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Renate Künast: „Der real stattfindende Umbau ist radikal“

„Mit plakativen Forderungen erreicht man heute nichts mehr. Radikalität geht heute anders. Der real stattfindende Umbau ist radikal. Wir setzen auf die intelligente Verbindung von Regeln und Anreizen. Wir wollen zum Beispiel die Kfz-Steuer nach dem CO2-Ausstoß staffeln.“
Renate Künast im „Spiegel“-Interview (Heft Nr. 38 vom 20.09.2010)

Ja, das ist intelligent: die Staffelung der Kfz-Steuer nach dem CO2-Ausstoß. Damit kontert die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag die Forderung nach einer generellen Erhöhung der Ökosteuer, die sie zwar einerseits „gar nicht ablehnt“, andererseits aber, weil sie den „Normalverbraucher“ belastet, für nicht ganz so intelligent hält.
Die „Spiegel“-Redakteure hatten sich erst gar nicht getraut darauf hinzuweisen, dass im Gegensatz zur kilometerunabhängigen Kfz-Steuer die Mineralölsteuer die tatsächlich verursachte Umweltbelastung erfasst. Aus Sorge, dass dieser Einwand als ganz und gar unintelligent abgetakelt worden wäre? Dass Frau Künast erwidert hätte: „Na, wie doof ist das denn“? Keine Ahnung …
Egal, klar ist jedenfalls: „Radikalität geht heute anders.“ Und bei einem solchen Satz ist auch absolut klar: da ist nichts redigiert worden. Den hat Renate Künast genau so und nicht anders gesagt. Da erscheint ihre Gestik und Mimik vor dem geistigen Auge. Und wenn sie dann auch noch direkt hinterher schiebt: „Der real stattfindende Umbau ist radikal“, dann mag man keine unintelligenten Fragen mehr stellen.
Dumme Fragen wie etwa: „Ist nicht auch der radikal stattfindende Umbau irgendwie auch real?“ Besser nicht. Damit würde man sich nur in Verdacht bringen, genau so ein theorielastiger Schwätzer zu sein wie die Schnösel von der grünen Jugend. Denen ist Frau Künast nämlich nicht mehr radikal genug, zu bürgerlich und so.

Da hilft nur eins: diskutieren, diskutieren, diskutieren. Also diskutiert sie mit der grünen Jugend. Und dabei zitiert sie auch den Karl Marx – „zu deren großer Freude“, wie die Fraktionsvorsitzende in ihrer unnachahmlichen Art berichtet. Und nun raten Sie mal, was der gesagt hat, der Karl Marx? Guckst Du: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“
Ja, der Karl Marx – war bestimmt auch so ein Realo. Nicht groß herumphilosophieren, sondern sich sachkundig machen. Und dann loslegen und als sachkundiger Bürger schon mal in der Ratsfraktion dabeisitzen dürfen. That´s it! Einerseits. Andererseits auch wieder irgendwie nicht; denn: „Ein Defizit der Grünen will ich zugeben“. Die jungen Leute, die jungen Leute … Jetzt trauen sich die „Spiegel“-Redakteure nachzufragen: „Die Grünen haben zu viele Karrierepolitiker?“
Nun, es ist ja so … Früher, also wir damals … Das kann man doch gar nicht vergleichen! Andererseits: man muss es vergleichen. Und deshalb antwortet Renate, die alles Mögliche im Kopf hat, nur eben nicht ihre Karriere: „Diejenigen, die bei uns heute neu anfangen, starten unter völlig anderen Voraussetzungen als die Gründergeneration. Wir haben auf der Straße protestiert …“
Blablabla usw. usf. also: Ja. Dagegen: wir damals. Das war einfach eine ganz andere Zeit. 1978 zum Beispiel. Udo Lindenberg singt Tutti Frutti

Ich traf ein Mädchen
die hieß Renate
hm – das war so ’ne Granate
ich traf ein Mädchen
die hieß Renate
hm – das war ’ne ganz schön harte
und als es dann losging
da merkte ich eins …

Ja, das hatte ganz schön gerockt! Damals! Heute dagegen: wieder eine andere Zeit. Die Grünen sind erwachsen geworden. Richtig schön groß geworden. Nur noch zwei Punkte hinter der SPD, meint Forsa: Grüne 22 %, SPD 24 %. Okay, so einen hohen Wert für die Grünen misst sonst niemand, so einen niedrigen Wert für die SPD auch nicht. Bei allen anderen Instituten beläuft sich der Abstand zwischen diesen beiden Parteien zwischen 10 und 15 Prozent.
Wie auch immer: auf den Abstand kommt es an. Und zwar auf genau diesen. Der Renate Künast wie dem Siegmar Gabriel, der Medienlandschaft und mir übrigens auch. „Wir träumen nicht davon, eine Volkspartei neuen Typs zu werden“, sagt Renate Künast im „Spiegel“-Interview. Andererseits ist es „nicht automatisch so, dass die SPD im linken Lager den Ton angibt“. Sagt Renate Künast. Das muss sie ja auch sagen! Das ist ihr Job.
Keine Volkspartei sein wollen, aber vor der SPD liegen wollen. Irgendwie gemein, aber der real stattfindende Umbau ist radikal. Und Radikalität geht heute anders. Da kann der Sigmar Gabriel sich auf den Kopf stellen und mit den Beinen wackeln; es ist, wie es ist: mit plakativen Forderungen erreicht man heute nichts mehr. Das ist aber kein Grund zum Verzweifeln, Sigmar. Die Renate setzt nämlich auf die intelligente Verbindung von Regeln und Anreizen.

Na, dann mal ran, Siggi!

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