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Machen uns die sozialen Netzwerke asozial?

„Die sozialen Netzwerke machen uns eigentlich nur asozialer“, las ich heute den Eintrag meines Facebook- (und realen) Freundes Cemil.

Irgendwie hat er damit recht. Und ihm unbewusst, brachte er mich sehr zum Nachdenken und letztlich damit auch zum schreiben dieses Artikels über das Medium Internet.

An sich sind soziale Netzwerke erst einmal nichts negatives. Meint man damit, dass eigene persönliche private Netzwerk, mit dem sich die Menschen umgeben. Familie, Arbeitskollegen und vor allem auch reale Freunde. So ein Netzwerk ist alles andere als asozial, ist es doch in aller Regel das uns umgebende sichere Netz. Aber das meinte Cemil nicht, wenn er davon schrieb das die sozialen Netzwerke uns eigentlich nur asozialer machen. Denn das persönliche soziale Netzwerk, dass wir uns geschaffen haben und in dem wir auch hineingeboren wurden, ist real, ist spürbar und in den allermeisten Fällen sicher, belastbar und verlässlich.

Cemil spricht, wie es neudeutsch heisst, die social networks an. Also Facebook, Twitter und wie sie alle heissen. Die wahren Fundgruben und unerschöpflichen Quellen für und von neuen Freundschaften, und das sogar weltweit. Freundschaften in Hülle und Fülle, quasi inflationär. Wer bei Facebook, wie ich, derzeit noch unter der 400-Freunde-Marke ist, scheint schon eher recht unbeliebt zu sein. Dazu schreibt auch der SPIEGEL: Freundschaft scheint in der Welt von Facebook weniger ein qualitativer als ein quantitativer Begriff zu sein.

Zwar geht es primär bei diesen social networks um den Austausch von Gedanken, Meinungen und Infos, aber für viele Menschen ist diese Art der Kommunikation oftmals die einzige. Was für viele dieser Menschen ganz sicher auch sehr positiv gesehen werden muss. Oftmals  sind sie aufgrund persönlicher Lebensumstände nicht in der Lage außerhalb ihrer vier Wände Kontakte zu suchen oder zu pflegen. Da bietet das Internet einen sinnvollen Ersatz.

Wie abhängig uns die Netzwelt macht, musste ich im vergangenen Jahr selbst einmal leidvoll erfahren. Nach einem notwendigen Umzug, war ich 3 Tage vom Telefon, und was noch schlimmer war, 7 Tage vom Internet getrennt. Die Telekom brauchte eben diese Zeit, alles wieder neu für mich einzurichten. Es waren merkwürdige 7 Tage. Da stand nun der heiss geliebte neue Laptop auf dem Tisch, und alles was er konnte, war mir nur meine gespeicherten Dateien anzuzeigen. Sonst war alles offline. Welche Qual! Und dennoch: welche Erfahrung!

Was macht nun ein Mensch, der aus vielerlei Gründen von dem weltweiten Netz abgetrennt wurde, mit der ihm nun freigewordenen Zeit? Dieses Luxusproblem wurde dann auch meins. Die ersten beiden Tage hoffte ich noch die Telekom würde bei mir, aus welchen Gründen auch immer, eine Ausnahme machen. Sie tat es nicht! Diese Einsicht verinnerlichend musste ich mir zwangsläufig den Tag neu strukturieren. Und erst da wurde mir sehr deutlich klar, mit welch festem Griff uns das Medium Internet in seinen Klauen hat.

Mein Freund Cemil hat Recht: meine Abhängigkeit von diesen Netzwerken war wirklich zu einem asozialen Verhalten mutiert. Ich stellte fest, dass ich vieles von dem was täglich anlag, davon abhängig machte, welche freie Zeit mir mein Laptop zur Verfügung stellte. Und diese Zeit war oftmals wirklich knapp bemessen.

In den restlichen 5 Tagen meiner Zwangsunterbrechung von der medialen Welt erkannte ich aber sehr anschaulich, dass ich vieles, auch zwischenmenschliche echte und reale Kontakte, habe buchstäblich schleifen lassen. Auf einmal war so viel freie Zeit da, dass es nun zu dem Problem kam, sie  sinnvoll auszufüllen. Lange aufgeschobene Telefonate mit Freunden und Familie wurden auf einmal möglich. Auch eine Besinnung auf sich selbst, in dem endlich auch die Zeit und die Muße da war, ein lange vor sich her geschobenes Buch in aller Ruhe lesen zu können. Besinnung auf den Partner und Umsetzung von vernachlässigten Gemeinsamkeiten, was letztendlich immer partnerschaftsfördernd ist. Im Grunde einfach die Zeit für sich nehmen, die man sonst nur einseitig dem Computer geschenkt hat.

Mir wurde klar, dass ich die Zeit die ich den social-networks-friends gewidmet habe, meinen echten anfassbaren Freunden und auch meiner Familie und meinem Partner abgezogen hatte. Und dies kann oftmals im wirklichen Leben zu irreparablen Problemen führen.

Ich will die sozialen Netzwerke des Internets keineswegs verteufeln. Sie erfüllen in mancher Hinsicht ihren Sinn. Aber sie ersetzen das eigentliche soziale Netzwerk, das uns umgibt, nur in geringster Weise. Sicher ist, dass sich dort auch Freundschaften schliessen lassen, die dann auch mal in echte zwischenmenschliche Kommunikation und somit dann auch tatsächlicher Freundschaft, münden. Aber das dürfte wohl eher die Ausnahme sein.

Die Abhängigkeit vom WWW sollte uns bewusst sein. Sie darf nicht dazu führen, die wirkliche Lebenswelt zu vernachlässigen. Das Medium Internet bietet uns mannigfache sinnvolle und positive Möglichkeiten. Wird es allerdings zum bestimmenden Element des Tagesablaufs ist es eher ein Problem.

Für manche Menschen scheint das Medium allerdings mehr das scheinbar einzige Fenster nach draussen zu sein. In der Annahme vieler Internetkontakte heissbegehrt zu sein, vereinsamen sie stattdessen im realen Leben immer mehr. Sicher auch geschuldet der modernen Gesellschaft, die sich immer mehr dazu entwickelt, zu wenig auf die nähere Umgebung und die dort lebenden Menschen zu sehen. Das Kinder und Jugendliche mittlerweile stundenlang in ihren Zimmern den eigentlich einseitigen Dialog mit ihrem Laptop führen und dort die Kontakte suchen, die sie für ihre Entwicklung brauchen, ist besorgniserregend. Oftmals sitzen die Eltern derweil im Wohnzimmer und bedienen ihren PC. Der sprachlose Dialog mit Freunden in den so genannten social networks kann nie den direkten Kontakt Mensch zu Mensch ersetzen. Zwar schreibt der SPIEGEL in einem Artikel, dass erfolgreiche social networker auch im normalen Leben über viele Kontakte verfügen, da ihnen das Zugehen auf Menschen in beiden Ebenen liegt, — was auch durchaus richtig ist–, aber nicht übersehen werden darf auch, dass es eine bestimmte Anzahl von Menschen gibt, die das Internet missbrauchen. Die gesunde Mischung aus medialen und realen Kontakten vielfältiger Art macht es aus. Die Balance darf nicht einseitig in Richtung Internet ausschlagen.

Und wieder komme ich auf Cemil zurück, der vor wenigen Tagen auch mal schrieb, dass unsere Kinder heutzutage viel Zeit am PC verbringen und kaum noch wissen, wie toll es draussen sein kann „Räuber und Gendarm“ zu spielen, oder ähnliches, was einfach ausserhalb der Wohnung Spaß macht.

Klar ist aber auch, dass es ohne soziale Netzwerke in der heutigen Zeit nicht mehr geht. Der Austausch von Informationen über diese Plattformen ist für viele User sinnvoll, besonders dann, wenn es beispielsweise um Vermittlung von Nachrichten geht, deren Wichtigkeit gerade über solche Netzwerke verbreitet wird. Ich denke hier u.a. an die Nachrichten aus dem Iran, die uns erreichten und auf anderem Wege nicht aus dem Land heraus gekommen wären. Und natürlich macht es auch Spaß sich auf den verschiedenen Portalen zu treffen und auszutauschen, keine Frage. Mein Ansatz ist eben nur, für sich darauf zu achten, das dass eigentliche persönliche Leben dabei seinen ihm gebührenden Anteil hat.

Immerhin haben mich diese 5 Tage ohne Internet in meiner Ansicht reifen lassen, dass ich mir nunmehr immer öfter die Zeit nehme, mich von meinem PC zu trennen. Klappt eigentlich ganz gut. Können Sie ja mal probieren. Trifft ja sicher auch nicht auf jeden zu, aber so ganz allein bin ich mit meiner Meinung sicher nicht auf der Welt. Und mal darüber nachzudenken, kann eigentlich nicht schaden.

Die provokant berechtigte Frage meines Freundes Cemil, ob die sozialen Netzwerke asozialer machen, ist eine durchaus berechtigte, da zum Nachdenken anregende Frage. Es macht uns nicht asozialer, wenn wir den Umgang mit ihnen und dem Internet insgesamt stets kritisch und angemessen hinterfragen und diskutieren.

*eine persönliche Meinung*

erschienen auch bei Vorwärts.de

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