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Wie funktioniert die Kreativwirtschaft?

Euskara: Joseph Schumpeter ekonomialaria

Euskara: Joseph Schumpeter ekonomialaria (Photo credit: Wikipedia)

Seit geraumer Zeit hat die Ökonomie die Kultur- und Kreativwirtschaft entdeckt. Sprach man zunächst allgemein von Kulturwirtschaft und hatte dabei die Schwierigkeiten, die jeweiligen Branchen aus den statistisch erfassten Berufsfeldern herauszulösen und quantitativ zu messen, zudem in eine Kulturwirtschaft im engeren und weiteren Sinn zu differenzieren, ist man inzwischen so weit, Kultur- und Kreativwirtschaft zu differenzieren, zudem Förderungen zu entwickeln, die besonders der Kreativwirtschaft Entwicklungsmöglichkeiten geben sollen. Mit der in 2010 begonnenen Ausweisung von sogenannten Kreativquartieren ist im Ruhrgebiet die Frage in den Vordergrund getreten, wie die Kreativwirtschaft in die Stadt- und Stadtentwicklungsplanung einbezogen werden kann.

Dabei hilft es wenig, vorab von Erfolgen zu sprechen, wie dies im Rahmen der Fachtagung CURE am 28./29. März in Essen geschah. Die Gefahr, lediglich verwaiste Stadtteile oder Siedlungen übergangsweise mit Kreativen anzufüllen, um später zahlungskräftigere Mieter zu finden, wie Dr. Hans Mommaas von der Tilburg University hervorhob, ist durchaus gegeben: Der Einfluss der Städte auf den privaten Immobilienmarkt ist gering und ließe sich allenfalls über gebundene Modernisierungskredite für festzulegende Zeitspannen etwas anheben. Grundsätzlich wäre gegen Stadtviertel, in denen die Kultur eine herausragende Stellung hat, auch nichts einzuwenden, wenn nicht die konkreten Herangehensweisen und Erwartungen irritieren würden.

Wirtschaft und Kreativität

Kreativität lebt von Zerstörung und Schöpfung gleichermaßen. Der Ökonom Joseph Schumpeter hat diese Vorgehensweise allgemein für die wirtschaftliche Entwicklung und ihre Innovationen veranschlagt: Er konnte Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts auf eine industrielle Entwicklung zurückschauen, die in vielerlei Hinsicht erstaunlich war. Zu neuen Ideen und Methoden gehört allerdings auch, wie er ebenfalls betonte, deren Durchsetzung im Markt, eine zu erlangende Marktführerschaft. Diese besonderen Bedingungen gelten in der Kreativwirtschaft permanent, soweit nicht bloß ein Service angeboten wird. Die Marktführerschaft kann sogar derart ausgeprägt sein, dass (a) die innovative Leistung – oder das, was man dafür hält – in den Hintergrund tritt, (b) unterhalb der quantitativen Spitze ein Überleben kaum mehr möglich ist.

Was als Innovation zu bewerten ist, lässt sich mit Bezug auf die industrielle Entwicklung des Neunzehnten Jahrhunderts vermutlich leichter beantworten, als es heute im Kontext über Kreativwirtschaft möglich wäre. Und dass technische Innovationen keineswegs immer freudig aufgenommen werden, zeigt der Buchmarkt beispielhaft: Gegenüber den USA demonstriert Europa bei der Digitalisierung eine konservative Haltung, die sich primär um eine zu erfolgende Preisanpassung digitaler Produkte sorgt. Die von hiesigen Verbänden aufgenommene und geschürte Urheber- und Eigentumsdebatte ist auch und gerade eine große Show, die verhindern soll, dass digitale Produkte preiswerter als solche werden, die altbewährte physische Träger haben.

Weshalb Kreativquartiere

Wenn Kreativquartiere keine Übergangsformen zur Rettung von Immobilienmärkten werden sollen, welchen anderen wirtschaftlichen Nutzen könnten sie haben? Betont wird aus ökonomischer Sicht die Bildung von Wertschöpfungsketten innerhalb der Quartiere. Was jedoch hat eine solche Modellannahme mit der Realität zu tun? Unter einer Wertschöpfungskette versteht man gemeinhin einen Prozess der Produktentstehung, an dem verschiedene Marktteilnehmer beteiligt sind. Die Texte eines Titels aus meinem Verlag kamen aus der Umgebung von München, gedruckt wurden die Bücher in Norderstedt. Ein lokales Kreativquartier hätte mir bei dieser Wertschöpfungskette nicht helfen können. Die Oberhausener Sängerin und Autorin Eva Kurowski hat ihr Buch „Gott schmiert keine Stullen“ bei Rowohlt untergebracht, einem Verlag, der in Reinbek bei Hamburg und in Berlin angesiedelt ist. Eine Werbeagentur findet zur Unterstützung einer Kampagne eine geeignete Person für Special Effects in Frankfurt und ein Fotolabor, um erste Abzüge von Fotografien herstellen zu lassen, in Düsseldorf. Um es kurz zu machen: Lokale Wertschöpfungsketten spielen in der Kreativwirtschaft durchaus eine Rolle, jedoch keine zentrale. Mir ist sogar eine Duisburger Werbeagentur bekannt – Team Stiefelhagen – die viele Produktionsabläufe, die ’normalerweise‘ nach außen gegeben werden, in den eigenen Betrieb integriert hat, um sich flexibler und unabhängiger zu machen.

Auf die Ausbildung von Wertschöpfungsketten innerhalb von Kreativquartieren sollte man sich nicht verlassen, besonders dann nicht, wenn es völlig unrealistisch ist, die jeweiligen Branchen so breit anzulegen, dass beispielsweise die Werbewirtschaft mit der in Düsseldorf, Berlin, Frankfurt oder Hamburg konkurrieren könnte. Da ließen sich eher die lokalen Gastronomien anführen, als die kreativwirtschaftlichen Betriebe. Und damit wäre man schon bei dem wichtigsten Vorteil lokaler Kreativquartiere: dem sozialen Leben, dem Austausch, den Parties.

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