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Cool bleiben!

Maron
Monika Maron; Foto: larsblog.de

„Wir leben in einer Krise, deren Folgen wir noch gar nicht absehen können“, schreibt die Schriftstellerin Monika Maron in der heutigen Ausgabe des „Spiegel“. Dies ist erstens wahr, und zweitens ist es löblich, in diesen schweren Zeiten daran zu erinnern, dass wir in schweren Zeiten leben. Denn wie leicht könnte dies in Vergessenheit geraten, zumal die Nation just gemeinsam mit Klose so eine Art von inneren Bundesparteitag erlebt, während Podolski – wie vom Bundesjogi in Aussicht gestellt – „förmlich explodiert“.
Und weil das so ist – das mit dieser Krise, Herrgott noch mal! -, deshalb darf auf gar keinen Fall Christian Wulff Bundespräsident werden. Es muss dringend Joachim Gauck werden – wegen dieser „Krise, deren Folgen wir noch gar nicht absehen können“. Verstehen Sie?!
Aber die CDU hat ja Christian Wulff als Kandidaten nominiert, und Monika Maron war empört. Reichlich empört. “Seit ich im Westen lebe, also seit 22 Jahren“, schreibt die Literatin, „hat mich keine politische Entscheidung so empört, so aus der Fassung gebracht wie diese Kandidatenfindung der CDU.“
In ihrer „Ohnmacht“ fühlte sich Frau Maron gar “an vergangene Zeiten erinnert“. Ja, wegen der Nominierung von Christian Wulff! Kein Scherz. Glauben Sie nicht?! – Einfach den neuen „Spiegel“ kaufen. Maron lesen, Haare raufen. Muss ganz schön schlimm gewesen sein, damals in der DDR. Aber so schlimm?! Christian Wulff – okay, Erich Honecker und Konsorten, das waren auch so smarte Typen. Aber richtig: so smart nun auch wieder nicht …
Und damit es hier – zumal angesichts der schweren „Krise, deren Folgen wir noch gar nicht absehen können“ – nicht auch so endet, setzt sich Monika Maron für eine Direktwahl des Bundespräsidenten ein. Das Volk soll bestimmen und nicht die Partei. Dass in diesem Fall der Bundespräsident mehr zu sagen haben müsste, hält sie für ein „fadenscheiniges“ Gegenargument.

Der Bundespräsident solle durchaus bleiben, was er ist. Aber: „Warum sollten die Bürger dieses Landes nicht selbst entscheiden, wessen Rat oder, wenn nötig, Mahnungen sie hören wollen, wem sie am ehesten zutrauen, sie in unsicheren Zeiten zu ermutigen und auf die schwierige Balance im Staat zu achten?“
Märchenonkel Ja, aber bitte direkt vom Volk gewählt. Und wenn dies diesmal wegen dieser blöden Verfassung (noch) nicht möglich sein sollte, dann haben die Damen und Herren Politiker sich aber immerhin für denjenigen zu entscheiden, dessen „klare Stimme“ ein „Engagement entfacht“ hat, das die Dichterin nur als „Volksbewegung“ bezeichnen kann.
Eine Volksbewegung gegen den Primat der Politik über die Wirtschaft? Okay, so weit ist es noch nicht, obgleich genau diese dringend mal nötig wäre, wenn man bedenkt, wie das mit der Wirtschaft in der DDR gelaufen ist. Aber immerhin: dass die breite Mehrheit der Bevölkerung den rot-grünen Kandidaten bevorzugt, ist nicht abzustreiten.
Gauck – so sieht es wohl auch Frau Maron – kommt gerade deshalb so gut beim Volke an, weil er zum einen weder rot noch grün ist, und zum anderen von den Schwarzen und den Gelben nicht gewollt wird. Ausgerechnet von denen nicht, die – gerade einmal gewählt – nichts als Murks machen.

Im Volk wächst die Sehnsucht nach einem Bundespräsidenten, der wirklich über den Parteien steht, nach einem, der über diesem ganzen Hickhack, das wir nun gerade in dieser Krise, deren … Sie wissen schon, überhaupt nicht gebrauchen können, steht, oder, wie es der mit dem „Spiegel“ freundschaftlich verbundene „Tagesspiegel“ auf den Punkt bringt: die Sehnsucht nach dem starken Mann.
Es ist aber auch ziemlich schwere Kost, die dem harmoniebedürftigen Publikum in diesen schweren Zeiten („einer Krise, deren Folgen …“) vorgesetzt wird. Gute bürgerliche Küche: Gurkentruppe an Wildsau. Bei diesem Fraß kann einem der Appetit vergehen. Oder aber die Sehnsucht nach einer richtig fürstlichen Speise aufkommen.
Der „Spiegel“ reiht in seiner Titelgeschichte die vielen Köche, die den Brei verderben, sorgsam aneinander auf. Ein verdorbenes Gericht nach dem anderen, was freilich der Chefkoch zu verantworten hat – in diesem Fall: die Chefköchin, nämlich die „Trümmerfrau“, so die Überschrift der Titelgeschichte. Dreimal dürfen Sie raten! Auf dem Titel selbst ist die Chefin mit ihrem Hilfskoch abgebildet, und darüber in großen Lettern: „Aufhören!“


Ich zitiere aus dem „Spiegel“-Artikel: „Ganz aufhören? Es ist nicht zu erkennen, wie diese Regierung noch einmal zusammenfinden soll, wo die Kraft für einen wahren Neuanfang herkommen kann.“
Ja, die Kraft. Witzig. Und was so alles erwartet wird. Ein Anfang reicht nicht mehr, denn der wurde ja schon gemacht oder verpasst oder was. Also muss ein Neuanfang her, aber nicht irgendeiner, sondern ein „wahrer Neuanfang“. Und dazu fehlt einfach die Kraft … (nein, der Gag ist durch; dazu kommt nichts mehr)
Also bald Neuwahlen, worüber heute in allen Medien munter spekuliert wird. Das wär´s doch. Oder? Leider fährt der „Spiegel“ unmittelbar fort mit: „Das heißt aber nicht, dass die Regierung wirklich bald platzt. Schwarz-Gelb kann auch endlos am Ende sein.“

Ach, wie schade! Es folgen – im „Spiegel“ und auch andernorts – staatsbürgerliche Unterweisungen, denen zu entnehmen ist, dass Frau Merkel ja doch im Bundestag irgendeine Abstimmung mit der Vertrauensfrage verknüpfen könne, und dann …
Ja sicher, könnte sie machen. Warum eigentlich nicht? Wäre doch mal etwas Anderes. Der „Spiegel“ hätte noch eine Titelgeschichte, ich hätte bestimmt auch etwas zu schreiben – immerhin schon zwei Gründe, die stark dafür sprechen, dass sie es einfach mal macht.
Und dann, und dann, und dann ….? – Dann käme der Bundespräsident ins Spiel. Spannend. Wir wissen ja heute noch nicht, wer es wird. Da wird ja auch noch kräftig in der bürgerlichen Küche dran rumgebrötschelt. Spannung pur. Der „Spiegel“ schreibt:
„Unter normalen Umständen wäre Merkel wohl schon bei einem Scheitern Wulffs im ersten Wahlgang schwer beschädigt, in einem zweiten kaum noch zu halten.“ Wie jetzt? Würde die Kanzlerin dann Urban Priol imitieren und sagen: „Also, wenn Ihr den Christian nicht wollt, dann will ich auch nicht mehr!“ ?
Oder würden noch vor dem dritten Wahlgang die Delegierten der Länderparlamente kurz rausgeschickt und der dann automatisch versammelte Bundestag auf der Stelle ein konstruktives Misstrauensvotum durchführen?

Cool bleiben: leider nicht. So würde es, wenn Sie aufmerksam gelesen haben, nur laufen „unter normalen Umständen“. Wir leben aber nicht „unter normalen Umständen“, sondern „in einer Krise, deren Folgen wir noch gar nicht absehen können“. Sie könnte Wulff zur Folge haben (ja, so schlimm!) oder sogar Gauck (unwahrscheinlich, aber die Krise ist wirklich schwer). Wir wissen es nicht. Es ist aber auch völlig egal.
Angela Merkel bleibt so oder so Kanzlerin. Sie ist nämlich Physikerin und denkt die Dinge deshalb vom Ende her. Schreibt der Spiegel, sagen alle, dann muss es ja stimmen. Dass Physiker alles vom Ende her denken. Da kann man natürlich nichts machen. Denn vom Ende her gedacht ist dieses ganze Palaver nichts weiter als eine kleine deutsche Begleitmusik zu dem ständigen Uwe-Seeler-Getröte aus Südafrika. Wenn Sie so wollen: eine Höflichkeit gegenüber den WM-Gastgebern. Denn, so Wikipedia, „in großen Teilen Afrikas gehört das Palaver zu den guten Umgangsformen, umso länger, je wichtiger die Angelegenheit und je hochgestellter die Beteiligten sind“.
An das Original-Getröte wird man sich noch eine ganze Weile erinnern, an die deutsche Begleitung aus der bürgerlichen Küche nicht. Also: Ball flach halten! Und immer cool bleiben!

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