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Leben mit Hartz-4 ?

Ursula von der Leyen plant ein Nachdenken über die Hartz-4-Gesetzgebung, wie heute vermeldet wird. Das ist sicher gut und richtig. Nur sollte am Ende für die Betroffenen auch etwas sinnvolles herauskommen. Die Entwicklung der Hartz IV-Bezüge soll sich nach den Plänen der Ministerin bald an Nettolöhnen und Inflation orientieren, anstatt wie bisher an der Rente. Das würde eine Anhebung der Bezüge bedeuten. Diese Meldung veranlasst mich, die Situation vieler, sicher nicht aller, Hartz-4-Bezieher und Bezieherinnen mal von der menschlichen Seite her zu betrachten. Dies kann sicher nur eine eigene subjektive Betrachtung sein. Aber alles, worüber ich schreibe, ist mir aus meinem Umfeld her bekannt.

Überleben mit Hartz-4

Jeder von uns kennt zumindest in seinem/ihren Bekannten,-Freundes,-oder Familienkreis Menschen, die von Hartz-4 leben müssen. Oftmals sind dies auch Menschen, die vormals jahrelang Arbeit hatten und aufgrund von sogenannten “Weltwirtschaftskrisen” ihre Stellung verloren. Andere verloren sie durch gewissenloses Missmanagement ihrer damaligen Geschäftsleitung, wieder anderen wurde gekündigt aus diversen Gründen, oder es gab gesundheitliche und/oder soziale Probleme, die es den Menschen nicht mehr möglich machten, weiter ihrer bezahlten Arbeit nachzugehen. Sicher gibt es auch noch weitere Gründe, aber das Resultat ist immer das gleiche: der Absturz in Hartz-4.

Mir geht es in diesem Artikel weniger um Gesetztestexte oder um die Staffelung der einzelnen Hartz-4-Regelsätze. Dies ist alles reichlich im Internet und anderswo nachlesbar. Vielmehr beschäftigt mich das Thema: was passiert mit den Menschen, die von so wenig Geld überleben müssen? Was bedeutet es für die betroffenen Familien, die Kinder von Hartz-4-Beziehern, die Singles oder auch die älteren Bezieher? Wie wirkt sich dieser Umstand auf den einzelnen Menschen direkt aus? Macht Hartz-4 krank?

Ja, Hartz-4 macht die Menschen krank!

Wer, wie ich, einige Bezieher von Sozialleistungen persönlich kennt, beobachtet zunehmend deren Rückzug vom allgemeinen Leben und spürt die innere Unzufriedenheit dieser Menschen hautnah. Viele gleiten ab bis in depressive Zustände und verlieren ihr früher vorhandendes Selbstwertgefühl immer mehr. Der Rückzug vom sozialen Miteinander hat natürlich einen ganz praktischen Grund. Habe ich kein Geld für beispielsweise einen Kinobesuch über, muss Einladungen ablehnen, weil ich das Gastgeschenk nicht finanzieren kann oder muss ich selber auf Einladungen an andere verzichten, weil ich denen nichts bieten kann, macht mich das unglücklich, einsam und depressiv. Wenn diese Menschen dann noch Kinder haben, und denen nichts mal “ausser der Reihe” bieten können, leiden die Eltern meisst mehr als ihre Kinder darunter.

Viele Hartz-4-Bezieher mit Kindern verzichten für sich auf alles möglich, nur um ihren Kindern ein Minimum an Lebensqualität und kindlicher Lebensfreude bieten zu können. Aber auch erwachsene Menschen haben Bedürfnisse. Auch mal die gleichen Bedürfnisse wie ihre eigenen Kinder. Wollen auch mal eine Woche verreisen, wünschen sich vielleicht auch mal eine neue Jeans oder einen besonderen Frisörtermin, wollen auch mal Abends was erleben. Aber es scheitert am Geld. Die Einkünfte reichen eben nur zum überleben, bieten keinen Spielraum selbst für kleinsten Luxus.

Die Folge sind schlaflose Nächte, Sorgen vor dem nächsten Tag, ein Aufwachen voller Mutlosigkeit und eine fortschleichende “Null-Bock-Stimmung”. Dazu kommen dann die täglichen Gänge zum Briefkasten. Immer verbunden mit der Frage: welche Mahnung ist da heute wieder drin? Und wenn ja, dann leg ich sie zu den anderen. Schnell wird die Schublade voll. Den Überblick verlierend, häufen sich bei vielen die Schulden an. An manchen Tagen passieren auch noch andere Dinge: die Waschmaschine geht kaputt, das alte Auto streikt, das Kind braucht Geld für Schulaktivitäten, usw. Oder der Mann vom Stromversorger klingelt an der Haustür und verlangt sein Geld oder klemmt mich ab. Und alles ist nicht finanzierbar!

Wie soll der Mensch da leben? Und wenn dann noch die Perspektivlosigkeit auf Aufsicht in den beruflichen Wiedereinstieg überhand nimmt, beginnt ein circulus vitiosus, der Menschen seelisch und auch körperlich auf das Stärkste angreift. Der Mensch erkrankt an seinem Leben.

Hartz-4-Bezieher und das “Amt”

In all dieser trostlosen Stimmung herein, flattern den Betroffenen dann auch noch die obligatorischen Einladungsbriefe der ARGEn ins Haus. Als Bittsteller fühlen sich viele, wenn sie vor der Bürotür ihres “Fallmanagers” der ARGE sitzen und dann irgendwann gnädigst hereingerufen werden. Das Gefühl, wie eine Maus vor der bösen Katze zu sitzen, überfällt die Menschen. Mucken sie auf, bekommen sie es früher oder später zu fühlen. Sagen sie nichts, fahren sie noch demoralisierter und verunsicherter wieder nach Haus. Die Ämter wissen sehr genau um die seelischen Zustände ihrer “Kunden” und nutzen dieses weidlich aus. Wie einfach ist es doch, einen Menschen kleinzumachen, von dem ich weis, das er völligst von mir abhängig ist! Wie simpel ist, diesem Menschen deutlich zu zeigen, wer das Sagen hat und wer zu schweigen hat! Völlig skrupellos werden Hartz-4-Bezieher zu allen möglichen “Fortbildungsmassnahmen” vermittelt, wissend, das dieser Mensch oftmals Qualitäten besitzt, wovon der ARGE-Mitarbeiten in seinen kühnsten Träumen nicht mithalten könnte. Einen beruflich teilweise hochqualifizierten ehemaligen Arbeitnehmer auf derart unsinnige “Massnahmen” zu schicken, nagt sehr am Selbstwertgefühl der Menschen und gibt ihnen oftmals psychisch den Rest.

Aber: das Amt hat mal wieder einen weniger auf seiner monatlichen Statistik zu verzeichnen. Und darum gehts. Man will beweisen, das die ARGEN effizient arbeiten und ihre Leistungsbezieher bestens und nach aller Kraft vermitteln können. Allerdings, nach 8-12 Wochen sitzen diese Massnahmenteilnehmer wieder vor der Bürotür ihres “Fallmanagers”. Ein Teufelskreis.

Kinder und Hartz-4

Am schlimmsten trifft es die Kinder von Hartz-4-Beziehern. Sie wachsen auf in einem Umfeld, welches geprägt ist von Geldproblemen, Unzufriedenheit der Eltern, innerfamiliären Krisen aufgrund der beschriebenen Zustände, und müssen schon frühzeitig Verzicht üben und erlernen. Selbst kleinste kindliche und jugendliche Vergnügen werden zu problematischen Vorgängen, da nicht bezahlbar. Sportverein, Musikunterricht und ähnliches geht nicht, Schulausflüge klappen oftmals auch nicht, Urlaube sind schon gar nicht mehr realisierbar und vieles mehr. Und wie soll sich ein Kind, ein Jugendlicher, fühlen, mit staatlichen Gutscheinen versorgt, sich in einem Sportverein oder Musikverein anzumelden? Erbärmlich.

Manche Kinder werden in dieser Situtation dann schnell erwachsen und notwendigerweise aktiv. Sie suchen sich einen kleinen Minijob nach der Schule oder fürs Wochenende oder auch innerhalb der Ferien. Immer zu Zeiten, wo ihre Freunde ihren jeweiligen Hobbys nachgehen, versuchen sie ein paar Euro für sich und ihre Familie zu erarbeiten. Was für eine Frustration in der Seele eines Kindes oder eines Jugendlichen!

Aber schlimmer geht immer. Wir haben es ja mit der staatlichen ARGE zu tun! Das von den Kindern erwirtschaftete Geld wird dann eben schnell den Eltern bei der nächsten Hartz-4-Zahlung angerechnet und einbehalten. Die Bezieher leben eben als familiäre Bedarfsgemeinschaft zusammen, sagen sie. Schlichtweg ein Skandal für ein Land, das die Rechte von Kindern angeblich so hoch hält. Schämen sich die politischen Verantwortlichen, aller Parteien!, nicht für eine derart unsoziale Verhaltensweise? Vermutlich nicht. Deren Kinder besuchen oftmals Privatschulen, teilweise im Ausland, jetten schon im Kindesalter um die Welt und haben die besten Zukunftsaussichten. Zu Wahlzeiten zeigen uns dann diese Politiker ihre Krokodilsstränen, wenn es um das Thema Hartz-4 geht und versprechen das Blaue vom Himmel. Haben sie dann die Stimmen am Tag der Wahl eingesackt, reduzieren sie ihre Aussagen auf ein Mindestmass und verweisen zu gern auf das Verfassungsgericht, welches mittlerweile zu einer Anlaufstelle der Hartz-4-Bezieher geworden ist.

Ein Staat, der zusieht, wie  seine Kinder in Armut aufwachsen, nennt sich Sozialstaat. Darüber sollten wir nachdenken.

Perspektiven schaffen!

Unter Hartz-4  zu leben heisst eigentlich nichts anderes, als zu überleben. Es heisst Mutlosigkeit, Frustration, Depression und Existenzangst. Auf einem solchen Boden wächst nichts mehr. Es sei denn, der Sozialstaat greift ein und macht den Boden für die betroffenen Menschen wieder fruchtbar. Es reicht nicht zu sagen: wer arbeitet soll davon auch leben können, um diesen Satz auch immer in Richtung der Hartz-4-Betroffenen zu richten. Viele Hartz-4-Bezieher haben jahrelang, oftmals jahrzehntelang, gearbeitet, wollten und wollen auch weiter arbeiten. Sie sind zumeisst nicht schuld an ihrem jetzigen Leben. Diese Menschen dürfen wir nicht allein lassen und ihnen damit noch mehr das Gefühl vermitteln, das sie einen Stempel auf der Stirn tragen. Die Diskussion, nicht nur allein die politische, muss weitergehen. Sie muss sich quer durch die Gesellschaft zu einem Dauerthema verbreiten. Sonntagsreden allein machen nicht satt! Sie füllen weder die Kühlschränke, noch statten sie die Kleiderschränke aus, noch machen sie glückliche Kinder. Taten müssen diesen Reden folgen. Aber bitte schnell und bitte mal endgültig!

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