mehrheit für ihr Sparpaket zusammen. Wenn auch nur mit einer Stimme. Egal, Mehrheit ist Mehrheit.

Die ganzen Abweichler unter den Koalitionsabgeordneten sind aus ihren Fraktionen ausgeschlossen worden. Vor allem Sozialdemokraten der guten, alten PASOK. Das haben sie jetzt davon! Andererseits muss man natürlich sehen, dass die Regierung damit prinzipiell nur noch eine Stimme überm Durst hat. Jedenfalls für den Fall, dass die kleine dritte Koalitionspartei, die Demokratische Linke, sich abermals der Sparpolitik verweigern sollte. Zu bedenken ist, dass die große Koalition aus Konservativen (Nea Dimokratia), PASOK und Demokratische Linker das gesamte politische Spektrum abdeckt – abgesehen von der radikalen Linken und den Kommunisten sowie auf der anderen Seite der Goldenen Morgenröte.

Diese faschistische Partei bekennt sich offen zum Nationalsozialismus. Einer ihrer Abgeordneten fiel kürzlich dadurch auf, dass er während einer Live-Talkshow im Fernsehen einer kommunistischen Kollegin mit Karacho ins Gesicht geschlagen hatte. Die Schlägerbanden der Goldenen Morgenrötemachen gezielt Hatz auf Migranten aus dem arabischen Raum, womit sie in Teilen der deklassierenden griechischen Bevölkerung durchaus Anklang finden. Irgendwie kommt einem das Alles ziemlich bekannt vor. Die gegenwärtigen Ereignisse in Griechenland erinnern in frappierender Weise an den Beginn der 1930er Jahre in Deutschland, die Endphase der Weimarer Republik. Eigentlich kann das niemanden überraschen.

Die politisch-ökonomische Verhältnisse ähneln sich nämlich wie ein Ei dem anderen. Griechenland steckt jetzt im fünften Jahr in einer tiefen Rezession. Die Regierung wird – da liegt der Unterschied zu Brüning, der hatte es „freiwillig“ gemacht – von der Troika dazu gezwungen, gegen diesen desaströsen Abwärtstrend anzusparen. Die Sparhaushalte führen regelmäßig dazu, dass die Wirtschaft noch weiter in den Keller rasselt – und zwar etwa mit dem Faktor 1,5. Das heißt: wird der Staatshaushalt um 3% gekürzt, hat dies einen Rückgang des Sozialprodukts um etwa 4,5% zur Folge. In Griechenland ist dieser Effekt seit Jahren lehrbuchgetreu zu besichtigen.

Da hilft es freilich auch nicht, dass die deutsche Bundesregierung den Hellenen für folgsames Verhalten leichtes Entgegenkommen etwa in Form kleinerer Streckungen beim Schuldendienst signalisiert. Das gesamte „Modell“ des Umgangs mit der griechischen Überschuldung wird in sich zusammenbrechen – vermutlich schon im ersten Halbjahr 2013. Wenn, ja wenn… – das griechische Parlament morgen, also am Sonntag, den Haushalt für 2013 beschließt. Der war nämlich im am Donnerstag mit einer Stimme Mehrheit beschlossenen Sparpaket gar nicht drin. Das wird wieder spannend… – vorausgesetzt, in den deutschen Medien kämen mehr als 30 Sekunden in den TV-Nachrichten bzw. ein kleine Meldung auf den hinteren Seiten der Zeitungen.

„Griechenland wird nicht pleitegehen“ – das sagt inzwischen nicht nur Schäuble, das sagen mittlerweile alle in dieser Sache zuständigen Entscheidungsträger. Sollten sie es ernst meinen, müssten sie sich jedoch von ihrer zerstörerischen Austeritätspolitik verabschieden. Nicht ein klein wenig abrücken, vielmehr müssten sie einen radikalen Kurswechsel schlagartig einleiten. Wir Deutsche kennen derartige 180-Grad-Wendungen im Hauruck-Verfahren von unserer Kanzlerin. Im Moment ist es noch schwer vorstellbar, wie Merkel eine Operation wie diese durchzuziehen gedenkt. Die Alternative wäre ein Zusammenbruch Griechenlands noch im ersten Halbjahr 2013. Der würde Merkels politisches Ende bedeuten.

Die Eurokrise ist keineswegs beendet, sie fängt jetzt erst richtig an.

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