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Sage mir Zeitung: Wie hältst du es mit Online, sprich?

„Besser online“ – das ist eine Tagung des DJVs, bei der über Online-Themen gesprochen wird. Also eine der Veranstaltungen, die keinen richtig weiterbringen dürfte weil Journalisten und Blogger einfach nicht zusammen kommen können. Das war schon 2004 so als es die ersten richtig einflußreichen Blogs gab, das hat sich in den sechs Jahren nicht geändert. Immer noch werden Blogger meistens als die böse Konkurrenz wahrgenommen, die die Fundamente des Journalismus – „objektiv!“ – untergraben. Dass es weder DIE Blogger noch DIE Journalisten gibt ist klar.

Wenn allerdings das Wort Qualitätsjournalismus auftaucht halte ich mir immer den Bauch vor Lachen. Eigentlichen müsste man ihn sich vor Schmerzen halten, aber leider kann man es nur lächerlich finden. Da setzen Verlage haufenweise Journalisten auf die Straße, führen lange, lange Klickstrecken ein, prunken in ihrem Webangebot mit seichtem Paris-Hilton-Jounalismus und werfen sich dann schwungvoll ein „Qualität können nur wir“ an die Brust? Lächerlich.

Genauso lächerlich übrigens das Anbeten der neuen Tablets – als ob das iTab von Apple jetzt schlagartig für höhere Verkaufserlöse sorgen wird nur weil es eine Applikation für meine Tageszeitung gibt, die im Endeffekt nur ein Faksimile des Totholzproduktes ohne jeglichen Mehrwert ist? Was die meisten Apps dafür wohl auch momentan sind, von etlichen Ausnahmen mal ausgenommen? Stellt man dadurch den Zugang zum Safari-Browser und Google-News ab?

Ja, den Tageszeitungen geht es schlecht. So schlecht dass selbst die WAZ Postwurfsendungen in NRW verteilt, bei denen man anonymisiert an einer Umfrage teilnimmt, aber selbstverständlich auch ein Probeabo bestellen kann. Das liegt am Internet, natürlich. Denn das Internet brachte Google-News und plötzlich konnte man als Leser sehen, dass eine einzige Agenturmeldung ungekürzt in Dutzenden von Zeitungen erschien. Natürlich verliere ich dadurch das Interesse an diesen Meldungen nicht – aber ich hole sie mir dann direkt von der Quelle. Ist auch aktueller.

Was die Verlage nicht erkennen ist, dass sich jetzt eine zweite Revolution vollzieht – mit dem iTab und den immer günstigen eBook-Readern bekommen Totholzprodukte Konkurrenz. Das Leseverhalten verändert sich enorm mit diesen Geräten. Die Potentiale haben Zeitungsverlage noch nicht mal ansetzungsweise erkannt. Es ist wie bei einer Buchverfilmung: Natürlich könnte ich jede Buchstabenseite groß auf die Leinwand werfen – von Seite 1 bis zum bitteren Ende. Das würde aber kein Mensch so lesen wollen. Also übersetze ich den Inhalt des Buches in ein anderes Medium, das mit anderen Mitteln arbeitet.

Genau das aber passiert momentan noch: Digitales Nachäffen des analogen Mediums. Wie man „so besser online“ werden möchte entzieht sich meinem Verstand zwar aber okay. Wenn Journalisten ihren Lesern keinen Zusatznutzen verschaffen möchten, deren Problem. Wenn Journalisten sich bei der Papierausgabe nicht auf die Stärke des Mediums besinnen wird es in drei Jahren keine gedruckte Ausgabe mehr geben.

Die wird man dann vermutlich auf dem iPad lesen.

Oder auf welchem Ausgabegerät auch immer.

Ob es generell keine Tageszeitungen in drei Jahen geben wird wie Markus Hündgen auf der Tagung behauptet haben soll  – das sehe ich eher gelassen. Es wird sicherlich das Format an sich überleben. Menschen möchten gerne informiert sein, auch über Dinge die lokal vor sich gehen. Wie bei „The Prisoner“ wird man sich dann wohl sein Exemplar ausdrucken lassen können – es gibt Bahnhofsbuchhandlungen, die das auf Wunsch schon heute tun, für den Kunden die aktuelle Ausgabe der „Times“ ausdrucken: Kein Thema.

Es kommt aber auf den Inhalt an. Wenn der mies ist, nutzt einem keine glänzende Phoneapplikation. Und gerade hier spiegelt sich das Dilemma des Journalismus wieder: Weltweite Nachrichten finden sich im Internet an jeder Ecke, meistens kommen die von einer Agentur und werden nur geringfügig verändert. Für das, was den Leser interessiert, für den lokalen Anteil also, sind dank der rationalen Arbeitsplatzfreisetzungen der Verlage wenige Journalisten vorhanden. Diese wenigen müssen aber dann einen größeren Bereich abdecken – was dann zu schlampigen Berichten, nachlässig umgschriebenen Meldungen und lieblos hingekritztelten Bratwurstjournalismus führt.

Dabei ist der Kunde durchaus bereit zu bezahlen wenn der Inhalt stimmt – wie anders lässt sich der permamente Verkaufsanstieg der Cicero erklären? Gut, zugegeben, dies ist eine Zeitschrift und erscheint nur einmal im Monat aber ist es nicht dennoch bemerkenswert dass die Cicero keine Probleme hat Leser zu finden? Gerade auch weil sie nicht gerade einfache Artikel zu bieten hat? Aber was tun diese Artikel denn? Sie tuen das, was eine gute Zeitung tun sollte: Sie ordnen für den Leser die Welt – mit ausgewogener Berichterstattung, ungewöhnlichen Gastautoren und interessanten Themen. Ebenso wie die BrandEins übrigens. Oder K.West.

Im schnelllebigen Zeitungsgeschäft scheint gerade diese Tugend verlorengegangen zu sein: Das fundierte Einordnen der Fakten für den Leser. Es regiert die rasche Meldung, die Aktualitätswut. Ja, eine Zeitung muss aktuell sein, sicher. Gegen Twitter aber sieht jede Zeitung alt aus was das anbetrifft.

Insofern: Zeitungen müssen ihr Profil wiederfinden. Sie müssen den Leser mitreißen mit fundierter Qualität, interessanten Geschichten und spannenden Reportagen. Dazu gehört ein ausgeklügeltes Online-Konzept, das bewußt auch auf Twitter oder Facebook setzt, das aber hier andere Formen und Inhalte benötigt. Gelingt dies muss man sich um die Zukunft keine Sorgen machen. Doch scheint es, dass die Verlage hier erneut einen Trend verschlafen. Diesmal könnte kein Prinz erscheinen um das Medium wachzuküssen.

Photo: pittigliani2005
CC-Lizenz: BY-NC-ND

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