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Merkel und die Bundespräsidenten

Was sie kann, was sie nicht kann, und was sie schon mal gar nicht darf.
„Spiegel“-Leser wissen mehr

„Spiegel“-Leser wissen mehr. Wie gut, dass ich ein „Spiegel“-Leser bin! Da weiß ich mehr als diejenigen, die sich zum Beispiel nur kurz das Inhaltsverzeichnis ansehen. Die wissen nämlich nur, dass auf Seite 26 der aktuellen Ausgabe ein Artikel steht zum Thema „Bundesversammlung: Die Mehrheit für Wulff schmilzt“. Das weiß aber jeder Zweite von der Straße. Und was auf der Seite 27 steht, wissen diese Weniger-Wissenden ohnehin nicht; sie wird nämlich im Inhaltsverzeichnis gar nicht aufgeführt.

Ich weiß mehr; nämlich, dass es auch auf der Seite 27 um den Bundespräsidenten geht. Auf Seite 26 um den neuen, hier dann um den alten. Da kann man nicht meckern. Dass von knapp 200 Seiten zwei für den bzw. die Bundespräsidenten bereitgestellt werden, halte ich für redaktionell vertretbar, handelt es sich doch um ein echtes Top-Thema bzw. um echte Top-Themen.


Nicht ganz so Top wie Ghana gegen Deutschland, aber auch ganz schön Top. Und im Original. So liegt uns zum Beispiel auf der Seite 27 ein offener Brief des CSU-Rechtsauslegers Peter Gauweiler an den Bundespräsidenten a.d. Horst Köhler vor, in dem er den Adressaten in aller Freundschaft bittet, so die Überschrift: „Erklären Sie sich!“
Wenn Sie z.B. zwar nicht zu den Mehr-Wissenden gehören, weil Sie kein „Spiegel“-Leser sind, kennen Sie den MdB Gauweiler vielleicht allein schon deshalb, weil er vor gar nicht allzu langer Zeit u.a. auch als Kolumnist für die Bildzeitung tätig war. Immerhin schon mal ein Basiswissen. Zumal das auch immer allein schon deshalb sehr nett war, weil das Blatt dem Leser überließ, sich seine freie unabhängige Meinung zu einem tagesaktuellen Thema zu bilden.
“Rechts“ erläuterte Peter Gauweiler seine Sicht der Dinge, „links“ Oskar Lafontaine. Da wurden die Meinungsverschiedenheiten ziemlich deutlich, und da stand man schon mit seinem gefährlichen Halbwissen ziemlich ratlos da. Aber Gott sei Dank überwogen in aller Regel die Meinungsgemeinsamkeiten, so dass der Tag doch nicht völlig versaut war, sondern man ziemlich versöhnt in denselbigen starten konnte.

Oskar Lafontaine, das muss fairerweise auch einmal gesagt werden, war allerdings von vornherein für den Euro, Peter Gauweiler einer seiner erbittertsten Gegner. Dies ließ sich jedoch einigermaßen verkraften, da man als Stammleser der Bildzeitung sowieso wusste, was man in dieser Angelegenheit zu denken hat.
Damit mag es zusammenhängen, dass Gauweiler sich im letzten Jahrzehnt immer weniger um das Rechte im Großen und Ganzen bemüht hatte, sondern sich ganz gezielt auf seinen Kampf gegen den Euro konzentriert hat. Im Zusammenwirken übrigens mit anderen Möchtegern-Elderstatesmen, die durchaus ein beträchtliches Ansehen vorzuweisen haben – gerade auch bei den Linken.
Wollen Sie mehr wissen? Okay, dann erzähle ich Ihnen kurz, in welcher Sache sich Gauweiler an den sehr geehrten Herrn Bundespräsidenten a.d. Horst Köhler mit der Bitte um Erklärung gewandt hat. Können Sie sich jetzt ja auch schon denken. Ich zitiere. Köhler, angetreten!
“Der Präsidialdienst für 80 Millionen Menschen ist keine Wegwerfware. Es muss für die plötzliche Weggabe dieser größtmöglichen Ehre, die das Land zu vergeben hat, schwerstwiegende Gründe geben …“
Jawoll! Und deshalb, ja genau deshalb, weiter im Text:
“… Wenn es die kritischen Artikel nach Ihrem Radiointerview über die Bundeswehr waren, müssen Sie es sagen. Das glaubt nämlich bisher niemand.“

Also weist Gauweiler darauf hin, dass „in engem zeitlichen Zusammenhang“ der Bundespräsident a.d. seinen Friedrich-Wilhelm unter das Riesen-Euro-Rettungspaket gesetzt hatte bzw., wie Gauweiler unterstellt, zu setzen hatte, ohne auch nur einen Moment Zeit für die gebotene verfassungsrechtliche Prüfung zu haben.
Und da er Köhler als Mann vom Fach kennt, nicht so ein Anti-Euro-Hardliner wie Gauweiler selbst, aber immerhin ein Mann mit strengen deutschen Prinzipien, unterstellt er, dass Köhler zu seiner Unterschrift gleichsam gegen sein Gewissen gedrängt worden sei.
Nun mag man spötteln, dass Gauweiler selbstredend öffentliche Kritik an der Selbstverständlichkeit militärischer Absicherung deutscher Wirtschaftsinteressen für eine lächerliche Petitesse hält. Nochmal weiter im Zitat:
„Weil Sie allgemein bewiesen haben, dass Sie in Ihrem Leben schon ganz andere Drucksituationen ausgehalten und bestanden haben.“
Will sagen, dass diesem deutschen Ehrenmann, während er an der Front im Hindukusch auf Achse war, ein ganz anderer Dolchstoß gesetzt worden sein muss. Nämlich in der Sache, wo es für die Nation wirklich um Gedeih und Verderb geht. Man mag spötteln, fragt sich aber doch, ob an Gauweilers Spekulation nicht doch ein Fünkchen Wahrheit dran sein könnte.
“Erklären Sie sich!“ fordert Gauweiler von Köhler, auf dass die wirklichen Landesverräter mit ihren erbarmungslosen Methoden für alle und nicht zuletzt vor der deutschen Geschichte sichtbar werden, beim Namen genannt zwecks späterer Aburteilung. Als Nebeneffekt sei dann diesem Weichei von Fremdling im Politikbetrieb die Aussicht auf mildernde Umstände gewährt.
„Spiegel“-Leser wissen mehr. Aber eben auch nicht alles. Der Bundes-Horst schweigt, hat nach eigenen Angaben am Rande dieses wunderschönen Großen Zapfenstreiches alles Notwendige in dieser Angelegenheit gesagt und dürfte von Gauweiler ins deutsche Fegefeuer abkommandiert werden. Und auch wir „Spiegel“-Leser müssen aller Voraussicht nach dumm sterben.

Aber Sterben müssen wir alle mal. Ich sage ja immer: die Viren, die Viren … Damit bin ich eine Seite zurück, also auf der Seite 26 des aktuellen „Spiegels“, wo es um die Suche nach dem Neuen geht, und wo bekanntlich die Sache für Wulff, also auch Merkel, einen suboptimalen Verlauf angenommen hat. Ich zitiere nur den ersten Absatz. Drei Sätze – Spiegel, Spiegel an der Wand, einfach wunderschön:
“Joachim Gauck muss der Kanzlerin manchmal vorkommen wie die Vogelgrippe. Die Begeisterung für ihn breitet sich schneller aus, als man schauen kann. Das Einzige, was gegen die Ansteckungsgefahr hilft, ist schnelles Impfen der eigenen Bestände. Keulen ist keine Option.“
Tatsache: so steht es da im „Spiegel“. Auf der Seite 26. Arme Merkel: „Keulen ist keine Option.“ „Spiegel“-Leser wissen mehr.

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