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Hochkultur, Operette und Sozialdarwinismus

Armut im Vormärz (Photo credit: Wikipedia)

Die in Frage gestellte Zukunft der Operngemeinschaft hat sich in Teilen der Bürgerschaft zu einer Krise ausgeweitet, in der nach dem Wert von Kultur gefragt wird. Rechnerisch wäre die kulturelle ‚Ehe‘ durchaus zu retten. Die sozialen Folgen wären vielleicht sogar zu verschmerzen, wenn nicht zu einer immer schon fehlenden Solidarität des öffentlichen Kulturbereichs gegenüber den Freien auch eine asoziale Haltung zum Tragen käme, die z.B. Menschen mit Migrationshintergrund und Kinder beträfe! Ob es dabei bewusst um die Ausbildung einer sozialen Rangfolgen ginge, in der Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, keine Rolle mehr spielen, weil man der Ansicht ist, die brauche ohnehin niemand mehr, oder ob man die städtischen Kultureinrichtungen ‚aus Prinzip‘ als unverzichtbar ausweisen würde, wäre gleichgültig.

Ein mögliches Ziel, die anvisierte Einsparung von 7 Millionen € im Kulturbereich zu verhindern, würde nur einige städtische Betriebe retten, zudem nur relativ kurzfristig. Die städtischen Festivals und die freie Szene blieben außen vor, weil ihnen die Mittel längst entzogen wurden. Wer noch von Kultur spricht, bezieht sich auf die städtischen Einrichtungen oder Anteile an Einrichtungen, auf sonst nichts. Zur Bekräftigung wird gerne das Wort ‚Hochkultur‘ eingebracht, wodurch ein Rang geltend gemacht wird, der Bezug ändert sich dadurch aber nicht. ‚Hochkultur‘ bezeichnet die Aktivitäten einiger städtischer Einrichtungen. Relativ kurzfristig wäre die Rettung, weil sich die Kostenentwicklung auch in einer Notlage nicht einfrieren ließe.

Nun ist die Eigenschaft, in städtischer Obhut zu sein, noch kein Nachweis, dem Rang nach ‚hoch‘ zu stehen, sieht man mal von singulären Wertschätzungen separater Individuen ab. Der Auslastung nach ist das Duisburger Theater überwiegend ein Operettenhaus (92%, nach: Deutscher Bühnenverein/Bundesverband der Theater und Orchester, 2008. Die Auslastung der anderen Sparten lag ca. 20% darunter). Man könnte die Operette auch als altbackenes Musical ansehen, den zu verzeichnenden Hang als Flucht in eine vergangene, durchaus beschwingte, nett ausstaffierte Szenerie, die von leisen „Ach“ und „Oh“ begleitet wird. „Schön“, nicht wahr? Aber was, was hat diese emotionale Erleichterungsmöglichkeit mit ‚Hochkultur‘ zu schaffen?

Der Begriff ‚Hochkultur‘ ist in Duisburg ein Kampfbegriff, bei dessen Äußerung es um die Einforderung von angestammten Subventionen geht, zudem um die massive Abwertung anderer kultureller Aktivitäten, gleichgültig um was es sich dabei handelt. Und da die Operngemeinschaft von Düsseldorf aus geleitet wird, kann den Verantwortlichen die Stadt Duisburg und ihre soziale Lage ziemlich egal sein. Die vielbeschworene Hinführung von Jugendlichen zur Musik, die als solche gar nicht zu kritisieren wäre, dient, dies sollte nicht unterschlagen werden, primär dem eigenen Interesse des Hauses: der Heranziehung eines zukünftigen Publikums. Dieses Marketing als sozialen Akt auszugeben, kann verdeutlichen, zu welchen Mitteln man bereit ist zu greifen!

Es ist schlicht eine riesengroße Sauerei, wie in Duisburg seit Jahrzehnten die Pfründe im Namen der ‚Hochkultur‘ eingefordert und zugebilligt werden, auch wenn der Duisburger Anteil speziell an der Operngemeinschaft vergleichsweise klein, die Veranstaltungen vergleichsweise ‚billig‘ sind. Wenn bei einer Aufrechterhaltung aber die Sprachförderung zu streichen wäre, oder der Kindergartenbeitrag steigen müsste, träte ein Sozialdarwinismus offen hervor, der auch politische Auswirkungen hätte.

Den Kulturetat einzufrieren, z.B. auf gesetzlichem Weg, wie Dirksen in DerWesten einbringt, würde der Kultur in Duisburg nicht mehr helfen können, lediglich dem Operettenhaus. Der Etat müsste steigen, um auch die Festivals und die Freien einbeziehen zu können. Solang dies nicht möglich ist, kann es politisch nur darum gehen, intelligent zu sparen, so dass sich daraus eine Perspektive entwickeln lässt: Einen möglichen Weg durfte ich auf Xtranews vorstellen.

Dabei lehne ich die Oper gar nicht ab. Im Gegenteil: Ich würde mich über einen Opernbetrieb freuen, in dem moderne und zeitgenössische Stücke den Ton angäben, zum Beispiel ‚Wozzeck‘ (1921) oder ‚Lulu‘ (Fragment von 1937 – verschiedene spätere Vollendungen) von Alban Berg, ‚Le Grand Macabre‘ (1978, Überarbeitung 1996) von György Ligeti. Und wenn es tatsächlich einmal sein muss, die Zauberflöte zu geben, dann bitte nicht als operettenhaftes Kostüm- oder Klamottenfest, ob nun historisch oder modern ausstaffiert, sondern als durchaus auch amüsantes musikalisches Ereignis, das in die angedeutete Unterwelt führt, letztlich in den Tod.
Die Chance, sich kulturell auszuzeichnen, ist fast dahin, ebenso die Möglichkeit, Verantwortung für die Stadt mitzutragen. Doch auch wenn all dies gelungen wäre, hätte es kaum Einfluss auf die katastrophale finanzielle Lage der Stadt gehabt.

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