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Integration braucht praktische Handlungen und keinen Populismus

Erfolgreiche Integration hängt nicht von der Beherrschung der deutsche Sprache allein ab, sondern auch von der Offenheit und Bereitschaft der Mehrheitsgesellschaft, den Migranten eine faire Chance im Alltag zu geben.

Es leben mittlerweile schätzungsweise 16 Millionen „Menschen mit Migrationshintergrund“ in Deutschland – hat übrigens schon einmal jemand diese Leute gefragt, ob sie sich selbst so sehen? Bezeichnen sie sich etwa selbst so? Oder ist auch das wieder so eine politisch korrekte „typisch deutsche“ Angewohnheit? Aber in der Gesellschaft sind die meisten Menschen, die man vor nicht allzu langer Zeit schlicht „Ausländer“ genannt hat, trotz guter Ausbildung und freundlichem Charakter nicht sehr sichtbar. Warum?

Integration ist einfach keine Einbahnstraße, so wie sie bisher in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Wenn man in Deutschland von Integration redet, schiebt man alle Schuld für das Scheitern der Integration auf die Migranten. Das ist meiner Meinung nach in dieser Form zu einfach gedacht und falsch.

Die Mehrheit der Gesellschaft hat genauso viel zur erfolgreichen Integration beizutragen wie die Migranten. Jeder Politiker verlangt von den Einwanderern, Deutsch zu lernen, um sich in Deutschland gut zu integrieren. Das hat ja auch rein praktische Gründe, die heutzutage niemand mehr ernsthaft in Zweifel ziehen kann. Doch wurden mir bisher von Seiten der Politik keine Maßnahmenkataloge bekannt, durch die unsere deutschen Mitbürger direkt zur Unterstützung des Integrationsprozesses aufgefordert würden.

Der Integrationsprozess kann nur wirklich erfolgreich sein, wenn folgende drei Faktoren zusammenkommen:

Als erstes muss die Politik klar und verständlich Rahmenbedingungen schaffen, welche die Migranten bei ihrer Integration unterstützend begleiten.

Zweitens müssen die Bürger der Mehrheitsgesellschaft von Seiten der Politik sowie der Medien für deren Rolle bei der erfolgreichen Integration von Migranten sensibilisiert werden. Dabei muß deutlich gemacht werden, welchen Beitrag die Einheimischen selbst zu leisten haben.

Drittens müssen die Migranten natürlich die vorhandenen und noch zu erweiternden Angebote nutzen, um die Sprache des Aufnahmelandes zu erlernen, damit sie in Deutschland auch tatsächlich ihre dauerhafte neue Heimat finden.

Die meisten Integrationsprobleme, von denen wir heute reden, sind der Tatsache geschuldet, dass die oben genannten Faktoren bis heute leider nicht richtig funktioniert haben.

Von Seiten der Politik hat man sogar jahrelang bestritten, dass Deutschland überhaupt ein Einwanderungsland sei. Hinzu kam, dass viele Politiker sich zwar gern immer wieder seit Jahren das Themas Ausländer bedienen, es jedoch nur zu Wahlkampfzwecken verwenden. Die Konsequenz aus diesem Verhalten ist, das die Mehrheitsgesellschaft Migranten pauschal als Problem und Bedrohung wahrnimmt. Und jemand, der Probleme macht, ist nicht willkommen und muss ausgegrenzt werden. Genauso haben sich viele deutsche Mitbürger bisher den Migranten gegenüber verhalten – kontraproduktiv zum Integrationsprozeß.

Dabei trägt jeder Mensch in Deutschland einen wesentlichen Teil zur Integration bei.

Viele Deutsche sind der Meinung, dass Migranten sich ungern Integrieren lassen, weil diese davon ausgehen, das Integration angeblich gleichbedeutend mit Assimilation sei. Aber niemand fragt sich selbstkritisch: Biete ich diesen Migranten als deutscher Bürger tatsächlich auch die Möglichkeiten und Chancen, sich zu integrieren?

Vom einem Volk, dessen Angehörige gerne in andere Länder verreisen, hätte ich eher eine offene Willkommenskultur erwartet. Wenn man in ein fremdes Land kommt, hofft man doch, dass man von den Einheimischen gut behandelt wird. Ganz nach dem Motto: Was für einen Deutschen im Ausland gut ist, ist auch gut für einen Migranten in Deutschland.

Die Frage muß also erlaubt sein: Wie benehme ich mich persönlich als „eingeborener“ Deutscher, um die noch Fremden willkommen zu heißen, um ihnen zu helfen und um mich mit ihnen anzufreunden?

Viele unserer deutschen Mitbürger fordern Integration von Migranten, aber auf der anderen Seite wollen sie nicht, dass Migranten in denselben Mietwohnungen wohnen. Ist das nicht eine Doppelmoral? Ein „Ausländer“ als Nachbar? Oder noch schlimmer: Etwa sogar als Schwiegertochter/Schwiegersohn? Gott bewahre! Viele Migranten in Deutschland werden daher schon bei der Wohnungssuche oft mit Ablehnung konfrontiert. Eine Auswirkung dieses Verhaltens vieler Vermieter ist unter anderem, dass die Migranten sich in bestimmten Ortsteilen ansiedeln, und zwar in jenen, in denen bereits andere Einwanderer leben, die ihnen ein Wohnumfeld ohne Diskriminierung bieten können. Dadurch wächst in diesen Ortsteilen die Anzahl der Migranten. Und was machen die Medien und Politiker dann daraus? Einen „Problembezirk“ mit „Problemfällen“, also ein „Ghetto“. Somit auch ein gefundenes Fressen für diejenigen, die „es“ schon immer gewußt haben wollen…

Wenn es für die Migranten einfacher wäre, überall Wohnungen zu bekommen, dann könnte eine Konzentration von Migranten an einem Ort auch vermieden werden.

In einigen Fällen, in denen die Vermieter ihre Wohnungen vorurteilslos an alle Interessenten vermieten, ziehen Deutsche in der Folge aus, nachdem ein Migrant dort einzog. Kann Integration unter solche Bedingungen funktionieren, egal, wie gut der Migrant die Sprache beherrscht?

Auf dem Arbeitsmarkt treffen wir fast dieselben Probleme mit Personalchefs, die ihre Tätigkeit nicht selten mit diskriminierenden Untertönen ausüben. Liegen ihnen Bewerbungen mit gleichen Voraussetzungen vor – wie oft entscheiden sie sich dann für einer Bewerber mit Migrationshintergrund? Nun wird in verschiedenen Ländern mit sogenannten anonymen Bewerbungen experimentiert. Spätestens jedoch, wenn der oder die BewerberIn dann aber zum persönlichen Vorstellungsgespräch erscheint (weil er nun wenigstens eingeladen wurde), ist „das Problem“ wieder da. Die Personalchefs haben also eine wichtige Rolle bei der erfolgreichen Integration in Deutschland inne. Die Auswirkungen der bisherigen Praxis: Man sieht in verantwortungsvollen Positionen wenige Migranten. Sie sind im Alltag praktisch unsichtbar, und deshalb fehlen den Kindern der Einwanderer die erfolgreichen Vorbilder (außer Fußballern und Musikern), denen sie nacheifern können.

Bei solchen Zuständen, wen wundert es da noch, dass die Kinder die Lust zum Lernen verloren haben, ja, sie erst gar nicht entdecken können? Welche Gründe hätten sie, um zu lernen? Was nutzen ihnen die Zeugnisse, wenn sie damit später sowieso arbeitslos sein werden? Unter anderem deshalb, weil viele Personalchefs ihnen nicht die möglichen Chancen bieten. Ist das nicht eine Schande in einem Land, das nun plötzlich demonstrativ und lauthals nach ausländischen Fachkräften verlangt, ohne die die heimische Wirtschaft angeblich zusammenbräche? Viele dieser Kinder wachsen also in ein Leben hinein, das von Hartz IV-Empfang, arbeitslosen Verwandten sowie Bekannten geprägt ist. Was soll diese Kinder nun dazu motivieren, in der Schule fleißig zu sein? Gab es da nicht den prägnanten Spruch (den man als Kind damals sowieso nicht mehr hören konnte) „Nicht für die Schule, fürs Leben lernen wir“?

Die Migranten leben in Deutschland eher am Rande der Gesellschaft. Sie treten meistens bei ungeliebten Jobs, die Deutsche nicht haben wollen, in Erscheinung. Wohl jedem ist schon mal die „Migranten Klofrau“ begegnet, doch wer hat sich darüber eigentlich schon mal gewundert? Man nimmt es hin, weil „es eben so ist“, und vor allem „kann man ja sowieso nichts daran ändern“.

Wenn wir von Integration sprechen, dann sollen wir übrigens auch die öffentliche Verwaltung betrachten.

In Deutschland sieht man in Zusammenhang mit der Polizei bislang kaum Migranten, außer als Verdächtige oder Täter in den Statistiken. Wie viele Migranten sind inzwischen im Polizeidienst? Nur ganz, ganz langsam scheint sich das Blatt zu wenden. Laut wdr.de gibt es beispielsweise unter den 39000 Polizisten in Nordrhein-Westfalen 120 Kommissare mit ausländischen Wurzeln. Mittlerweile wirbt die Polizei gezielt um Bewerber mit Migrationshintergrund. Auf die erfolgreichen Beispiele für eine gelungene Karriere als Polizeibeamter greift man nun gern zurück, um einen besseren Zugang zu den Angehörigen der „fremden Kulturkreise“ erhalten zu können und nicht von vornherein abgelehnt und als „Feind“ betrachtet zu werden. Die Polizei muss die Vielfalt der Bevölkerung jedoch ebenfalls darstellen, oder sind Sprüche wie „Spiegel der Gesellschaft“ doch nur hohle Phrasen? Hoffentlich nicht.

Die Ausländerbehörden sind die ersten Kontaktstellen für die einreisenden Migranten. Wie viele Migranten arbeiten denn bei den Ausländerbehörden? Die meisten Mitarbeiter dort sprechen kaum zwei Sprachen, und Migranten sind unter der Belegschaft kaum vertreten. Normalerweise sollen Ausländerbehörden Orte sein, wo die Migranten sich an ihren ersten Tag im neuen Land willkommen geheißen fühlen sollten. Aber weit gefehlt – die Ausländerbehörden sind für die meisten Migranten in Deutschland furchterregend. Sie sollen sich hier anscheinend ja bloß nicht zu wohl fühlen – oder?

Wohin man auch schaut, gibt es einen nur verschwindend geringen Anteil von Migranten an entscheidenden Stellen, die als Vorbilder für die jüngere Generation dienen könnten (z.B. die Lehrerschaft, die Manager etc.).

Die Medien spielen ebenfalls eine sehr wichtige Rolle. Die Fernsehbeiträge, die Filme, die Dokumentationen spiegeln die wahre Vielfalt dieser Gesellschaft selten wider. Wenn überhaupt über Migranten gesprochen wird, dann öfter mit negativem Bezug. Es muss jedoch zur Normalität werden, dass Migranten einfach dazu gehören. Warum müssen überhaupt sogenannte „Nischensendungen“ produziert werden, um über erfolgreiche Migranten zu sprechen? Damit der Ausländer (bzw. auch der an anderen Kulturen ernsthaft interessierte deutsche Bürger) mal aus seiner exotischen Abstellkammer hervorgezerrt und präsentiert werden kann, wenn es gerade wieder einmal politisch opportun ist, zum gegenseitigen politisch korrekten Schulterklopfen? Oder weil ihm die Gnade zuteil wird, das man sich wieder jemand einmal für ihn interessiert? Oder um vor ihm zu warnen? Leben denn all diese Menschen nicht schon längst in diesem Land? Die „Mainstream“-Medien müssen ihre Verantwortung in der Gesellschaft ernster nehmen und dürfen sich nicht unwidersprochen von Populisten ausnutzen lassen, die mit ihren Thesen die Gesellschaft weiter spalten.

Jeder Politiker weiß, dass das deutsche Schulsystem reformiert werden muß, um die Situation von Migranten in den Schulen zu verbessern. Als Erstes müssen alle kleinen Kinder pflichtmäßig in eine Vorschule geschickt werden. Das führt dazu, das die Deutschen und die Migrantenkinder von klein auf miteinander leben und sich kennenlernen. Nebenbei wird die deutsche Sprache in diesem Alter sehr schnell gelernt, sozusagen automatisch. Unter diesen Umständen zerbrechen sich die betroffenen Kinder darüber überhaupt nicht den Kopf – wer das als Problem sieht, sind lediglich die Erwachsenen.

Warum schafft man es also in einem reichen Land wie Deutschland nicht, Bildung für alle zu ermöglichen? Etwas, was so manches „Entwicklungsland“ besser hinbekommt, und das ohne langes Lamentieren? Der Besuch von Ganztagsschulen muß für alle Schüler Pflicht werden und darf nicht nur als Option angeboten werden. Viele Deutsche reden davon, dass Migranten Integration verweigern, aber offensichtlich sind das dieselben Personen, die es mit aller Macht ablehnen, dass ihre Kinder mit Einwandererkindern in denselben Klassen sitzen.

Wie können diese Kinder und die Erwachsenen also gutes Deutsch lernen, wenn kaum Kontakte zu Deutschen bestehen?

Ich wohne seit fast zwanzig Jahren hier in Deutschland. Ich habe hier studiert, spreche fließend Deutsch, aber auch ich fühle mich in Deutschland immer noch nicht integriert. Ich erlebe von Seiten der Mehrheitsgesellschaft oft Ablehnung, z.B. bei der Wohnungs- und Arbeitssuche.

Deswegen ist meine These: Erfolgreiche Integration hängt nicht ausschließlich von der Beherrschung der deutschen Sprache durch die Einwanderer ab, sondern auch von der Bereitschaft der Mehrheitsgesellschaft, den Neubürgern eine faire Chance im Alltag zu geben. Zweitens muss die Mehrheitsgesellschaft den Migranten das Gefühl geben, dass sie wirklich integraler Bestandteil von ihr sind.

Solange wir Migranten durch anstarren, durch beschimpfen oder durch respektlose und unfreundliche Behandlung das Gefühl vermittelt bekommen, dass wir nicht dazu gehören, solange werden wir uns über das Problem Integration in Deutschland streiten.

Wenn man solange von der Mehrheitsgesellschaft abgelehnt wird, entwickelt jeder Mensch eine eigene Strategie für sich selbst, wie er oder sie mit der Situation umgeht. Einige Leute kapseln sich in sogenannten Parallelgesellschaften ganz von der Mehrheitsgesellschaft ab, einiger versuchen trotzdem immer wieder, sich Zugang zu der Mehrheitsgesellschaft zu schaffen, doch nur mit magerem Erfolg. Wegen dieses „Hamsterrad-Effektes“ hat nicht jeder den Mut, sich der zweiten Alternative und den damit verbundenen Unannehmlichkeiten zu stellen.

Anhand meiner Feststellung liegt der Schlüssel zur erfolgreichen Integration schätzungsweise zu 60 % in den Händen jedes deutschen Bürgers.

Ist Deutschland interessant genug für Fachkräfte?

Es ist nicht das erste Mal, das die Politik Fachkräfte aus dem Ausland anwerben möchten. Ganz zu Anfang gab es das ja schon einmal – in Hinblick auf die „Gast“-Arbeiter. Und welche Ergebnisse hatten wir bei der Greencard-Aktion von Ex-Kanzler Schröder? Wie viele Fachkräfte sind der Einladung tatsächlich gefolgt? Und wie viele sind davon jetzt noch im Lande? Die Politik und die Gesellschaft vergessen, dass Deutschland beim Versuch, Fachkräfte zu gewinnen, in der Konkurrenz mit anderen westlichen Ländern steht.

Die Entscheidung von Fachkräften, auszuwandern, hängt nicht nur allein von der Höhe der Gehälter ab, sondern auch davon, wie sie in dem Gastland aufgenommen werden. Deswegen fürchte ich, dass die Fachkräfte einen Bogen um Deutschland machen, wenn es keine deutlichen Veränderungen für mehr Gastfreundschaft und Toleranz gegenüber Migranten in unserer Gesellschaft gibt.

Betrachten wir die ausländischen Studierenden an den deutschen Universitäten. Obwohl in den Niederlanden, Frankreich und anderen EU-Ländern höhere Studiengebühren bezahlt werden, studieren sehr wenige Holländer in Deutschland. Auf der anderen Seite studieren viele Deutsche in Holland. Wir müssen herausfinden, warum Deutschland überwiegend für Flüchtlinge interessant ist, aber für Fachkräfte uninteressant.

Die Flüchtlinge sind froh, ein Dach über dem Kopf zu haben, und es ist ihnen egal, ob sie von der Mehrheitsgesellschaft akzeptiert werden oder nicht. Gerade auch die deutsche Bevölkerung sollte nach den schrecklichen Weltkriegen doch Verständnis für ihre Lage aufbringen. Eine Fachkraft möchte sich schon gerne auf Dauer dort wohlfühlen, wo sie wohnt und arbeitet. Deswegen sucht sie sich ihre Zielländer nach bestimmten Kriterien ganz genau aus.

Neue Gesetze alleine reichen nicht, um Fachkräfte für Deutschland zu gewinnen, und sie allein werden den Integrationsprozess nicht beschleunigen. Jeder von uns muss in seinem engsten Umfeld kleine Beiträge zur Integration leisten.

Die Autorin Veye Tatah ist Dipl. Informatikerin(www.veye-tatah.de). Zurzeit arbeitet sie als selbständige Beraterin und Projektmanagerin. Sie ist Chefredakteurin des internationalen Magazins Africa Positive mit Sitz in Dortmund. In Februar erhielt sie für ihr ehrenamtliches Engagement in der Gesellschaft das Bundesverdienstkreuz am Bande.

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